Händeschütteln in Havanna
Bundesaußenminister Steinmeier zu Besuch in Kuba. Beziehungen sollen auf eine neue Grundlage gestellt werden.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) ist am Donnerstag (Ortszeit) in Havanna von Kubas Präsident Raúl Castro empfangen worden. Das Internetportal Cubadebate hob die »herzliche Atmosphäre« hervor, in der die Unterredung stattgefunden habe. Beide Seiten hätten die Bedeutung dieses ersten Besuchs eines Bundesaußenministers auf der Insel hervorgehoben. Im Mittelpunkt des Gesprächs standen die Entwicklung der bilateralen Beziehungen vor allem auf wirtschaftlichem Gebiet. Die Nachrichtenagentur dpa hält es für besonders bedeutend, dass Steinmeier auch das Thema Menschenrechte angesprochen habe. Doch Havanna ist auf dieses Ritual westlicher Politiker längst vorbereitet. Wie jW erfuhr, hatten die kubanischen Diplomaten schon bei den Vorgesprächen in Berlin begrüßt, dass die Bundesregierung dieses Thema diskutieren wolle, und einen umfangreichen Katalog mit Menschenrechtsverstößen in Deutschland auf den Tisch gelegt.
Bislang hatte sich die Bundesrepublik im Verhältnis zu Kuba eher als Hardliner hervorgetan. Während die DDR enge Beziehungen mit Kuba unterhalten hatte und es vor allem in den 70er und 80er Jahren einen intensiven Austausch gab, blieb das Verhältnis zwischen Bonn und Havanna im Kalten Krieg unterkühlt. Nach 1990 kündigte die Bundesregierung praktisch alle zwischen der DDR und Kuba bestehenden Abkommen auf, unter anderem die zugesagte Lieferung von Milchpulver für Kubas Kinder. 1996 unterstützte die Bundesregierung die Verabschiedung des bis heute nicht offiziell aufgehobenen »Gemeinsamen Standpunkts« der EU gegen Kuba, in dem das Ziel eines Umsturzes auf der Insel ausgegeben wurde. Auch 2003 war Berlin eifrig mit dabei, als die EU eigene Sanktionen gegen Kuba beschloss und damit auf die Festnahme von 75 Konterrevolutionären reagierte.
Nun jedoch sollen die Beziehungen auf eine neue Grundlage gestellt werden, wie die Tageszeitung Granma vermerkt. Kubas Außenminister Bruno Rodríguez dankte während seiner Unterredung mit Steinmeier der Bundesrepublik dafür, dass sie regelmäßig die von Havanna bei der UN-Vollversammlung eingebrachten Resolutionen gegen die Blockade der Insel durch die USA unterstützt habe. »Ich freue mich, dass wir die Zeiten des Schweigens überwinden können, die es in den Beziehungen zwischen Deutschland und Kuba gegeben hat«, erklärte seinerseits Steinmeier. Er hob die Unterzeichnung von zwei bilateralen Abkommen hervor. Dabei handelt es sich um eine Gemeinsame Erklärung zur Kooperation zwischen beiden Ländern sowie um ein Memorandum über die Etablierung regelmäßiger politischer Konsultationen zwischen beiden Außenministerien.
Auch Kubas Wirtschafts- und Planungsminister Marino Murillo setzte sich mit Steinmeier zusammen und betonte das Interesse Havannas an einer Zusammenarbeit in Bereichen wie erneuerbarer Energien, Umweltschutz und Landwirtschaft. Beide Seiten unterhielten sich auch über die Veränderungen im kubanischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem und darüber, was dies für eine Ausweitung der Handelsbeziehungen zwischen beiden Ländern bedeutet.
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André Scheer
Junge Welt, 17.07.2015