Trauer und Hasspropaganda

Wie der Tod von Fidel Castro in Osteuropa aufgenommen wurde. Vor allem seine Verdienste für das kubanische Volk werden hervorgehoben.

Der Tod von Fidel Castro hat in Osteuropa gemischte Reaktionen hervorgerufen. In Russland wurde sein Erbe auf breiter Basis gewürdigt, in den osteuropäischen NATO-Staaten waren die offiziellen Kommentare zurückhaltend – vielleicht dem Grundsatz folgend, über Tote Gutes zu sagen oder zu schweigen. Die dortige Presse kolportierte die auch in Westeuropa verkündeten Phrasen über den »Abgang einer Ikone«, die Castros Lebensleistung als Ergebnis seines persönlichen Charismas darstellen – verbunden mit der Hoffnung, dass es ohne dieses Charisma mit dem kubanischen Sozialismus bald zu Ende sein werde. »Ein Staat, der seine eigenen Bürger und die Touristen ausplündert, muss früher oder später zugrunde gehen«, kommentierte die konservative polnische Zeitung Rzeczpospolita, als lebten nicht alle Staaten von Steuereinnahmen und kassierten Reisende ab. Die liberale Gazeta Wyborcza tönte von einem Regime, das den Kubanern »ihre Freiheit geraubt« habe, das liberale slowakische Blatt Sme behauptete, über das Erbe Castros lasse sich überhaupt nichts Positives sagen.

Das sah immerhin der slowakische Ministerpräsident Robert Fico anders. Er erklärte, Castros Kuba habe nie jemanden bedroht, sondern immer nur danach gestrebt, selbstbestimmt zu leben. Immerhin zollte der Amerikakorrespondent der Rzeczpospolita Castro unwillig Tribut: So sei »trotz der Diktatur« die Säuglingssterblichkeit in Kuba bis heute niedriger als in Polen, und das Bildungs- und Gesundheitswesen des Landes seien beispielhaft für ganz Lateinamerika. Außerdem sei seine ungebrochene Popularität in Lateinamerika unbestreitbar, »trotz« seiner Vergehen gegen die »Freiheit Kubas«. Generell waren die Kommentare polnischer Internetuser unter den Nachrufen der offiziellen Presse weit positiver als diese selbst. Castro habe die Kubaner den aufrechten Gang gelehrt, schrieb einer; andere bekannten sich gar zum Sozialismus, was im offiziellen politischen Leben Polens praktisch nicht vorkommt.

In Russland waren die Nachrufe überwiegend freundlich. Castro wurde allgemein als Freund des Landes gewürdigt. Außenminister Sergej Lawrow erklärte, der kubanische Revolutionsführer habe viel »für die Durchsetzung der Sittlichkeit in den internationalen Beziehungen« geleistet. Der letzte sowjetische Generalsekretär Michail Gorbatschow behauptete, er und Castro seien in jahrelanger Zusammenarbeit »enge Freunde« geworden und bis zu Castros Lebensende geblieben. Besonders glaubhaft ist das nicht. Die von der Gorbatschow-Stiftung mitfinanzierte Nowaja Gazeta bezeichnete Castros Kuba als »Gulag light«. Ohne die Revolution würde Kuba heute florieren wie das US-amerikanische Glücksspielparadies Las Vegas, glaubt die liberale Edelfeder Julija Latynina zu wissen.

Diskret übergangen wurde in den russischen Würdigungen die Tatsache, dass es die späte Sowjetunion und das Russland Boris Jelzins waren, die Kuba durch die Streichung der Wirtschaftshilfe in die schwerste Krise seiner nachrevolutionären Geschichte gestürzt hatten. Jetzt wurde Castros politische Leistung eher umgekehrt als maßstabsetzend für Russland gelobt. In diesem Sinne äußerte Leonid Sluzki, Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses der Staatsduma und Mitglied der Schirinowski-Partei, Castro habe es verstanden, sein Land in Zeiten größter politischer Bedrohungen unabhängig zu halten, und er habe die Kubaner gelehrt, vor allem auf die eigenen Kräfte zu setzen.

Gennadi Sjuganow, Chef der russischen Kommunisten, rühmte Castro als »politischen Titan« und »einen der größten politischen Führer des 20. Jahrhunderts«, der »alles für das einfache Volk getan« habe. Das mit den Aufständischen im Donbass verbundene panslawistische Internetportal Zargrad behauptete, Castro sei nie im Leben Kommunist gewesen, sondern stets ein linker Patriot. Das Portal benutzte sogar die Formulierung »National-Sozialist«, die im Russischen freilich kaum mit dem deutschen Faschismus assoziiert wird. Der Moskauer Patriarch Kirill dankte Castro für die Vermittlung seines historischen Treffens mit Papst Franziskus auf Kuba im Februar dieses Jahres. Russland werde Castros stets »mit Hochachtung und Dankbarkeit« gedenken.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

junge Welt


Dieser Artikel wurde ermöglicht
durch die Abonnnentinen und Abonennenten
der jungen Welt
Dein Abo fehlt

Reinhard Lauterbach, Poznan
Junge Welt, 30.11.2016