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Die Geschichte wird mich freisprechen!

Meine Herren Richter:

Moncada Kaserne 1953

Moncada Kaserne 1953

Kampf um die Moncada Kaserne, 26. Juli 1953

Kampf um die Moncada Kaserne, 26. Juli 1953

Nie hat ein Verteidiger sein Amt unter derart schwierigen Bedingungen ausüben müssen: niemals hat ein Angeklagter sich einer solchen Menge quälender Ordnungswidrigkeiten ausgesetzt gesehen. Der eine und der andere sind in diesem Fall dieselbe Person. Als Anwalt hat diese Person nicht einmal die Prozeßakten einsehen dürfen, als Angeklagter war sie bis zum heutigen Datum unter Umgehung aller Gebote der Rechtsordnung und der Humanität 76 Tage in einer Einzelzelle ohne jegliche Verbindung zur Außenwelt eingesperrt. (...) Im Laufe der Verhandlungen ist es zu einem Rollentausch gekommen: die Ankläger wurden zu Angeklagten, und die Angeklagten zu Klägern. Nicht die Revolutionäre wurden verurteilt, sondern es wurde das endgültige Urteil über einen gewissen Herrn Batista gesprochen... Monstrum horrendum...! Es ist nicht entscheidend, daß hier einige mutige und aufrechte junge Leute verurteilt worden sind; entscheidend ist, daß das Volk ohnehin schon morgen den Diktator und seine grausamen Schergen verurteilen wird. Auf die Isla de Pinos hat man sie geschickt, wo der Schrei so vieler Ermordeter noch nachhallt; dort müssen sie in bitterer Gefangenschaft für ihre Liebe zur Freiheit büßen, abgetrennt von der Gesellschaft, ihren Familien entrissen und fern ihrer Heimat. Meinen Sie nicht, daß es unter solchen Umständen für mich als Anwalt undankbar und schwierig ist, meinen Auftrag zu erfüllen?

Als Ergebnis so vieler trüber und illegaler Machenschaften stehe ich nach dem Willen der Herrschenden und durch die Schwäche derer, die Recht sprechen, in diesem Zimmerchen des Bürgerspitals, um heimlich abgeurteilt zu werden, so daß niemand mich hören kann, meine Stimme erstickt wird und niemand etwas von den Dingen erfährt, die ich sagen werde. Wozu ist eigentlich unser ehrfurchtgebietender Justizpalast da, wo es die Herren Geschworenen ohne Zweifel viel bequemer hätten? Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß es nicht sehr geschickt ist, von einem Krankenhauszimmer aus Recht zu sprechen, umgeben von Wachen mit gezogenem Bajonett, denn unsere Bevölkerung könnte daraus schließen, daß die Justiz selber krank und gefangen ist. Ich erinnere Sie daran, daß Ihre Prozeßordnung vorschreibt, die Verhandlung habe »mündlich und öffentlich« zu sein; man hat dem Publikum jedoch den Zutritt zu dieser Sitzung vollkommen verwehrt. Nur zwei Rechtsgelehrte und sechs Journalisten, denen die Zensur nicht ein Wort zur Veröffentlichung in ihren Zeitschriften freigeben wird, wurden zugelassen. Mein einziges Publikum sind, wie ich sehe, etwa hundert Soldaten und Offiziere im Saal und in den Gängen. Dank für die ernsthafte und liebenswürdige Aufmerksamkeit, die sie mir geschenkt haben! Hätte ich doch das ganze Heer vor mir! Ich weiß, daß es eines Tages brennend wünschen wird, den schrecklichen Fleck der Schande und des Blutes abzuwaschen, mit dem der Ehrgeiz einer kleinen gewissenlosen Gruppe ihre Uniform beschmutzt hat. Dann wehe denen, die heute bequem in ihren noblen Waffenröcken daherreiten, wenn das Volk sie nicht schon lange vorher von den Pferden geholt hat! Als letztes muß ich noch sagen, daß mir in meine Zelle nicht eine einzige juristische Abhandlung zum Strafrecht gebracht werden durfte. Ich verfüge nur über dieses winzige Strafgesetzbuch, das mir eben ein Anwalt geliehen hat, der mutige Verteidiger meiner Gefährten: Doktor Baudilio Castellanos. Ebenfalls wurde verboten, daß die Werke Martís in meine Hände gelangten; die Gefängniszensur hat sie wohl für zu umstürzlerisch gehalten. Oder war sie dagegen, weil ich gesagt habe, Marti sei der geistige Vater des 26. Juli? Außerdem verhinderte man, daß irgendein Nachschlagewerk über andere Materien in diesem Prozeß verwendet werden konnte.

Das ist absolut unwichtig! Ich trage die Lehren des Meisters im Herzen, und im Kopf die edlen Gedanken aller Menschen, die die Freiheit der Völker verteidigt haben. Nur um eins bitte ich das Gericht, und ich hoffe, daß es mir gestattet wird als Ausgleich für die vielen Ordnungswidrigkeiten und Verstöße, die ich als Angeklagter ohne jeden Rechtsschutz habe erdulden müssen: daß mein Recht, mich völlig frei ausdrücken zu dürfen, respektiert wird. Sonst kann nicht einmal der Schein der Gerechtigkeit aufrechterhalten werden, und die letzte Stufe der Schande und der Feigheit wäre erreicht. Ich gestehe, daß mich eines enttäuscht hat. Ich habe gedacht, der Herr Staatsanwalt käme mit einer schrecklichen Anklage, um hinreichend darzutun, unter welchen Vorwänden und aus welchen Gründen man mich im Namen des Gesetzes und der Gerechtigkeit - aber welches Gesetzes und welcher Gerechtigkeit? - zu 26 Jahren Gefängnis verurteilen müsse. Aber nein. Er hat sich darauf beschränkt, den Paragraphen 148 des Gesetzes zum Schutz der Gesellschaft zu verlesen, nach dem er, unter Berücksichtigung erschwerender Umstände, für mich die beachtliche Menge von 26 Jahren Gefängnis beantragt. Zwei Minuten erscheinen mir sehr wenig, um zu verlangen und zu begründen, daß ein Mann mehr als ein Vierteljahrhundert im Dunkel verbringen soll. Ist der Herr Staatsanwalt vielleicht verärgert über das Gericht? Denn, soweit ich das beobachte, ist sein Lakonismus in diesem Fall ein Schlag ins Gesicht der Feierlichkeit, mit der die Herren Richter nicht ohne Stolz erklärten, dies sei ein Prozeß von höchster Wichtigkeit, und dabei habe ich die Herren Staatsanwälte zehnmal länger über einen einfachen Fall von Rauschgifthandel reden hören, um zu beantragen, daß ein Bürger zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt werden sollte. Der Herr Staatsanwalt hat nicht ein einziges Wort gesagt, um seinen Antrag zu stützen. Ich will nicht ungerecht sein; ich sehe ein, daß es für einen Staatsanwalt, der der Verfassung der Republik Treue geschworen hat, schwierig ist, hierherzukommen im Namen einer verfassungswidrigen, nur de facto und durch Dekret vorhandenen Regierung ohne jede legale und moralische Basis, und zu verlangen, daß ein junger Cubaner, Anwalt wie er selbst und vielleicht ebenso... anständig wie er selbst, für 26 Jahre ins Gefängnis geschickt werde. Aber der Herr Staatsanwalt ist ein talentierter Mann, und ich habe weniger talentierte Männer lange Sammelbände schreiben sehen, die diese Situation rechtfertigen könnten. Wie soll man also glauben, daß ihm die Gründe fehlen, um seinen Antrag zu verteidigen, und wenn es auch nur eine Viertelstunde lang wäre, soviel Widerwillen das auch jedem anständigen Menschen einflößen mag? Es steht außer Zweifel, daß hinter alledem eine große Verschwörung steckt.

Meine Herren Richter: weshalb dieses Interesse daran, daß ich schweige? Weshalb verzichtet man sogar auf jede Art von Begründungen, um mir kein Ziel zu liefern, auf das ich die Angriffe meiner Argumente richten könnte? Gibt es vielleicht überhaupt keine juristische, moralische und politische Basis für eine ernsthafte Diskussion? Fürchtet man die Wahrheit so sehr? Möchte man, daß auch ich nur zwei Minuten 3 rede und also hier die Punkte nicht berühre, die gewissen Leuten seit dem 26. Juli den Schlaf rauben? Indem man den Antrag der Staatsanwaltschaft auf die einfache Verlesung von fünf Zeilen aus dem Gesetz zum Schütze der Gesellschaft beschränkt, könnte man vielleicht erwarten, daß auch ich mich darauf beschränke und um diese fünf Zeilen Kreise und mehr Kreise drehe wie ein Sklave um einen Mühlstein. Aber ich werde diese Knebelung auf keinen Fall akzeptieren, denn in diesem Prozeß geht es um mehr als nur um die Freiheit eines Individuums: hier wird um fundamentale Fragen gestritten, es wird über das Recht des Menschen, frei zu sein, zu Gericht gesessen, wir kämpfen um die Grundlagen unserer Existenz als freie und demokratische Nation. Wenn ich schließe, möchte ich mir nicht vorwerfen müssen, ein Prinzip nicht verteidigt, eine Wahrheit nicht ausgesprochen, ein Verbrechen nicht angeklagt zu haben. Der prachtvolle Paragraph des Herrn Staatsanwaltes verdient keine Minute der Erwiderung. Ich werde mich für den Augenblick darauf beschränken, ein kurzes juristisches Scharmützel gegen ihn zu führen, denn ich möchte das Feld frei von Kleinigkeiten haben, wenn ich zum großen Angriff gegen die ganze Lüge, Falschheit, Heuchelei, gegen den Konformismus und die moralische Feigheit antrete, die einzigen Grundlagen jener plumpen Komödie, die sich seit dem 10. März und schon vorher in Cuba Gerechtigkeit nennt. Es ist ein elementarer Grundsatz des Strafrechtes, daß die strafbare Tat genau mit dem Delikt zusammenfallen muß, das das Gesetz verdammt. Gibt es kein Gesetz, das genau auf den Streitpunkt zutrifft, so gibt es kein Delikt.

Ankunft von Fidel Castro, Eduardo Montano, Rafael Morales, Juan Almeida, Armando Mestre im Gefängnis von Santiago

Ankunft von Fidel Castro, Eduardo Montano, Rafael Morales, Juan Almeida, Armando Mestre im Gefängnis von Santiago

Fidel Castro nach seiner Verhaftung 1953

Fidel Castro nach seiner Verhaftung 1953

Fidel Castro (rechts außen) und Mitkämfper nach ihrer Verhaftung 1953

Fidel Castro (rechts außen) und Mitkämfper nach ihrer Verhaftung 1953

Der Paragraph, um den es sich hier handelt, sagt wörtlich: »Mit Freiheitsentzug von drei bis zehn Jahren wird bestraft, wer einen bewaffneten Aufstand gegen die verfassungsmäßigen Staatsgewalten veranlaßt. Kommt der Aufstand zur Ausführung, so wird eine Freiheitsstrafe von fünf bis zwanzig Jahren ausgesprochen.« In was für einem Land lebt der Herr Staatsanwalt? Wer hat ihm gesagt, daß wir einen Aufstand gegen die verfassungsmäßige Staatsgewalt verursacht haben? Zwei Dinge springen ins Auge, Zunächst einmal ist die Diktatur, die die Nation unterdrückt, keine verfassungsmäßige, sondern eine verfassungswidrige Macht; sie wurde gegen die Verfassung, über die Verfassung hinweg eingeführt, sie ist eine Vergewaltigung der legitimen Verfassung der Republik. Eine legitime Verfassung ist die, die direkt vom souveränen Volk ausgeht. Auf diesen Punkt werde ich später ausführlich eingehen, weil ich den Heucheleien, die die Feiglinge und Verräter erfunden haben, um etwas, das ich nicht rechtfertigen läßt, zu rechtfertigen, die Stirn bieten will. Zweitens spricht der Paragraph von Gewalten, also im Plural, nicht im Singular, denn er meint eine Republik, die durch Legislative, Exekutive und Rechtsprechung, die sich gegenseitig im Gleichgewicht halten, regiert wird. Wir haben zur Rebellion gegen eine einzige illegitime Gewalt aufgerufen, die Legislative und Exekutive der Nation usurpiert und zusammengezogen und eben das System zerstört hat, das der Paragraph, den wir hier analysieren, schützen sollte. Was die Unabhängigkeit der Rechtsprechung angeht, so mag ich nach dem 10. März nicht einmal mehr davon reden, denn ich bin nicht zum Scherzen aufgelegt. Soviel man auch zerren, zusammenziehen oder verbessern mag, nicht ein einziges Komma des Paragraphen 148 ist auf die Ereignisse vom 26. Juli anzuwenden. Lassen wir ihn auf sich beruhen und hoffen wir, daß er eines Tages auf die angewendet werden kann, die ihrerseits wirklich einen Aufstand gegen die verfassungsmäßigen Gewalten des Staates verursacht haben.

Es ist mit großem Nachdruck von der Regierung immer wieder betont worden, daß das Volk unserer Bewegung nicht geholfen hat. Ich habe niemals eine so naive und zugleich so böswillige Behauptung gehört. Sie wollen damit die Unterwürfigkeit und Feigheit des Volkes herausstellen; es fehlt nicht viel, und sie sagen noch, das Volk stütze die Diktatur, und haben dabei keine Ahnung, wie sehr sie die mutigen Leute aus der Provinz Oriente beleidigen. Santiago de Cuba glaubte, es handelte sich um einen Kampf unter Soldaten und erfuhr erst Stunden später, was wirklich vorging.

Wer zweifelt am Mut, am Bürgersinn und am grenzenlosen Zorn des rebellischen und patriotischen Volkes von Santiago de Cuba? Wäre das Moncada-Quartier in unsere Hände gefallen, dann hätten sogar die Frauen zu den Waffen gegriffen! (...) Wäre erst einmal ganz Santiago de Cuba in unserer Macht gewesen, dann hätten wir sofort die ganze Provinz Oriente in den Kriegszustand versetzt. Bayamo wurde nämlich angegriffen, weil wir unsere Vorhut am Cauto-Fluß festsetzen wollten. Man vergesse nie, daß diese Provinz, die heute anderthalb Millionen Einwohner hat, zweifellos die streitbarste und patriotischste von Cuba ist; sie war es, die die Fackel des Unabhängigkeitskampfes dreißig Jahre lang in Brand hielt und den größten Tribut an Blut, Opfern und Heldentum zahlte. In der Provinz Oriente atmet man noch die Luft des ruhmreichen Heldenliedes der Befreiung, und morgens, wenn die Hähne wie Hörner klingen, die zum Wecken blasen, dann könnte jeder Tag noch einmal der von Yara oder Baire sein.

Der zweite Grund, der uns auf die Möglichkeit eines Erfolges hoffen ließ, war sozialer Art, denn wir waren sicher, daß wir auf das Volk rechnen konnten. Wenn wir Volk sagen, meinen wir nicht die etablierten und konservativen Schichten der Nation, denen jede Art von Unterdrückung, jede Diktatur, jeder Despotismus gerade recht kommt und die sich vor dem jeweiligen Herrn verneigen, bis sie sich die Stirn am Boden aufschlagen. Wir verstehen, wenn wir vom Kämpfen reden, unter Volk die große unerlöste Masse, der alle Versprechungen machen und die von allen betrogen und verraten wird, die ein besseres und würdigeres und gerechteres Vaterland ersehnt; die von einem uralten Verlangen nach Gerechtigkeit bewegt wird, weil sie Generation um Generation Ungerechtigkeit und Spott ertragen mußte, die sich große und weise Veränderungen auf allen Gebieten wünscht und die, wenn sie an etwas oder an jemanden, vor allem aber genügend an sich selber glaubt, bereit ist, selbst den letzten Blutstropfen dafür herzugeben. Die erste Bedingung für die Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit einer Absicht ist eben die, die niemand erfüllt, nämlich mit vollkommener Klarheit und ohne Furcht zu sprechen. Die Demagogen und die professionellen Politiker bringen das Wunder fertig, überall und mit jedem gut zu stehen, und täuschen daher notwendigerweise alle über alles. Die Revolutionäre dagegen müssen ihre Ideen mutig vortragen, ihre Grundsätze definieren und ihre Absichten klar ausdrücken, damit sich niemand täuscht, weder Freunde noch Feinde.

Wir nennen, wenn es ums Kämpfen geht, die sechshunderttausend Kubaner Volk, die arbeitslos sind und sich ihr Brot auf ehrliche Weise verdienen wollen, ohne auswandern zu müssen; wir nennen Volk die fünfhunderttausend Landarbeiter, die in ihren elenden Bohíos leben, die vier Monate im Jahr arbeiten und für den Rest des Jahres ihr Elend mit ihren Kindern teilen, die nicht eine Handvoll Erde besitzen und die viel mehr Mitleid hervorrufen würden, wenn es nicht so viele steinerne Herzen gäbe; die vierhunderttausend Industriearbeiter und Lastträger, deren Alterspensionen unterschlagen werden, denen man ihre Errungenschaften nimmt, deren Behausungen die höllengleichen Zimmer der Arbeiterquartiere sind, deren Gehalt von den Händen des Chefs in die des Wucherers übergeht, deren Zukunft Lohnkürzung und Entlassung, deren Leben unaufhörliche Arbeit und deren einzige Erholung das Grab ist; die hunderttausend Kleinbauern, die auf einer Erde leben und sterben, die nicht ihnen gehört und die sie traurig betrachten wie Moses das gelobte Land, um dann zu sterben, ohne daß es ihnen gelungen wäre, sie zu erwerben, die als Feudalsklaven einen Teil ihrer Erzeugnisse für ihre Parzellen bezahlen müssen, die ihr Stück Land nicht lieben, nicht verbessern, nicht verschönern, die keine Zeder und keinen Orangenbaum pflanzen können, denn sie wissen nicht, ob nicht eines Tages ein Gerichtsdiener mit der Landpolizei kommt, um ihnen zu sagen, daß sie fortgehen müssen; die dreißigtausend Lehrer und Professoren, die sich selbstlos für das bessere Schicksal der zukünftigen Generationen aufopfern, für das sie so unentbehrlich sind, und die so schlecht behandelt und bezahlt werden; die zwanzigtausend kleinen Händler, die mit Schulden überhäuft sind, von der Krise ruiniert und von einer Meute von freibeuterischen und käuflichen Funktionären vollends umgebracht werden; die zehntausend jungen Leute: Ärzte, Ingenieure, Anwälte, Tierärzte, Pädagogen, Zahnärzte, Apotheker, Journalisten, Maler, Bildhauer und so weiter, die mit ihren Abschlußexamen aus den Hörsälen entlassen werden und voller Kampfeslust und Hoffnung sind und sich dann in einer Sackgasse wiederfinden, wo alle Türen verschlossen und alle Ohren für Klagen und Bitten taub sind. Das ist das Volk - das Volk, das alles Unglück erleidet und daher fähig ist, mit seiner ganzen Wut zu kämpfen! Diesem Volk, dessen angstvolle Wege mit Täuschungen und falschen Versprechen gepflastert sind, wollten wir nicht sagen: »Wir schenken dir etwas«, sondern: »Da hast du die Möglichkeit, jetzt kämpfe mit all deiner Kraft, damit die Freiheit und das Glück dein sei!«

In der Voruntersuchung dieses Prozesses müssen die fünf Gesetze der Revolution zu lesen sein, die unmittelbar nach der Einnahme der Moncada-Kaserne proklamiert und über den Rundfunk verbreitet worden wären. Es ist möglich, daß der Hauptmann Chaviano diese Dokumente absichtlich zerstört hat, aber mögen sie auch vernichtet sein, ich habe sie in meinem Gedächtnis aufbewahrt.

Das erste Gesetz gab dem Volk seine Souveränität zurück und proklamierte die Verfassung von 1940 als das wahre höchste Gesetz des Staates, bis das Volk beschließen würde, es zu modifizieren oder auszuwechseln; und zum Zwecke seiner Einführung und der exemplarischen Bestrafung aller, die es verraten haben, übernahm die revolutionäre Bewegung, da es keine vom Volk gewählten Organe gab, als zeitweilige Verkörperung dieser Souveränität, der einzigen Quelle legitimer Macht, alle Gewalten, die die Verfassung beinhaltet, außer der, die Verfassung selbst zu ändern: die Legislative, die Exekutive und die Rechtsprechung. Diese Handlungsweise hätte nicht lauterer und freier von sterilem Scharlatanentum sein können: eine Regierung, die die Zustimmung der kämpfenden Masse hatte, wäre mit den nötigen Kompetenzen ausgestattet worden, um den Volkswillen und die wahre Gerechtigkeit wieder an ihren Platz zu setzen. Von diesem Augenblick an wäre die Rechtsprechung, die sich seit dem 10. März gegen die Verfassung und außerhalb der Verfassung gestellt hat, unverzüglich und restlos gereinigt worden, bevor sie wieder die Funktionen übernommen hätte, die das Grundgesetz der Republik ihr zuschreibt. Ohne diese Maßnahmen wäre die Rückkehr zur Legalität ein Schwindel, eine Heuchelei und ein Verrat mehr gewesen; man hätte damit ihren Schutz in die Hände derer gelegt, die sehr unrühmliche Kompromisse eingegangen waren. Das zweite Revolutionsgesetz übertrug allen Pachtbauern, Pächtern und Squattern, die Parzellen von 65 Hektar und weniger bewirtschafteten, ihr Land als unpfändbares und unübertragbares Eigentum und sah eine Entschädigung der bisherigen Besitzer durch den Staat unter Zugrundelegung der Zehnjahres-Durchschnittspacht vor.

Das dritte Revolutionsgesetz übertrug den Arbeitern und Angestellten das Recht, dreißig Prozent des Einkommens aller großen Industrie-, Handels- und Bergbauunternehmen einschließlich der Zuckerraffinerien für sich zu beanspruchen. Davon ausgenommen waren rein landwirtschaftliche Unternehmen in Anbetracht besonderer Gesetze für die Landwirtschaft, die eingeführt werden sollten.

Das vierte Revolutionsgesetz übertrug den Zuckerbauern das Recht auf 55 % des Zuckerertrages bei einem Mindestanteil von neuntausend Zentnern für alle Kleinbauern, die drei oder mehr Jahre seßhaft waren.

Das fünfte Revolutionsgesetz verfügte die Beschlagnahme aller unter welcher Regierung auch immer unterschlagenen Güter und ebenso der Güter ihrer Rechtsvertreter und Erben, soweit es sich um testamentarisch vererbtes oder ohne Testament unstatthaft erworbenes Vermögen handelte, und zwar durch Sondergerichte mit dem uneingeschränkten Recht der Einsicht in alle Bücher, die der Untersuchung nützlich sein könnten, damit man auf diese Weise die Aktiengesellschaften, die im Handelsregister des Landes geführt werden oder die hier Geschäfte machen und von denen hinterzogene Gelder verborgen werden könnten, unter Kontrolle bekäme; es war vorgesehen, ausländische Regierungen um Auslieferung von Personen und Beschlagnahme von Vermögen zu ersuchen. Die Hälfte der wiedergewonnenen Gelder sollte in die Pensionskasse der Arbeiter fließen und die andere Krankenhäusern, Obdachlosenheimen und Häusern der Wohlfahrt zur Verfügung gestellt werden. Es sollte außerdem erklärt werden, daß die cubanische Politik in Amerika eine der engen Solidarität mit den demokratischen Völkern des Kontinents sein würde, und daß die politisch Verfolgten der blutigen Diktaturen, die unsere Brudernationen unterdrücken, im Vaterland Martís nicht wie heute Verfolgung, Hunger und Verrat zu erwarten hätten, sondern großzügiges Asyl, Brüderlichkeit und Brot. Cuba sollte ein Bollwerk der Freiheit und nicht ein schändliches Kettenglied des Despotismus sein. Diese Gesetze wären sofort proklamiert worden, und ihnen wären, nach Abschluß der Kämpfe und nach sorgfältigem Studium ihres Inhalts und ihrer Bedeutung eine weitere, ebenfalls fundamentale Gesetzesserie gefolgt, wie die Bodenreform, die Unterrichtsreform und die Verstaatlichung des Elektrizitätstrusts und des Telefontrusts, wobei dem Volk der ungesetzliche Überschuß der Tarife zurückerstattet worden und den Staatsfinanzen die unterschlagenen Steuern zugeflossen wären. Alle diese - und andere - Verordnungen hätten sich die strikte Erfüllung zweier wesentlicher Artikel unserer Verfassung zur Leitschnur genommen; der eine verlangt die Ächtung des Großgrundbesitzes und die Einführung eines gesetzlichen Maximums an Landbesitz, das einer Person oder Gesellschaft für eine bestimmte Art der landwirtschaftlichen Nutzung gestattet sein soll, und die Verordnung von Maßnahmen, die nach und nach das Land den Cubanern zurückgeben sollen; und andere befiehlt dem Staat kategorisch, alle Mittel, die ihm zur Verfügung stehen, einzusetzen, damit jeder, der ohne Arbeit ist, eine Anstellung findet, und jedem, der körperlich oder geistig arbeitet, eine anständige Existenz zu garantieren. Keine unserer Verordnungen kann daher als verfassungswidrig gebrandmarkt werden. Die erste vom Volk gewählte Regierung, die unmittelbar anschließend gebildet werden sollte, hätte sie respektieren müssen, nicht nur, weil sie eine moralische Verpflichtung gegenüber der Nation gehabt hätte, sondern weil es keine Macht der Welt gibt, die einem Volk, das endlich die Eroberungen macht, die es seit Generationen ersehnt, diese wieder entreißen könnte.

Das Problem des Bodens, das Problem der Industrialisierung, das Wohnungsproblem, das Problem der Arbeitslosigkeit, das Problem der Volksgesundheit: das sind die sechs konkreten Punkte, auf deren Lösung sich entschlossen alle unsere Anstrengungen gerichtet hätten, zugleich mit der Eroberung der öffentlichen Freiheit und der Demokratie.

Vielleicht hört sich diese Darstellung kalt und theoretisch an, wenn man die entsetzliche Tragödie nicht kennt, der unser Land in diesen sechs Punkten unter dem demütigendsten politischen Druck ausgeliefert ist.

85 % der kleinen cubanischen Landwirte zahlen Pacht und leben unter der beständigen Drohung, daß ihnen ihre Parzellen gekündigt werden können. Mehr als die Hälfte des besten bebauten Landes befindet sich in den Händen von Ausländern.

In unserer größten Provinz, in Oriente, reichen die Ländereien der United Fruit Company und der West Indian von der Nord- bis zur Südküste. Es gibt 200.000 Bauernfamilien, die nicht eine Elle Land besitzen, auf der sie ein bißchen Gemüse für ihre hungernden Kinder pflanzen könnten, und gleichzeitig liegen in den Händen mächtiger Interessenverbände etwa 4 Millionen Hektar fruchtbaren Landes brach. Da Cuba überwiegend ein Agrarland ist, da die Stadt vom Land abhängt, da das Land die Unabhängigkeit erkämpft hat, da die Größe und der Wohlstand unseres Landes ohne einen gesunden und starken Bauernstand, der sein Land liebt und zu bebauen versteht, und ohne einen Staat, der ihn schützt und führt, nicht zu denken ist - wie ist es möglich, daß dieser Zustand der Dinge bestehen bleibt?

Etwas Nahrungsmittel-, Holz- und Textilindustrie ausgenommen, produziert Cuba noch immer vor allem Rohmaterial. Wir exportieren Zucker und importieren Bonbons, wir exportieren Leder und importieren Schuhe, wir exportieren Eisen und importieren Pflüge... Alle Welt ist sich einig darüber, daß es dringend nötig ist, das Land zu industrialisieren, daß wir eine Metallindustrie brauchen, eine Papierindustrie, eine chemische Industrie, daß Viehzucht und Ackerbau verbessert werden müssen, ebenso Technik und Ausbau unserer Lebensmittelindustrie, damit sie der vernichtenden Konkurrenz der europäischen Käse-, Kondensmilch-, Spirituosen- und Ölindustrie sowie der nordamerikanischen Konservenfabrikation standhalten kann, daß wir Handelsschiffe brauchen, daß der Tourismus eine Quelle enormen Reichtums sein könnte; aber die Besitzer des Kapitals verlangen, daß die Arbeiter am Hungertuch nagen, der Staat legt die Hände in den Schoß, und die Industrialisierung kann warten bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag.

Ebenso ernst oder noch schlimmer ist die Wohnungstragödie. Es gibt in Cuba 200.000 Bohíos und Hütten; 400.000 Familien auf dem Lande und in der Stadt leben in den alten Sklavenbaracken, in Arbeiterquartieren und Bidonvilles ohne die elementarsten Vorbedingungen für Hygiene und Gesundheit; 2 Millionen 200 000 Bewohner unserer Städte zahlen Mieten, die ein Fünftel bis ein Drittel ihrer Einkünfte verschlingen; und 2 Millionen 800 000 Menschen auf dem Lande und in den Vorstädten haben kein elektrisches Licht. Hier geschieht das gleiche: wenn der Staat die Mieten senken will, drohen die Besitzer damit, die gesamte Bautätigkeit einzustellen; tut der Staat nichts, so bauen sie, solange sie mehr Mieten erzielen können, und danach bauen sie nicht einen Stein mehr, mag auch der Rest der Bevölkerung unter freiem Himmel leben; ähnlich macht es das Elektrizitätsmonopol, es legt Leitungen bis dahin, wo es einen befriedigenden Profit erwarten kann, und danach ist es ihm gleich, ob die Leute für den Rest ihres Lebens im Dunkeln sitzen.
Der Staat legt die Hände in den Schoß, und das Volk lebt weiter ohne Häuser und ohne Licht.

Unser Unterrichtssystem paßt wunderbar zu allem vorhergehenden: Wozu braucht man Landwirtschaftsschulen in einem Land, wo der Kleinbauer nicht Herr seiner Erde ist? Was sollen Industrie- und Technikschulen in einer Stadt, wo es keine Industrie gibt? Alles wird von der gleichen absurden Logik bestimmt: wo es das eine nicht gibt, kann es das andere auch nicht geben. In jedem beliebigen kleinen europäischen Land existieren mehr als zweihundert Fachschulen für industrielle und technische Ausbildung; in Cuba sind es nicht mehr als sechs, und die jungen Leute werden mit ihren Diplomen entlassen und finden keine Anstellung. Die kleinen öffentlichen Schulen auf dem Lande werden von weniger als der Hälfte der schulpflichtigen Kinder, die barfuß, halbnackt und unterernährt in den Unterricht kommen, besucht und oft ist es der Lehrer, der von seinem Gehalt das nötige Material besorgen muß.
Kann man so etwa eine großes Vaterland aufbauen?

Von einem so großen Elend kann einen nur der Tod befreien; und da allerdings hilft der Staat: beim Sterben. Neunzig Prozent der Landkinder werden von Parasiten aufgefressen, die aus der Erde unter die Nägel ihrer nackten Füße dringen. Die Gesellschaft erregt sich voller Mitgefühl, wenn ein Kind entführt oder ermordet wird, aber sie bleibt verbrecherisch gleichgültig angesichts des Massenmordes, der an Tausenden und Abertausenden von Kindern begangen wird, die jährlich sterben, weil kein Geld da ist. (...) Und wenn ein Familienvater vier Monate im Jahr arbeitet - wovon soll er Kleider und Medikamente für seine Kinder kaufen? Sie werden also rachitisch heranwachsen, mit dreißig Jahren haben sie keinen gesunden Zahn im Mund, sie werden zehn Millionen Reden gehört haben und schließlich elend und enttäuscht sterben. In die immer überfüllten staatlichen Krankenhäuser kommt man nur auf Empfehlung eines politischen Magnaten, der dem Unglücklichen und seiner ganzen Familie ihre Wahlstimmen abverlangt, damit es in Cuba auf ewig so oder schlimmer weitergehe.

Unter diesen Voraussetzungen wird man sich nicht wundern, daß von Mai bis Dezember eine Million Menschen arbeitslos sind und daß Cuba mit seiner Bevölkerung von fünfeinhalb Millionen Einwohnern zur Zeit mehr Arbeitslose hat als Frankreich und Italien mit je vierzig Millionen.

Wenn Sie, meine Herren Richter, einen Angeklagten wegen Diebstahls verurteilen, so fragen Sie nicht danach, wie lange er schon ohne Arbeit ist, wieviele Kinder er hat, an welchen Tagen der Woche er etwas zu essen hatte und an welchen nicht, Sie kümmern sich nicht im geringsten um die sozialen Bedingungen des Milieus, in dem er lebt; Sie schicken ihn ohne weitere Überlegungen ins Gefängnis. Nicht die Reichen kommen dahin, die Lagerhäuser und Läden anzünden, um die Versicherungsprämien zu kassieren, mögen auch ein paar Menschen dabei mitverbrennen, denn sie haben Geld im Überfluß, um Anwälte zu bezahlen und Richter zu bestechen. Sie schicken den Unglücklichen, der aus Hunger stahl, in den Kerker, aber nicht einer der Hunderte von Dieben, die dem Staat Millionen geraubt haben, hat jemals eine Nacht hinter Gittern verbracht: Zu Silvester dinieren Sie mit ihnen in irgendeinem aristokratischen Lokal, und sie genießen Ihre Hochachtung.

Wenn in Cuba ein Funktionär es über Nacht zu Geld bringt und damit in die Bruderschaft der Reichen eingeht, dann kann er mit den Worten der wohlhabenden Balzac-Gestalt Taillefer empfangen werden, der folgenden Trinkspruch auf einen jungen Mann ausbrachte, als dieser ein ungeheures Vermögen erbte: »Meine Herren, laßt uns auf die Macht des Goldes trinken! Der Herr Valentin, heute sechsfacher Millionär, hat den Thron bestiegen. Er ist König geworden, er kann alles, er steht über allem, wie alle Reichen. Von jetzt ab wird die Gleichheit vor dem Gesetz, die über der Verfassung steht, für ihn ein Mythos sein, er wird nicht den Gesetzen unterworfen sein, sondern die Gesetze werden sich ihm unterwerfen. Für den Millionär gibt es weder Richter noch Strafen.« Die Zukunft der Nation und die Lösung ihrer Probleme darf nicht mehr von den egoistischen Interessen einer Handvoll Finanzgewaltiger abhängen, nicht mehr von den kalten Gewinnkalkulationen, die zehn oder zwölf Magnaten in ihren mit Klimaanlagen versehenen Büros anstellen. Das Land darf nicht länger ein paar goldene Kälber kniefällig um Wunder anflehen, die ebenso wie das im Alten Testament, das der Zorn des Propheten vernichtete, kein einziges Wunder tun. Die Probleme der Republik lassen sich nur lösen, wenn wir darauf die gleiche Energie und Ehrlichkeit, den gleichen Patriotismus verwenden, den unsere Befreier aufgebracht haben, um die Republik zu schaffen. Und das geht nicht mit Politikern vom Schlage eines Carlos Saladrigas, dessen Politik darin besteht, alles zu lassen, wie es ist, und der sein Leben lang Dummheiten schwätzt von der »absoluten Freiheit der Unternehmer«, von den »Sicherheiten für Investitionskapital«, vom »Gesetz von Angebot und Nachfrage«. Diese Minister würden in einem Palast an den Fünften Avenue vergnüglich plaudern, bis von denen, die heute nach schnellen Lösungen verlangen, nicht einmal mehr der Staub ihrer Knochen übrig ist. Und in der heutigen Welt löst sich kein soziales Problem von selbst.

Eine von der Unterstützung des Volkes und der Achtung der Nation getragene Revolutionsregierung würde, nachdem sie die Institutionen von käuflichen und korrupten Funktionären gereinigt hätte, sofort an die Industrialisierung des Landes gehen und dazu durch die Nationalbank und die Bank zur Förderung von Industrie und Landwirtschaft das tote Kapital mobilisieren, das zur Zeit mehr als eine Milliarde und fünfhundert Millionen Pesos beträgt; sie würde die Untersuchung, Leitung, Planung und Realisierung dieser großen Aufgabe Technikern und ändern absolut sachverständigen Männern anvertrauen, die keiner Art von politischer Manipulation unterworfen sind.

Eine Revolutionsregierung würde, nachdem sie den hunderttausend kleinen Landwirten, die heute Pacht zahlen, das Eigentum an ihren Parzellen übertragen hätte, darangehen, das Problem des Bodens ein für allemal zu lösen. Sie würde erstens, wie es die Verfassung vorschreibt, ein gesetzliches Maximum an Landbesitz für jeden Typ von landwirtschaftlicher Unternehmung einführen, was darüber hinausgeht, enteignen, die Ländereien, die der Staat usurpiert hat, zurückfordern, Sümpfe und sumpfige Gebiete trockenlegen, riesige Baumschulen anlegen und Zonen für die Aufforstung reservieren; sie würde zweitens den Rest des Landes unter die Bauernfamilien unter Bevorzugung der kinderreichsten verteilen, sie würde landwirtschaftliche Genossenschaften gründen, die die gemeinsame Nutzung kostspieliger Einrichtungen und Kühlanlagen und eine einheitliche technische Leitung des Anbaus bzw. der Viehzucht ermöglichen und schließlich der Landbevölkerung Geld, Ausrüstung, Schutz und Ausbildung zukommen lassen. Eine Revolutionsregierung würde das Wohnungsproblem lösen, indem sie zunächst einmal die Mieten entschlossen um 50% senkte; Häuser, die nur von ihren Besitzern bewohnt sind, würden von allen Steuern befreit, dafür die Steuern für Miethäuser verdreifacht; die höllischen Arbeiterquartiere würden abgerissen und an ihrer Stelle moderne vielstöckige Häuser gebaut, außerdem der Wohnungsbau auf der ganzen Insel in einem nie gesehenen Ausmaß gefördert, wobei der Grundsatz wäre: Das Ideal auf dem Lande ist die eigene Parzelle für jede Familie, das Ideal in der Stadt das eigene Haus oder die eigene Wohnung für jede Familie.

Es gibt genügend Steine und genügend Arme, um für jede albanische Familie eine anständige Unterkunft zu bauen. Aber wenn wir weiter auf die Wunder der goldenen Kälber warten, werden tausend Jahre vergehen, und alles bleibt beim alten. Andererseits sind die Möglichkeiten, den elektrischen Strom bis in den letzten Winkel der Insel zu führen, heute größer denn je, denn die Nutzung der Atomenergie auf diesem Gebiet ist heute schon eine Realität, und das bedeutet eine enorme Senkung der Kosten. Mit diesen drei Reformen wird das Problem der Arbeitslosigkeit automatisch verschwinden und die Vorbeugung und Bekämpfung von Krankheiten viel leichter werden. Schließlich würde eine Revolutionsregierung eine durchgreifende Reform unseres Unterrichtssystems vornehmen, das in Übereinstimmung mit den vorhergehenden Reformen gebracht werden muß, um die Generationen, die dazu berufen sind, in einem glücklicheren Vaterland zu leben, entsprechend auszubilden. (...) Woher soll das notwendige Geld kommen? Wenn es nicht mehr unterschlagen wird, wenn es keine käuflichen Beamten mehr gibt, die sich zum Nachteil der Staatsfinanzen von den großen Unternehmen bestechen lassen, wenn die enormen Mittel der Nation wieder in Umlauf gebracht sind und keine Panzer, Bombenflugzeuge und Kanonen mehr in diesem Land ohne Grenzen gekauft werden, die nur dazu dienen, das Volk zu bekämpfen, wenn man das Volk erzieht statt es zu töten, dann wird es Geld im Überfluß geben.

Cuba könnte das Dreifache seiner jetzigen Bevölkerung wunderbar ernähren, es gibt keinen Grund dafür, daß seine Bewohner im Elend leben müssen. Die Märkte müßten von Produkten überquellen; die Speisekammern in den Häusern müßten voll sein; alle Arme könnten arbeiten und produzieren. Nein, das ist nicht unbegreiflich. Unbegreiflich ist, daß es Menschen gibt, die sich hungrig schlafen legen, solange es noch eine Handvoll unbebautes Land gibt; unbegreiflich ist, daß Kinder ohne ärztliche Hilfe sterben, daß dreißig Prozent unserer Landbevölkerung nicht ihren Namen schreiben kann und neunundneunzig Prozent nichts von kubanischer Geschichte weiß; unbegreiflich ist, daß die meisten Familien auf dem Lande unter schlechteren Bedingungen leben als die Indianer, die Columbus traf, als er das schönste Land entdeckte, das Menschenaugen je gesehen haben. [...] Bis hierher habe ich mich fast ganz auf die Tatsachen beschränkt. Da ich aber nicht vergesse, daß ich vor einem Gericht stehe, werde ich jetzt darlegen, daß nur auf unserer Seite das Recht ist und daß die Strafe, die man meinen Kameraden auferlegt hat und die man mir auferlegen will, weder vor der Vernunft noch vor der Gesellschaft noch vor der wahren Gerechtigkeit zu rechtfertigen ist.

Ich möchte mit den Herren Richtern persönlich respektvoll umgehen und ihnen danken, daß sie in der Härte meiner Wahrheiten keinen Tadel gegen sich selbst sehen. Meine Gedankengänge sollen nur die falsche und irrige Position aufdecken, die die gesamte Justiz in der augenblicklichen Situation eingenommen hat; jedes Gericht ist nichts weiter als ein Teilchen dieser Justiz, das bis zu einem gewissen Grade gezwungen ist, den gleichen Weg zu gehen, den die Maschine vorschreibt, ohne daß allerdings dadurch ein Mann gerechtfertigt ist, der gegen seine Prinzipien handelt. Ich weiß genau, daß die eigentliche Verantwortung die Oligarchie trifft, die sich ohne eine einzige ehrenhafte Geste kriecherisch dem Diktat des Usurpators gebeugt, die Nation verraten und auf die Unabhängigkeit der Rechtsprechung verzichtet hat. Ehrenvolle Ausnahmen haben die übel zugerichtete Ehre durch persönliche Vorbehalte wiederherzustellen versucht, aber diese Taten einer winzigen Minderheit fallen, da sie von der Haltung der unterwürfigen und herdenfrommen Mehrheit erstickt werden, kaum ins Gewicht. Dieser Fatalismus soll mich aber nicht hindern, hier das Recht darzustellen, das für mich spricht. Mag es auch eine pure Komödie sein, daß man mich hier vor Gericht stellt, um der Willkür den Schein der Legalität und des Rechtes zu geben, so bin ich doch entschlossen, mit fester Hand den Schleier der Schande herunterzureißen, der soviel Schamlosigkeit verbirgt. Es ist seltsam, daß die, die mich vor Sie bringen, damit ich gerichtet und verurteilt werde, nicht eine von den Vorschriften dieses Gerichtes beachtet haben. Wenn dieser Prozeß, wie Sie sagen, der wichtigste ist, der seit der Ausrufung der Republik vor einem Gericht verhandelt worden ist, so mag vielleicht das, was ich hier sage, in der Verschwörung des Schweigens, das die Diktatur mir auferlegen will, verlorengehen; aber was Sie tun, darauf wird die Nachwelt viele Male ihr Augenmerk richten. Bedenken Sie, daß Sie jetzt über einen Angeklagten zu Gericht sitzen, daß aber Sie selbst nicht einmal, sondern viele Male gerichtet werden - so oft die Gegenwart der vernichtenden Kritik der Zukunft unterworfen werden wird. Dann wird das, was ich hier sage, viele Male wiederholt werden, nicht weil es aus meinem Munde zu hören war, sondern weil das Problem der Gerechtigkeit ewig ist und weil das Volk über alle Meinungen der Gelehrten und Theoretiker hinweg einen tiefen Sinn dafür hat. Die Völker besitzen eine einfache, aber unversöhnliche Logik, der alles Absurde und Widersprüchliche zuwider ist, und wenn es ein Volk gibt, das Privilegien und Ungleichheit aus tiefster Seele verachtet, dann ist es das cubanische. Es weiß, daß die Justiz als eine Jungfrau mit Waage und Schwert dargestellt wird. Wenn es sieht, wie die Justiz sich vor den einen feige beugt und gegen die anderen wütend die Waffe schwingt, so wird es diese Justiz für eine Hure halten, die mit einem Dolch fuchtelt. Meine Logik ist die einfache Logik des Volkes. (...) Ich schließe meine Verteidigungsrede, aber ich tue es nicht, wie es die Juristen gewöhnlich tun, indem ich die Freiheit des Angeklagten fordere; ich kann sie nicht fordern, wenn meine Kameraden schon auf der Isla de Pinos in schändlicher Gefangenschaft sitzen.

Schickt mich zu ihnen, damit ich ihr Los teile, denn es ist verständlich, daß in einer Republik, deren Präsident ein Verbrecher und Räuber ist, die anständigen Männer tot oder gefangen sind.

Den Richtern gilt mein ehrlicher Dank, daß sie mir ohne kleinlichen Zwang gestattet haben, mich frei auszudrücken; ich trage Ihnen nichts nach, ich erkenne an, daß Sie in gewisser Weise human gewesen sind, und ich weiß, daß der Präsident dieses Gerichtes, ein Mann untadeligen Lebenswandels, seinen Widerwillen gegen einen Zustand der Dinge nicht verbergen kann, der ihn zwingt, ein ungerechtes Urteil zu fällen. Es bleibt dem Gerichtshof noch ein ernsteres Problem zu lösen: die Straftat der siebzig Morde, das heißt des größten Massakers, das uns bekannt geworden ist; die Schuldigen befinden sich auf freiem Fuß und sind bewaffnet, so daß sie eine dauernde Bedrohung für das Leben unserer Bürger darstellen; wenn nicht das ganze Gewicht des Gesetzes auf sie fällt, aus Feigheit oder weil das Gericht es verhindert und nicht geschlossen zurücktritt, dann tut mir Eure Ehre leid, und ich beklage den beispiellosen Makel, der auf die Rechtsprechung fallen wird.

Was mich selbst betrifft, so weiß ich, daß der Kerker hart sein wird wie nie zuvor für einen Menschen, verschärft durch Drohungen, durch gemeine und feige Wut, aber ich fürchte ihn nicht, wie ich den Zorn des elenden Tyrannen nicht fürchte, der meinen siebzig Brüdern das Leben raubte.

Verurteilt mich; das hat nichts zu bedeuten; die Geschichte wird mich freisprechen.

Fidel Castro Ruz
16. Oktober 1953, Santiago de Cuba