Der Wind dreht sich
Beziehungen zwischen EU und Kuba: Statt Blockade Dialog und Kooperation.
So »schnell wie möglich« wollen Kuba und die EU eine »Vereinbarung für politischen Dialog und Zusammenarbeit« unter Dach und Fach bringen. Das erklärten Vertreter beider Seiten am Dienstag nach ihrer vierten Verhandlungsrunde in Brüssel. Ob eine Einigung noch in diesem Jahr erzielt werden soll, wie vor den zweitägigen Gesprächen von Agenturen berichtet worden war, blieb allerdings offen. Man habe die wesentlichen Verhandlungen über ein Handelsabkommen praktisch abgeschlossen und in den Gesprächen zur Kooperationsvereinbarung, die sehr fortgeschritten seien, wichtige Ergebnisse erzielt, hieß es aus den Verhandlungsdelegationen. Sie vereinbarten, die Verhandlungen im September in Havanna fortzusetzen.
Dort waren die Gespräche im April letzten Jahres aufgenommen worden. Ziel ist ein Kooperationsabkommen, das den »Gemeinsamen Standpunkt der EU« ablösen soll, der 1996 auf Initiative des rechtskonservativen spanischen Ministerpräsidenten José María Aznar beschlossen worden war und seitdem die Kuba-Politik der Europäer blockiert. In dem Dokument wird ein Systemwechsel auf der sozialistischen Karibikinsel zur Bedingung für die Aufnahme normaler Beziehungen gemacht. Kuba ist dadurch das einzige Land in Lateinamerika, mit dem die EU kein Kooperationsabkommen abgeschlossen hat. Während Länder wie Polen und Tschechien, aber auch die Bundesrepublik noch auf einer »harten Linie« gegenüber Kuba beharrten, haben 15 der 28 EU-Länder bereits bilaterale Vereinbarungen mit Havanna abgeschlossen. Wie sein Schöpfer Aznar ist der »Gemeinsame Standpunkt« faktisch schon Geschichte, was noch fehlt, ist dessen formale Beerdigung. Ein Kurswechsel der Europäer deutete sich Mitte letzter Woche beim Gipfeltreffen der 28 EU-Mitglieder mit den Vertretern der 33 Länder der »Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten« (CELAC) in der belgischen Hauptstadt an. Im Schlusskommuniqué kritisierten alle Teilnehmer die »exzessiven humanitären Auswirkungen« der seit 1962 von den USA aufrechterhaltenen Blockade »für das kubanische Volk«. Die Sanktionen würden auch »die legitime Entwicklung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Kuba, der Europäischen Union und anderen Ländern« behindern, heißt es in der Resolution.
Nach den jüngsten Besuchen zahlreicher europäischer Außenminister und des französischen Präsidenten François Hollande wird – vermutlich bereits im Juli – auch Frank-Walter Steinmeier als erster Außenminister der Bundesrepublik nach Havanna reisen. Die Einladung seines kubanischen Amtskollegen Bruno Rodríguez hat Steinmeier letzte Woche in Brüssel dankend angenommen. Im Auswärtigen Amt wird bereits mit Hochdruck am Reiseprogramm gefeilt. Steinmeier beendet damit eine diplomatische Blockade, mit der seine Vorgänger Guido Westerwelle und Joseph Fischer dem Ansehen der Bundesrepublik in Lateinamerika einen Bärendienst erwiesen haben. Die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Kuba und der DDR wurden mit deren Ende ebenfalls abgewickelt, und Politiker der BRD-Regierungsparteien machen seit gut 15 Jahren einen Bogen um die Insel. Das war nicht immer so. 1985 ließ sich zum Beispiel der niedersächsische SPD-Spitzenkandidat Gerhard Schröder in Havanna von Fidel Castro Ratschläge erteilen. Als frisch gewählter Bundeskanzler traf Schröder dann 1999 am Rande einer Konferenz in Rio de Janeiro erneut zu einem dreistündigen nächtlichen Gespräch mit dem Comandante en jefe zusammen. Exkanzler Willy Brandt, der Havanna 1984 als Vorsitzender der Sozialistischen Internationale besuchte, pflegte seitdem mit Fidel Castro gar eine Duzfreundschaft. Und Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul holte bei einer Kuba-Visite im Mai 2000 nachts die mitgereisten Journalisten aus den Betten, um ihnen von einem vierstündigen Gespräch mit Fidel Castro zu berichten.
Der vorsichtige Steinmeier hat sich dagegen Mitte März erst einmal in Washington mit seinem dortigen Amtskollegen John Kerry beraten, der aber offenbar keine Einwände gegen einen Kuba-Besuch des bundesdeutschen Außenministers hat. So traut sich jetzt vielleicht auch die Regierung in Berlin, ihre Bremserrolle gegenüber einer neuen Kuba-Politik der EU aufzugeben.
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Volker Hermsdorf
Junge Welt, 18.07.2015