Fahrt ins Ungewisse

Kubanische Migranten in Mittelamerika dürfen Reise in Richtung USA fortsetzen. Flüchtlingsstatus haben sie nicht.

Die ersten 180 der seit Mitte November vergangenen Jahres in Mittelamerika gestrandeten kubanischen Migranten haben am Dienstag ihre Reise Richtung Norden fortgesetzt. Kurz vor 23 Uhr (Ortszeit) starteten sie mit einer Chartermaschine der kolumbianischen Fluggesellschaft Avianca vom costaricanischen Flughafen Liberia und landeten eine Stunde später in El Salvadors Hauptstadt San Salvador. In einer mehr als 20stündigen Bustour sollte es weiter gehen, quer durch Guatemala bis zur rund 500 Kilometer entfernten mexikanischen Grenze. Dort gibt die Regierung ihnen 20 Tage Zeit, um ihr Wunschziel, die USA, zu erreichen.

Wie die Internationale Organisation für Migration (IOM) mitteilte, wurden für die erste Gruppe im Rahmen des »Pilotplanes« zur Lösung der Migrationskrise nur solche Personen zugelassen, die 555 Dollar (rund 510 Euro) für den ersten Abschnitt des mit Hilfe der IOM organisierten Transports zahlen konnten. In Mexiko müssten sie sich dann auf eigene Kosten bis zur US-Grenze durchschlagen. In einer am Dienstag verbreiteten Erklärung betonte die mit der UNO zusammenarbeitende Hilfsorganisation, dass es sich bei den insgesamt knapp 8.000 Kubanern um »freiwillige Auswanderer aus wirtschaftlichen Gründen« handele, die sich legal in Costa Rica aufhielten. Der Flüchtlingsstatus mit entsprechenden Leistungen steht ihnen danach nicht zu. Den noch in Costa Rica verbleibenden Kubanern gegenüber stellte Präsident Luis Guillermo Solís klar, dass das Land nicht in der Lage und nicht bereit sei, sich an ihren Reisekosten zu beteiligen. Er habe deshalb den Botschafter in den USA gebeten, in der exilkubanischen Gemeinde Miamis um Unterstützung zu bitten. Wie das costaricanische Boulevardblatt Diario Extra am Dienstag berichtete, verdingen sich mittlerweile viele der Gestrandeten als Lastenträger und Haushaltshilfen, reinigen Gärten und Parks oder bieten Fuß- und Nagelpflegedienste an. Laut IOM-Mitteilung wollen Regierungsvertreter aus Costa Rica, El Salvador, Guatemala und Mexiko am kommenden Montag damit beginnen, die Erfahrungen des ersten Transports auszuwerten und mit der Erarbeitung eines endgültigen Programms zu beginnen, dessen Ziel es sei, die Weiterreise aller noch in Costa Rica verbliebenen Kubaner zu organisieren.

In den letzten Monaten hatten Tausende Inselbewohner ihr Land verlassen, weil sie befürchten, dass die USA die für sie vorteilhaften Einwanderungsgesetze ändern. Nach dem im November 1966 verabschiedeten »Cuban Adjustment Act« (CAA) erhalten kubanische Einwanderer, die auf dem Landweg in die USA kommen, automatisch ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht und zahlreiche weitere Privilegien. Das in der Welt einzigartige Spezialgesetz, mit dem ein Massenexodus provoziert und das Land personell ausgeblutet werden sollte, gilt nur für Kubaner. In Mittelamerika wird Washington deshalb als Verursacher für die akute Migrationskrise verantwortlich gemacht. Das Verhalten der US-Regierung sorgt zudem für Unverständnis und Empörung. In Briefen an Diario Extra wiesen Leser am Dienstag zum Beispiel darauf hin, dass zahlreiche Flüge von Costa Rica nach Miami oder in andere US-Städte für rund 200 Euro angeboten werden. »Warum erlauben die USA nicht den direkten Transport, obwohl das für die Migranten bequemer, ungefährlicher und günstiger wäre?« fragte etwa Mariangel Rodriguez Alvarez. Doch trotz zunehmender Probleme, die der CAA den Ländern der Region wie den geköderten Migranten bereitet, hat Washington sich bisher nicht an den Bemühungen um eine Lösung beteiligt. Die seit knapp zehn Wochen festsitzenden Kubaner verlieren dadurch nicht nur viel Geld, auch ihre Gesundheit ist gefährdet. Vor einer Woche verstarb der 53jährige Rubén Ramos Casas in einem Krankenhaus der panamaischen Provinzstadt San José de David an der Schweinegrippe. Neben über 7.000 Auswanderern in Costa Rica warten in Panama weitere 1.000 auf eine Möglichkeit zur Weiterreise.

Für ihren Traum vom »American Way of Life« haben sie Hab und Gut in Kuba verkauft und sind in eine ungewisse Zukunft aufgebrochen. Es sei »nicht klar, wie die Migranten in den USA aufgenommen werden«, schrieb die in Miami erscheinende Tageszeitung Nuevo Herald am Dienstag. Regionalpolitiker in Florida streiten schon jetzt, rund eine Woche bevor mit der Ankunft der ersten Gruppe zu rechnen ist, wegen der zu erwartenden Kosten. Der CAA, kritisierte die New York Times bereits im Dezember vergangenen Jahres vorausschauend, offenbare »die Absurdität« der US-amerikanischen Politik. Die beste Lösung sei es, ihn abzuschaffen, empfahlen die Herausgeber.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

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Volker Hermsdorf
Junge Welt, 14.01.2016