Die deutsche Regierung und das Europäische Parlament – warum eine solche Exklusivität wie die gegenüber Kuba?

Wenn es darum geht, Kuba durch die ideologische Brille des Kapitalismus zu betrachten, geschehen wirklich irrationale und unverantwortliche Dinge. Im Juli 2017 verabschiedete das Europäische Parlament eine Entschließung zur Vorbereitung eines Abkommens des politischen Dialogs und der Zusammenarbeit mit Havanna und machte auf diese Weise die so genannte Gemeinsame Position zur Makulatur, die 1996 auf Initiative von José María Aznar, dem in der republikanischen Geschichte des Landes am schlechtesten angesehenen spanischen Ex-Präsidenten, etabliert worden war.

Heute wissen wir, dass diese gemeinsame Position nicht im Europäischen Parlament entstanden ist, sondern das Ergebnis der "guten Kooperationsbeziehungen" war, die schon immer zwischen dem spanischen Expräsidenten, den rechtsgerichteten extremistischen kubanischen Residenten im Süden Floridas und ihren Lohnsklaven auf der Insel existiert hat und die immer das Wohlwollen der turnusgemäßen Regierung im Weißen Haus, der CIA und des Pentagon genossen haben.

Aus diesem Grund und quasi als Entschuldigung angesichts der Halsstarrigkeit des aktuellen US-Präsidenten, verabschiedeten die Europaabgeordneten außer diesem Abkommen der "gegenseitigen Zusammenarbeit, des politischen Dialogs und der Handelsbeziehungen" auch eine Zusatzresolution über die "Menschenrechte" in Kuba, in der Havanna gewarnt wurde, dass im Falle der Nichtrespektierung derselben, das besagte Abkommen ausgesetzt würde.

Dieses Pamphlet wurde unterzeichnet, obwohl jeder Europäer, der auch nur ein kleines Stückchen Menschenverstand besitzt, weiß, dass sowohl das Abkommen als auch die gemeinsame Resolution eine Farce darstellen, die einmal mehr die Doppelmoral und die Politik von zweierlei Maß offen legt, durch die das Handeln der Europäischen Union und ihres Parlaments gegenüber Kuba immer geprägt war.

Angesichts dessen, dass die kleine Karibikinsel bisher das einzige Land Lateinamerikas gewesen ist, mit dem die Europäische Union kein derartiges Abkommen besaß, lohnt es sich zu fragen, wodurch eine solche Außergewöhnlichkeit bedingt ist.

Ist Kuba etwa das Land, in dem die Menschenrechte auf dem amerikanischen Kontinent am Stärksten verletzt werden? Ist das kubanische Volk so schlecht, dass es eine Gemeinsame Position und eine unmenschliche Blockade verdient, die von fast der gesamten Welt in hohem Maße abgelehnt wird?

Vor einigen Tagen hatte ich die Gelegenheit, an einem von der Berliner Tageszeitung "junge Welt" (jW) organisierten Treffen mit einer Gruppe junger kubanischer Journalisten teilzunehmen, die sich seit dem 26. Juni in Berlin aufhalten.

Die jungen Journalisten waren zum dritten Mal von der Panter Stiftung eingeladen worden, die der Berliner Zeitung TAZ nahe steht. Zu dieser Zeitung, ihrer Stiftung und dieser Art von "Projekten", die von ihnen selbst als "Kuba-Workshop" bezeichnet werden, haben wir schon bei anderen Gelegenheiten Stellung bezogen, wie auch zu den Finanziers und Organisatoren derselben, weswegen es sich auch nicht lohnt, zu diesem Thema weitere Seiten zu füllen.

Auf persönlicher Ebene bin ich nicht sehr davon überzeugt, ob es einigen Leuten in Kuba klar ist, was sich wirklich hinter dem "Kuba Workshop" verbirgt. Bei dem Treffen im Hause der Tageszeitung jW erzählte eine junge Kubanerin, dass sie und die Gruppe vor einigen Tagen den von Volker Hermsdorf zum Thema auf der Internetseite Cuba Información veröffentlichten Artikel gelesen hätten. Darin spielte der deutsche Journalist auf die Finanzierungsquellen und die wahren Absichten des "Kuba Workshop" an. Diese von der jungen Journalistin gemachte Anmerkung führte mich zu der Annahme, dass wenn nicht alle, so doch zumindest die Mehrzahl dieser jungen Leute zuvor keine Kenntnis von diesen Informationen hatten.

Es wäre interessant zu wissen, was genau die Herrschaften der Panter-Stiftung diesen Informationsberuflern in Kuba erzählen, um sie davon zu überzeugen, zum "Austausch" nach Berlin zu kommen. Da ich mir dessen nicht sicher bin, möchte ich mit ihnen und euch dieses Dokument der Bundesregierung teilen, um eine Vorstellung davon zu bekommen:

Laut dem Bericht Nummer 20 der Bundesregierung zur Kulturpolitischen Arbeit im Ausland vom 16. März 2017 heißt es in Absatz C unter der Überschrift: "Vorpolitische Freiräume eröffnen", auf Seite 14: "Die unter der Regierung von Präsident Barack Obama eingeleitete politische Entspannung im Verhältnis zwischen Kuba und den USA eröffnet auch für die deutsch-kubanischen Kulturbeziehungen neue Perspektiven. Durch Intensivierung der kulturellen Beziehungen leistet das Auswärtige Amt einen Beitrag zur progressiven Öffnung Kubas. Die wieder aufgenommenen Verhandlungen über den Abschluss eines Kulturabkommens wurden bei einem Besuch in Havanna im Herbst 2016 fortgesetzt. Die Schaffung einer gegenseitigen Vertrauensbasis ist dafür Grundvoraussetzung. Projektarbeit bereitet dafür den Boden: unterstützt wurden beispielsweise Ausstellungen kubanischer Künstler in Deutschland und die "Cuban-European Youth Academy" des Balthasar-Neumann-Ensembles. Ein von der taz-Panter-Stiftung organisierter und vom Auswärtigen Amt finanzierter Medienworkshop leistete einen Beitrag zur Öffnung des strikt reglementierten Informationssektors."

Dabei ist es sehr wichtig, die Tatsache zu betonen, dass es laut diesem Bericht, wenn es darum geht, eine Außenpolitik der Einmischung zu betreiben, Lektionen von Demokratie, Presse- und Meinungsfreiheit zu erteilen, anscheinend die Türkei, der Iran, Saudi-Arabien und Kuba diejenigen Länder sind, die der deutschen Bundesregierung am meisten Sorge bereiten. Es ist mehr als eindeutig, dass letztere die Zeitung TAZ und ihre Panter-Stiftung dazu benutzt, um ihre Ziele zu erreichen. Dies muss laut ausgesprochen werden, damit diese Leute nicht glauben, dass sie es mit Frischlingen und Analphabeten zu tun haben.

Anscheinend sind die jungen kubanischen Journalisten für die deutschen Politiker ebenso "exklusiv" wie dies Kuba für das Europäische Parlament ist, weshalb man angesichts eines solchen Überflusses an Exklusivität wachsam sein sollte. Es ist wahrhaft abscheulich zu sehen, auf welch heimtückische Weise diese arroganten Euroegozentristen handeln, um ihre geopolitischen Interessen durchzusetzen, indem sie ausgehend von selbst festgelegten Parametern urteilen und den sozialen und kulturellen Kontext in anderen Breiten verfälschen und manipulieren. Sie laden uns zum Festmahl ein, um uns ihre hohen und überhöhten Lebensstandards zu präsentieren, als seien diese ihre eigene Leistung, wobei sie ignorieren, dass sie diese vermeintlichen Vorteile auf Kosten anderer Kulturen erworben haben.

Wenn wir uns die Liste derer ansehen, aus denen die kleine Delegation junger Kubaner zusammengesetzt ist, sind wir bereits nicht mehr überrascht, wenn wir bemerken, dass die Mehrzahl in El Toque, On Cuba, Periodismo de Barrio, El Estornudo und Diario de Cuba publiziert. Auffallend ist die Tatsache, dass die deutschen Medien, einschließlich der Tageszeitung TAZ, wenn sie auf "unabhängige" kubanische Medien Bezug nehmen, fast immer eben diese erwähnen und dabei auf hinterlistige Weise die Existenz von hunderten guter kubanischer Blogger ignorieren. Diese sind jedoch anscheinend von Interesse. Daher werden nun, um den Eindruck von Pluralismus und Vielfalt zu erwecken, drei Journalisten staatlicher Medien eingeladen.

Das Ziel liegt in der "Mischung", die Wärme der Beziehungen zu nutzen, die sich aufbauen werden, nachdem man zwei Wochen "im Familienkreis" in fernen Ländern der "Freiheit" verbracht hat, in der Hoffnung, dass bei der Rückkehr nach Kuba bereits gewisse Freundschaftsbande entstanden sein mögen, die unverzichtbar sind, um die vom Deutschen Außenministerium in seinem Bericht beschriebenen Ziele zu erreichen. Ich glaube, dass man dabei die kubanische Jugend unterschätzt.

Man muss anerkennen, dass man ein gutes, interessantes und vielfältiges Programm für sie vorbereitet hat. Als Alibi wurden auch zwei linke Medien mit einbezogen, um den Eindruck von Diversität und Pluralismus zu erwecken.

Dem Programm zufolge hatten sie ein Treffen mit dem Chef des spanischen Programms der Deutschen Welle (DW). Es wäre gut gewesen, den jungen kubanischen Journalisten zu raten, sich auf der spanischen Facebookseite der DW umzusehen und einen Blick auf die Programme zu werfen, die Venezuela gewidmet sind.

Die Leute von der DW widmen außerdem auch Kuba viel Zeit, vor allem aber den so genannten kubanischen Dissidenten, ihr bevorzugter "Dissident" ist dabei Yoani Sánchez und ihr Spezialprogramm, an dessen Namen ich mich lieber nicht erinnern möchte. Daher hat man ihren Arbeitsvertrag bis Ende 2017 verlängert. Die Bundesregierung zahlt und daher gibt es Geld im Überfluss.

Einem Finanzbericht des Deutschen Parlamentes zufolge erhält die DW für das laufende Jahr die astronomische Summe von 325 Millionen Euro.

Wenn ich an die DW denke, erinnere ich mich an einen Gesprächsaustausch, den ich vor einigen Monaten mit einem ihrer Mitarbeiter hatte, als wir ihnen den Vorschlag machten, unter Ausnutzung seines Aufenthaltes in Berlin eine Debatte mit Iroel Sánchez zu organisieren. Die Antwort war viel sagend, aber kategorisch. Wir empfangen ihn gerne, wir zeigen ihm unsere Einrichtungen, wir geben ihm die Möglichkeit, als Beobachter an einer unserer Arbeitssitzungen teilzunehmen, aber für eine Debatte haben wir nicht die Zeit. Wir haben dies unsererseits natürlich nicht akzeptiert.

Das Gleiche machen sie mit den kubanischen Journalisten, vor allem mit den "Offizialisten", wie sie diese selbst katalogisiert haben. Spaziergänge, Gespräche, Zusammenkünfte fast alle hinter verschlossenen Türen, von Angesicht zu Angesicht, familiär, um den Eindruck zu vermitteln, wie gut und zwanglos die Informationsprofis in Deutschland sind, wobei es aber keinerlei Gelegenheit gibt, mit dem deutschen Fernsehpublikum oder der deutschen Leserschaft in direkten Kontakt zu kommen.

Können Sie sich vorstellen wie es wäre, wenn junge Journalisten von all den guten, die wir in Kuba haben, die gleiche Möglichkeit hätten wie die "Unabhängigen", um die europäischen Medien dazu zu nutzen, der Welt einen anderen Blick auf Kuba zu vermitteln, und zwar von Kuba aus?

Außerdem wurde ein Austausch mit den Reportern ohne Grenzen, weiteren Finanziers dieses "Projektes" organisiert. Über diese Organisation ist alles bekannt, das braucht man nicht weiter zu vertiefen. Diesen Leuten glaubt bereits niemand mehr, insbesondere nachdem man weiß, wozu und durch wen sie gegründet wurden.

Eine der "interessantesten" für die jungen kubanischen Journalisten organisierten Aktivitäten war zweifellos der Besuch im Museumsarchiv der Stasi (dem ehemaligen Organ der Staatssicherheit der entschwundenen DDR). Es würde mich sehr interessieren zu erfahren, welche Geschichten man ihnen wohl dort erzählt hat. Das Schlimmste, was ihnen dort passiert sein könnten, wäre dort einen "Kubaner" getroffen zu haben, der sich zuweilen dort herumtreibt und verrückte Lügengeschichten erzählt.

Während des Zusammentreffens mit den jungen kubanischen Journalisten im Hause der jW waren wir sehr beeindruckt vom Niveau an Professionalität und Bildung, welches die Gäste an den Tag legten, von der sehr klaren und genauen Art, mit der sie trotz "Zeit und Entfernung" ihre seriösen, gebildeten und professionellen Kriterien einbrachten und all dies dank der großen Schule, die die Revolution darstellt. Das sage jedenfalls ich.

Gestern Abend fand die Abschlussveranstaltung des "Workshop" statt, die immer im Berliner TAZ-Café organisiert wird – die einzige Gelegenheit, die die Mitglieder dieser Art von Delegationen haben, sich direkt mit dem deutschen Publikum "auszutauschen". Ich gestehe, dass ich mit Vorurteilen dort hin kam. Ich war bereits anlässlich des letzten "Austauschs" in dem Café gewesen und sehr enttäuscht wieder gegangen, aber diesmal hatte ich mich glücklicherweise geirrt... Der Unterschied zur vorherigen Gruppe war von Anfang an fundamental.

Die für diesen Anlass ausgewählten drei kubanischen Diskussionsteilnehmer konnten nicht besser sein. Deutlich, transparent, souverän, revolutionär. Sie sprachen von Fidel, von Raúl und davon, was sie sich für die Zukunft Kubas wünschen. Sie vermittelten ihre Ansicht über den 17. Dezember [2014, gegenseitige Erklärung von Barack Obama und Raúl Castro zur Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen USA-Kuba], über die Bedeutung der Rückgabe der zu Guantánamo gehörenden Bucht, über die Auswirkungen und Mangelerscheinungen der ungerechten und unmenschlichen Blockade, sowie über die nationale Souveränität. Aber sie sprachen auch über ihre Beunruhigungen und Besorgnisse und ihre Wünsche zur Umsetzung eines besseren und engagierteren Journalismus. Für mich war dies eine Lektion, wie man eine feindliche Plattform dazu benutzen kann, um Wahrheiten zu verkünden. Auch die anderen jungen Leute im Publikum brachten ihre Kriterien auf ähnliche Weise zum Ausdruck. Während ich die Szenerie genoss, kam mir das Sprichwort vom Schuss, der nach hinten losgeht, in den Kopf.

Es schien "alles in Butter" zu sein, aber dann kam er, der "eloquenteste" von allen, er, der dafür bezahlt wird, Lügen in diesem "Diario" zu verbreiten, dem sie den Zusatz "de Cuba" gegeben haben. Er sprach, als würde er ein auswendig gelerntes Gedicht vortragen, das selbe wie immer. Das Traurige an der Angelegenheit war, dass der ewig gleiche Moderator es ihm ermöglicht hatte, das Schlusswort zu sprechen. Sein Gift erreichte einige, aber doch nicht alle, so hoffe ich wenigstens.

Sicherlich werde ich den von jenem jungen Mann, mit dem ich das Privileg hatte ein wenig zu plaudern und der für ein staatliches Medium schreibt, ausgesprochenen Satz nicht vergessen, als er ungefähr folgendes ausrief: "Wenn diese Reise von der CIA bezahlt worden sein sollte, um damit irgendein Ziel zu verfolgen, dann kann ich euch versichern, dass das Geld in meinem Fall verschwendet wurde ..." Ich hoffe, dass dem so ist.

Auch wenn ich mit einigen Punkten nicht einverstanden bin, so glaube ich doch, dass dies legitim ist, besonders wenn man in Kuba lebt und ein junger und revolutionärer Journalist ist. Der Abend endete im Rhythmus der kubanischen Musik, denn sogar Sänger hatte die getarnte Gruppe mitgebracht.

An diesem Abend ging ich mit der Überzeugung nach Hause, dass die Debatte die neue Aufgabe ist. Wir dürfen nicht müde werden, mit den kubanischen Jugendlichen zu sprechen und zu diskutieren, insbesondere mit denen, die in Informationsberufen tätig sind. Es gilt, ihre Besorgnisse und ihre Kriterien anzuhören und Debatten zu führen, denn die Revolutionen können sich nicht den Luxus leisten, auch nur einen einzigen ihrer jungen Leute zu verlieren, zu viele sind bereits verloren gegangen. Es ist Zeit, sich zu versammeln und sich nicht spalten zu lassen.

Ein Kollege von der jW hat mir dazu gesagt, ich zitiere: "Ich weiß nicht, was wir hier in Deutschland diesen jungen Leuten noch beibringen können, was sie nicht sowieso schon wissen."

Die gleiche Frage würde ich gerne an die Organisatoren des Workshops richten.

Erstmals erschienen in La Pupila Insomne, 12. 7. 2017–08-08
El Gobierno alemán y el Parlamento Europeo, ¿A qué se debe tanta exclusividad para con Cuba?

CUBA LIBRE Justo Cruz
Übersetzung: Klaus Lehmann

CUBA LIBRE 4-2017