Liebesentzug für Terroristen

USA: Jahrzehntelang protegierter antikubanischer Contra widersetzt sich sich Anweisungen.

Washington lässt sich vor aller Welt von einem militanten Exilkubaner auf der Nase herumtanzen. Der in Kuba als Terrorist gesuchte und in den USA einschlägig vorbestrafte Contra-Aktivist Ramón Saúl Sánchez Rizo will am 1. Mai mit einer Bootsflottille von den Florida Keys aus Kurs auf die Karibikinsel nehmen. Damit setzt er sich über eine Anweisung der US-Einwanderungsbehörde hinweg, die ihn am 14. April aufgefordert hatte, das Land »so schnell wie möglich« zu verlassen. Nach seiner Aktion vor Kubas Küste werde er wieder in die USA zurückkehren, kündigte Sánchez letzte Woche vor der Presse in Miami an. Seine Anwälte kündigten an, bis zum Stichtag am 7. Mai gegen die Entscheidung Widerspruch einzulegen.

Ursprünglich hatte Sánchez mit der von ihm geleiteten exilkubanische Organisation Movimiento Democracia am 1. Mai dagegen protestieren wollen, dass die US-amerikanisch Kreuzfahrtreederei Carnival von diesem Tag an zwar wieder kubanische Häfen ansteuern will, zunächst jedoch keine Buchungen von Kubanern akzeptiert hatte. Grund dafür waren gesetzliche Restriktionen auf kubanischer Seite. Mittlerweile erklärten die Behörden in Havanna jedoch, die noch aus den 1990er Jahren stammenden Einschränkungen am heutigen Dienstag streichen zu wollen. Nun begründete Sánchez die geplante Provokation am 1. Mai damit, er wolle »der Regierung von Raúl Castro eine Botschaft« übermitteln. Worin die bestehen soll, verriet er nicht. Damit dürfte auch sein dritter Provokationsversuch innerhalb von fünf Wochen zum Scheitern verurteilt sein. Im März hatte Sánchez bereits mit einer Flottille gegen Obamas Besuch in Kuba protestieren wollen, war jedoch an einem Auslaufverbot der US-Behörden gescheitert. Anfang letzter Woche hatte er ebenso gegen den VII. Parteitag der Kommunistischen Partei Kubas (PCC) demonstrieren wollen, erhielt kurz vorher aber den Ausweisungsbescheid (jw berichtete). Sánchez behauptet zwar, trotzdem gut 20 Meilen vor Kubas Küste Leuchtraketen abgefeuert zu haben, doch nicht einmal die rechtskonservativen Medien haben über diese angebliche Aktion berichtet.

Am Sonntag will der auf solche Einsätze spezialisierte Sánchez es nun erneut versuchen. Das ist nicht ohne Risiko, denn nach Mitteilung der US-Behörde hält er sich derzeit »illegal« im Land auf. Verlässt er die US-Gewässer, könnte ihm die Wiedereinreise verweigert werden. Das wäre ein klares Signal Washingtons, denn zuvor war Sánchez bei 17 ähnlichen Aktionen in kubanische Hoheitsgewässer eingedrungen und dabei von den US-Behörden unterstützt worden. In Miami wird daher bezweifelt, dass die US-Küstenwache sich jetzt – mitten im Wahlkampf – tatsächlich mit den mächtigen Contras anlegen wird.

In Havanna wird das Treiben diese Organisation unterdessen tatsächlich als Belastung für die bilateralen Beziehungen gesehen. Die enge Verbindung des Movimiento Democracia zu Topterroristen ist durch Berichte des dort eingeschleusten Aufkläreres René González belegt. Und Sánchez, der sich selbst gern als »Pazifist« bezeichnet, ist alles andere als da. Anfang der 1970er Jahre hatte er sich bereits der paramilitärischen Gruppe »alpha 66« angeschlossen, die bewaffnete Banditen in den kubanischen Escambray-Bergen unterstützte und Anschläge verübte. Später wurde er unter anderem Vizechef der vom FBI als »terroristisch« eingestuften Gruppe CORU (Coordinadora de Organizaciones Revolucionarias Unidas), die auch für das Bombenattentat auf ein kubanisches Verkehrsflugzeug vor Barbados 1976 verantwortlich ist. 1984 wurde er wegen Mitgliedschaft in der Terrorgruppe »Omega 7« zu einer viereinhalbjährigen Gefängnisstrafe verurteilt, von US-Präsident Ronald Reagan jedoch vor Verbüßung seiner Strafe begnadigt.

Trotz oder wegen seine Vorstrafen und kriminellen Biografie stieg Sánchez, der in 49 Jahren seinen Aufenthaltsstatus in den USA nicht legalisierte, zu einem wichtigen Repräsentanten der Contra-Gruppen in Miami auf. Dabei verfolgte er nicht nur politische Ziele. Der kanadische Autor Stephen Kimber berichtet in seinem Buch »What lies Across the Water« (Diesseits und jenseits der Straße von Florida), dass »Ramoncito«, wie er früher in der Szene genannt wurde, schon früh »«das Spendenpotential von Provokationen gegen die kubanische Regierung entdeckt hatte. Wie den meisten Contras geht es auch ihm vor allem um Geld.


Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

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Volker Hermsdorf
Junge Welt, 26.04.2016