Gabriel will Castros Partnerschaft

Bundeswirtschaftsminister wirbt auf Kubareise für heimischen Mittelstand.

Der Handel zwischen Kuba und Deutschland belief sich 2014 auf ein Volumen von lediglich 224 Millionen Euro. Es ist also Luft nach oben.

Über eine Lunchbox gebeugt sitzt Stephan Gruber auf der Terrasse des Hotel Nacional in Havanna. Zeit für ein ausgedehntes Mittagsmahl ist nicht. Gerade noch ist der Vorstand des sächsischen IT-Unternehmens NetCon Solutions im kubanischen Energieministerium gewesen; in Kürze steht der nächste Termin auf dem vollgepackten Programm.

Der 49-Jährige ist Teil der 60-köpfigen Wirtschaftsdelegation, die Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) auf dessen dreitägigem Kuba-Besuch begleitet. Rund die Hälfte der mitgereisten Unternehmer ist erstmals auf der Insel, darunter viele Mittelständler: Maschinenbauer, Medizintechnik- und Pharmaunternehmen, Lebensmittelhersteller, aber auch Vertreter großer DAX-Konzerne wie VW, Siemens und Bosch.

Kubas Wirtschaft ist im Umbruch, man will einen Eindruck gewinnen, Kontakte knüpfen. Der Bundeswirtschaftsminister nimmt sich viel Zeit, den deutschen Unternehmen Türen zu öffnen. Am ersten Tag seiner Reise trifft er mit den wichtigen Industrie- und Außenwirtschaftsministern sowie Vizepräsident Miguel Díaz-Canel zusammen. Zum Abschluss seiner Visite wird Gabriel dann fast vier Stunden lang von Kubas Präsidenten Raúl Castro empfangen.

Der deutsche Vizekanzler verspricht in Havanna, die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Kuba und Deutschland auf eine neue Grundlage zu stellen. »Wir kommen nicht als Besserwisser, sondern als Partner«, sagt er auf einem deutsch-kubanischen Wirtschaftsforum am ersten Besuchstag. Die umfangreiche Delegation bezeuge das große Interesse. Zuletzt hatte mit Werner Müller (parteilos) unter der damaligen rot-grünen Bundesregierung vor 15 Jahren ein deutscher Wirtschaftsminister die Insel besucht. Indes hatte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) den sozialistischen Inselstaat im vergangen Sommer mit einem Besuch bedacht.

Gabriel preist den Kubanern nun vor allem den deutschen Mittelstand als Partner an. Dieser bilde das »Rückgrat der deutschen Wirtschaft«, sei »weltweit unterwegs, hoch innovativ und forschungsintensiv«. »Wenn Sie diese Unternehmen überzeugen, in ihr Land zu investieren, haben sie einen langfristigen Partner gefunden«, sagt Gabriel an Kubas Minister für ausländische Investitionen, Rodrigo Malmierca Díaz, gewandt. Dafür bedürfe es aber des Bürokratieabbau sowie gesicherter und transparenter Rahmenbedingungen. Gleichzeitig verspricht Gabriel, die Vergabe von Hermes-Bürgschaften zu verbessern; Verhandlungen über einen Rahmenvertrag zur Entwicklungszusammenarbeit laufen. Zudem vereinbaren die beiden Minister die Einrichtung eines Büros zur Förderung von Handel und Investition. Dieses Verbindungsbüro der deutschen Wirtschaft soll noch in diesem Jahr seine Arbeit aufnehmen; später soll daraus einmal eine Außenhandelskammer werden.

Gabriel warnt aber auch vor allzu hohen Erwartungen. »Wir sind da noch am Anfang einer Entwicklung«, sagt er. Der bilaterale Handel zwischen Deutschland und Kuba belief sich 2014 auf gerade einmal 224 Millionen Euro. Gruber jedenfalls ist zufrieden mit seinem Minister. Alle wichtigen Themen seien angesprochen worden. »Er hat die Arbeitsweise und Vorstellungen des deutschen Mittelstandes gut klargemacht.«

Von kubanischer Seite werde vor allem an Großinvestitionen gedacht, sagt Gruber. Für Konzerne aber ist Kuba als kleiner Markt eher uninteressant; für mittelständische Unternehmen dagegen seien die von Kuba angestrebten Investitionen oft zu groß. »Da gibt es Diskrepanzen.«

Am Beispiel erneuerbarer Energien wird dies deutlich. Die kubanische Regierung will diesen Bereich bis 2030 massiv ausbauen. Beim Besuch im Energieministerium sei über mögliche Projekte gesprochen worden. »Am liebsten hätten die Kubaner neue Kraftwerke, aber sie haben gar nicht darüber nachgedacht, dass das ihre Netze stresst«, meint Gruber. Statt großer Windparks würde es manchmal mehr Sinn machen, kleinteiliger zu planen. »Warum nicht irgendwo drei Windräder hinstellen, die dann von einer Kooperative betrieben werden können?«

Neues Deutschalnd

Andreas Knobloch, Havanna
Neues Deutschland, 11.01.2016