Mit gemischten Gefühlen - Als Wahlbegleiterin in Venezuela

Am 5. März 2013 erlag Hugo Rafael Chávez Frías im Alter von 58 Jahren seinem Krebsleiden. Nur wenige Monate vorher, am 7. Oktober 2012, wurde er erst zum Staatspräsidenten der Bolivarischen Republik Venezuelas wiedergewählt.

Innerhalb von nur 30 Tagen mussten laut Verfassung Neuwahlen stattfinden – ein enormer Organisationsaufwand, abgesehen von der ohnehin emotional und politisch höchst angespannten Atmosphäre nach seinem Tod.

Auf Einladung des Nationalen Wahlrats (Consejo Nacional Electoral, kurz: CNE) bekam ich die Gelegenheit, als internationale Wahlbeobachterin den Wahlgang aus nächster Nähe im Bundesstaat Barinas, der Heimat von Chávez, zu verfolgen. Ob das politisch korrekt sei, wird man schnell von Linken gefragt. Tatsächlich ist es so, dass Venezuela nicht nur gezwungen ist, internationale Wahlbeobachter ins Land zu lassen, sondern auch, deren Reise und Aufenthalt zu finanzieren. Die umgekehrte Frage, warum wir nicht internationale Wahlbeobachter nach Deutschland einladen, zum Beispiel auch aus Venezuela, würde jeder Deutsche als absurd empfinden. Dabei könnten wir sogar von Venezuela lernen. Beispielsweise von ihrem modernen elektronischen Wahlsystem, der Möglichkeit, Mandatsträger nach der Hälfte der Amtszeit abzuwählen oder der für deutsche Verhältnisse unglaublich hohen Wahlbeteiligung. Hier zeigt sich der in den westlichen kapitalistischen Ländern vorherrschende Kulturimperialismus, der letztlich bedeutet, in die Souveränität anderer Staaten eingreifen zu dürfen. Nichts anderes heißt deshalb auch internationale Wahlbeobachtung, weil die Durchführung von Wahlen ein nationaler Hoheitsakt ist.

Katja Klüßendorf, Wahlbeobachterin in Venezuela

Katja Klüßendorf (li.) begleitete die Wahl / Foto: privat

Dennoch spielt internationale Wahlbeobachtung in Venezuela eine ganz wichtige Rolle für die Anerkennung der Wahlergebnisse und der Regierung, nach innen wie international. Besonders war dies auch bei den Wahlen vom 14. April der Fall, deren Ausgang die Opposition um Henrique Capriles nicht akzeptieren wollte und eine regelrechte Staatsstreichstimmung im Land herrschte. Bei Ausschreitungen seiner Anhänger kamen zehn Menschen ums Leben. Der Sozialist Nicolás Maduro, den Chávez noch im Dezember letzten Jahres als seinen Nachfolger empfahl, gewann knapp mit 50,7 Prozent der Stimmen die Präsidentschaftswahl. Die internationalen Wahlbeobachter erklärten geschlossen vor der Presse, dass der Wahlprozess transparent, entsprechend der Regeln abgelaufen und somit das Ergebnis anzuerkennen sei.

Der Opposition kann dieser Tenor nicht gefallen. In Begegnungen mit Vertretern verschiedener Oppositionsparteien im Rahmen des Wahlbegleitprogramms wurde mehrmals der Vorwurf geäußert, der CNE würde sich vorher ganz genau aussuchen, wer als Wahlbeobachter eingeladen, das heißt im Sinne der Regierungspartei PSUV (Vereinte Sozialistische Partei) agieren würde. Meine eigene Erfahrung aber ist im Gegenteil die, dass sich unter der Gruppe der internationalen wie der nationalen Wahlbeobachter Personen aller politischen Couleur befanden. Zudem bekräftigten auch internationale Wahlbeobachter, die über andere Organisationen entsandt wurden, wie unter anderen das Jimmy-Carter-Center, die Europäische Union, den Mercosur (Gemeinsamer Markt Südamerika) oder die Organisationen Amerikanischer Staaten (OEA), die Legitimität der Wahlergebnisse.

Deshalb halte ich es in einer Situation, in der sogar ein Putsch nicht ausgeschlossen werden konnte, für richtig, dass jemand wie ich oder andere, die den sozialistischen Kurs Venezuelas unterstützen, diese Rolle als internationale Wahlbegleitung wahrnehmen, auch wenn wir die berechtigte Kritik am Charakter der Institution internationaler Wahlbeobachtung an sich haben. Ja, und manchmal kann da eben zum Ärger anderer beispielsweise auch herauskommen, dass das US-amerikanische Jimmy-Carter-Center, wie vor vier Jahren geschehen, Venezuelas Wahlsystem als das beste weltweit bezeichnet.

Logo CUBA LIBRE Katja Klüßendorf

CUBA LIBRE 3-2013