Protestbrief an Obama

Migrationskrise in Zentralamerika spitzt sich wieder zu. Regierungen machen USA verantwortlich.

Costa Rica platzt der Kragen. Die Regierung des zentralamerikanischen Landes hat US-Präsident Barack Obama offiziell zur Korrektur eines Gesetzes aufgefordert, mit dem Washington kubanische Staatsbürger zum Verlassen ihres Landes bewegen will. In der Hauptstadt San José erklärte Außenminister Manuel González am Mittwoch (Ortszeit) vor der Presse, dass Präsident Luis Guillermo Solís ihn beauftragt habe, einen formalen Protestbrief an den Chef des Weißen Hauses auf den Weg zu bringen. Hauptpunkt der Kritik ist der »Cuban Adjustment Act« (CAA). Dieses 1966 vom US-Kongress beschlossene Gesetz garantiert Kubanern – im Gegensatz zu anderen Lateinamerikanern – auch nach »illegaler« Einreise in die USA ein Aufenthaltsrecht auf Lebenszeit und zahlreiche weitere Privilegien.

González bezeichnete den CAA als ein »anachronistisches Produkt des Kalten Krieges«. Er provoziere eine massenhafte Migration, deren »schädliche Folgen« nicht die USA als Verursacher, sondern allein die Transitländer zu bewältigen hätten. Anlass für den aktuellen Vorstoß des mittelamerikanischen Landes ist ein Zwischenfall an der Grenze zu Panama. Am Mittwoch hatten mehr als 1.000 überwiegend aus Kuba stammende Migranten in Paso Canoas die Grenzposten überrannt und dabei im costaricanischen Teil der Ortschaft Scheiben von Autos und Geschäften zerschlagen. Nachdem ihnen klargemacht worden war, dass ihnen keine Transitvisa zur Weiterreise in die USA ausgestellt werden würden, sei die Mehrzahl wieder nach Panama zurückgekehrt, teilten die Behörden mit. Dort sind mittlerweile rund 2.800 Kubaner gestrandet. Viele von ihnen hausen seit über vier Monaten in behelfsmäßigen Unterkünften. Wie die in Miami erscheinende Tageszeitung Nuevo Herald am Mittwoch berichtete, fordern zudem Hunderte Kubaner in Ecuador, die eigentlich gar nicht in die Vereinigten Staaten wollten, über eine »Luftbrücke« von Quito in die USA geflogen zu werden, weil sich ihre Lebenssituation seit dem Verlassen ihrer Heimat gravierend verschlechtert habe und sie deshalb nicht länger in Südamerika bleiben wollten.

Von November bis März hatten Costa Rica, El Salvador, Guatemala und Mexiko bereits 8.000 gestrandeten Kubanern eine geordnete Weiterreise per Flugzeug und Bus bis zur US-Grenze ermöglicht. An der Auswanderungswelle, die durch Gerüchte über eine mögliche Abschaffung des CAA ausgelöst worden war, hatten sich kriminelle Menschenhändler und Schlepperbanden eine goldene Nase verdient. Schon am 24. November wiesen Vertreter von zwölf lateinamerikanischen Ländern auf einer Konferenz in El Salvador darauf hin, dass die USA durch den »Cuban Adjustment Act« zu einem »Magneten« geworden seien, der »diese Art von Migration« verursache. El Salvadors Außenminister Hugo Martínez warf Washington zudem eine »diskriminierende Praxis« vor, da die Auswanderung von Kubanern gefördert werde, während Migranten aus anderen Ländern Zentralamerikas abgeschoben würden. Auch Guatemalas Außenministerium erklärte, »diese Personen« seien »weder politische Flüchtlinge, noch von einem Krieg oder Naturkatastrophen betroffen«. Es sei deshalb nicht zu akzeptieren, dass »unsere Migranten« abgeschoben werden, während die aus Kuba freies Geleit »in den Norden« erhielten. Nicaraguas stellvertretender Außenminister Dennis Moncada kritisierte, die USA betrieben mit dem CAA »eine Politik, die Menschen, ganzen Familien, Regierungen sowie den Völkern Kubas und der Region Schaden, Leid und wirtschaftliche Verluste zufügt«. Auch Havannas Chefdiplomat Bruno Rodríguez bedauerte, dass viele seiner Landsleute »Opfer einer politischen Instrumentalisierung der Migration durch die USA« geworden seien. Ecuadors Vizeministerin für Auswärtiges und Migration, María Landázuri, verwies schließlich darauf, dass ständig weitere Migranten aus Kuba nachfolgen würden, solange der CAA in Kraft sei.


Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

junge Welt


Dieser Artikel wurde ermöglicht
durch die Abonnnentinen und Abonennenten
der jungen Welt
Dein Abo fehlt

Volker Hermsdorf
Junge Welt, 16.04.2016