Der Weg der Maroons

Gesicht des schwarzen Widerstandes: Über Assata Shakur.

Der 2. November 1979 war ein Freitag. Seit dem Vortag bestimmte nur ein Thema die Meldungen auf allen Kanälen: Vor der US-amerikanischen Botschaft in Teheran protestierten Hunderttausende gegen den Aufenthalt Schah Mohammad Reza Pahlavis in New York City und forderten seine Auslieferung. Der Diktator war auf der Flucht vor der iranischen Revolution, die ihn gestürzt hatte. Er sollte wegen der Folter und Ermordung von Oppositionellen durch seinen Geheimdienst SAVAK in Teheran vor Gericht gestellt werden. Das Weiße Haus hatte jedoch entschieden, den »Freund des Westens« aufzunehmen. Aufgeregt erörterten Moderatoren der großen Konzernmedien mit Korrespondenten und Regierungspolitikern die Frage, welche Folgen die aufgeheizte Stimmung in Teheran für das Personal der US-Botschaft haben könne.

In der Glaskanzel der Pforte des Staatsgefängnisses für Frauen in Clinton (New Jersey) lief ein Transistorradio. Die beiden Wachbeamten hörten die letzten Meldungen aus Teheran, dann mussten sie sich wieder ihren Aufgaben zuwenden. In wenigen Minuten würde die offizielle Besuchszeit beginnen. Mehrere Besucher begehrten Einlass. Die Zellen der Strafanstalt befanden sich in einem abgetrennten Bereich, in dem die höchste Sicherheitsstufe herrschte. Der Trakt South Hall mit den Besuchszellen lag nicht weit entfernt vom Eingangsgebäude, war als Sicherheitsbereich mittlerer Stufe ausgewiesen und deshalb nur von einem hohen Stachel- und Maschendrahtzaun umgeben.

Unter den Besuchern waren zwei Schwarze und ein Weißer. Wie es die Regularien vorsahen, legten die Männer zu ihrer Identifikation Führerschein oder Sozialversicherungsausweis vor. Währenddessen saß in einer Besuchszelle der South Hall eine weiße Rechtsanwältin mit einer afroamerikanischen Gefangenen zusammen. Wärterinnen hatten die 32jährige Frau zum Gespräch mit der vermeintlichen Strafverteidigerin aus dem besonders abgeschirmten Hochsicherheitstrakt der Anstalt in den Besuchsbereich gebracht. Die Anwältin war an diesem Tag zum ersten Mal bei ihr, um ein Anbahnungsgespräch über die eventuelle Mandatsübernahme zu führen.

Derweil fertigten die Beamten der Einlasskontrolle routinemäßig die Besucher ab. In Gruppen wurden sie mit einem Kleinbus von der Pforte zur South Hall gefahren. Einer der drei männlichen Besucher war dort schon mit der ersten Busladung eingetroffen. Mit der nächsten folgten ihm die anderen beiden Männer. Als sie das Tor im Maschendrahtzaun passiert hatten und sich die Stahltür zum Besuchszellentrakt öffnete, zog einer der beiden eine Waffe und nahm einen Schließer als Geisel. Auch der erste Mann, der sich schon bei der Besuchszelle befand, in der das angebliche Anbahnungsgespräch stattfand, hielt plötzlich zwei Pistolen in den Händen. Er richtete sie auf die Justizwachtmeisterin in der Besuchszentrale und befahl, den anderen beiden Männern und ihrer Geisel die Stahltür zu öffnen. Zusammen mit der »Anwältin« und den drei Besuchern übernahm nun die Gefangene, die von der Anstaltsverwaltung unter dem Namen JoAnne Deborah Chesimard geführt wurde, das Kommando. Sie nahmen noch einen dritten Wärter als Geisel mit auf den Weg nach draußen. Vor der South Hall bestieg die Gruppe den Besuchervan und verließ mit Hilfe der Schlüssel der Wachleute problemlos das Anstaltsgelände. Von der Pforte aus fuhren sie querfeldein über eine Wiese und erreichten nach wenigen Augenblicken den Parkplatz der Hunterdon-Behindertenschule. Dort standen zwei Fluchtwagen bereit. Die drei Geiseln wurden unversehrt freigelassen, und nur wenige Minuten später waren die vier Befreier und ihre Genossin spurlos verschwunden.

Im Gefängnis war inzwischen Alarm ausgelöst worden. Es hatte eine Weile gedauert, bis der gesamten Hierarchie bewusst geworden war, dass gerade eine erfolgreiche Gefangenenbefreiung stattgefunden hatte. JoAnne Deborah Chesimard, geborene Byron, besser bekannt als Assata Shakur, aktives Mitglied der Black Panther Party, seit 1971 untergetaucht und als »Staatsfeindin« gesucht, seit 1973 politische Gefangene und 1977 zu lebenslanger Haft verurteilt, war der Unrechtsjustiz der USA mit List und Tücke entkommen.

Die US-Bundespolizei stellte bald fest, dass die Ausweispapiere der drei Besucher und der Anwältin gelungene Fälschungen waren und dass die Gefängnisverwaltung es leider versäumt hatte, die Daten dieser Papiere vorschriftsmäßig zu überprüfen. Die Leibesvisitation war offensichtlich nicht weniger schlampig verlaufen.

Die Nachricht über die Befreiung Assata Shakurs verbreitete sich im ganzen Land wie ein Lauffeuer. Schon am nächsten Tag tauchte von New York bis Kalifornien in vielen Wohnvierteln von Schwarzen und Puertoricanern die Parole »Assata is welcome here!« auf. Auch mir begegnete Assatas Name in jenen Tagen zum ersten Mal im Mission District von San Francisco, wo ich mich für ein paar Wochen aufhielt. Dort lebten damals viele Flüchtlinge aus Nicaragua und El Salvador im Exil. An Mauern, Toren und Zäunen prangten Wandbilder und Plakate, die Zeugnis ablegten vom elenden Leben unter den blutrünstigen Diktaturen ihrer mittelamerikanischen Heimatländer. Aber auch von ihren Hoffnungen auf Befreiung und ein besseres Leben. In dieser Umgebung wurden auch wir von den frisch an zahlreiche Hauswände gesprühten Parolen »Assata is welcome here!« überrascht.

In Black Harlem, wo Assata bis zu ihrem Abtauchen als Mitglied der New Yorker Ortsgruppe der Panthers Frühstücksprogramme für Kinder, Parteiveranstaltungen und Demos für politische Gefangene organisiert und den Machismo in den eigenen Reihen bekämpft hatte, wurden Fahndungsaufrufe der Polizei mit leuchtend gelben Plakaten überklebt, die Assata auch dort willkommen hießen. Die Black Panther Party existierte schon ein paar Jahre nicht mehr, aber auch in Harlem, wo Armut und rassistische Polizeigewalt Alltag waren, lebte ein neues, stolzes Selbstbewusstsein der Schwarzen, durch das sich die Partei ausgezeichnet hatte, ungebrochen weiter.

Assata verkörperte diesen Stolz, diese unkorrumpierbare Bereitschaft, persönlich für die Verwirklichung der längst überfälligen Veränderungen einzustehen. Sie war nun den Weg der »Maroons« gegangen, jener von den Baumwollplantagen geflohenen Sklaven, die sich einst in Nordamerika und der Karibik im Schutz unzugänglicher Gebiete mit indigenen Völkern zu freien Gemeinden zusammenschlossen. »Unser Kampf hat auf den Sklavenschiffen begonnen, lange bevor wir geboren wurden«, schrieb Assata ein paar Jahre später in ihrer Autobiographie. Mit Assatas Befreiung stellte sich die für die Aktion verantwortliche »Black Liberation Army« als Teil des afroamerikanischen Freiheitskampfs in diese Tradition, erhob der Widerstandsgeist erneut sein Haupt und sprach die Gewissheit aus: »So, wie es ist, bleibt es nicht.«

Der ganze Sicherheitsapparat samt seiner Schreibknechte in den Konzernmedien war kalt erwischt worden und entsetzt über die Schmach von New Jersey. Dass dabei niemand Schaden an Leib und Leben genommen hatte, verstärkte noch die Symbolkraft dieses Aktes der Solidarität. Das FBI setzte Assata auf die Fahndungsliste der »zehn meistgesuchten Straftäter« und ließ sie und das Befreiungskommando wie gemeingefährliche »Terroristen« jagen. Paramilitärische Sondereinheiten der Polizei trampelten Tag und Nacht durch die Wohnungen »verdächtiger« schwarzer Frauen, von Polizeispitzeln gelenkte Sondereinheiten sprengten mit Haftladungen in zahlreichen Städten die Türen vermeintlicher konspirativer Wohnungen auf. Doch Assata blieb verschwunden.

Die Staatsschützer hielten sich deshalb an jene, die greifbar und schutzlos waren. Assatas Familie wurde permanent bedroht und beschattet. Ihre Tante und Verteidigerin, die engagierte Bürgerrechtsanwältin Evelyn Williams, und ihre Mutter Doris wurden mit einem permanenten Psychoterror überzogen, der in nächtlichen Anrufen gipfelte, in denen anonyme Stimmen mitteilten, Assata sei gerade erschossen worden. Der Druck auf ihre Mutter wurde solange gesteigert, bis sie einen Herzanfall erlitt.

In einer später verbreiteten Botschaft erklärte Assata: »Wegen der Verfolgung durch den Staat hatte ich keine andere Wahl, als zu fliehen und mich der gegen uns Schwarze gerichteten politischen Repression, dem Rassismus und der von Gewalt beherrschten Politik des Staates zu entziehen. Entschlossene Genossen befreiten mich, weil klar war, dass ich keine Gerechtigkeit zu erwarten hatte, und weil zu befürchten war, dass ich im Gefängnis ermordet werde.«

Noch viele Jahre nach diesem historischen Novembertag blieb Assata Shakur verschwunden und bot kein Ziel mehr für die staatliche Repression. Wer aber in den nachfolgenden Jahren als tatsächlicher oder vermeintlicher schwarzer Militanter oder ehemaliger Black Panther in die Fänge von Polizei und Justiz geriet, hatte nichts zu lachen. Auch der in Philadelphia lebende Ex-Panther und Journalist Mumia Abu-Jamal bekam im Dezember 1981 in Philadelphia die Vergeltung des Staates für die geglückte Befreiung Assata Shakurs zu spüren. Wie Assata wurde auch er durch Polizeikugeln schwerverletzt, und wie bei ihr stellte die Rachejustiz auch in seinem Fall die Realität auf den Kopf und erhob gegen ihn die für Panthers obligatorische Musteranklage »Polizistenmord«.

Wir waren frühmorgens zusammen mit puertoricanischen Compañeros in Brooklyn aufgebrochen. Fahrtziel Washington D. C. mit Zwischenstopp in Philadelphia. Eine Reise in die Vergangenheit, in die Geschichte des Landes, seiner Ureinwohner, Eroberer und heutigen Einwohner, seiner enttäuschten Hoffnungen, seiner für viele dramatischen Gegenwart und seiner Perspektiven und Sehnsüchte, die sich uns in jenem Oktober 1991 überall zeigten. Es waren nur noch wenige Tage bis zum »Columbus Day«, an dem in den USA offiziell die »Entdeckung Amerikas« durch Christoph Kolumbus, den Landräuber im Dienst der spanischen Krone, gefeiert wird. Wir wollten uns der für diesen Tag geplanten Großdemonstration »Freiheit für die politischen Gefangenen« anschließen.

Ich saß im Fond des Wagens und schaute mir beim Überholen im gemächlichen Vorbeifahren die Gesichter in den anderen Fahrzeugen auf der mehrspurigen Interstate 95 an. Dabei nahm ich für einen Augenblick ein Ausfahrtsschild mit dem Ortsnamen New Brunswick wahr. Mensch, sagte ich zu den anderen, wisst ihr, wo wir hier gerade sind? Hier irgendwo ist Assata 1973 verhaftet worden! Achtzehn Jahre zuvor, am 2. Mai 1973, war Assata Shakur hier unterwegs. Zusammen mit Zayd Malik Shakur und Sundiata Acoli, die wie sie wegen ihrer Mitgliedschaft in der Black Panther Party vom FBI verfolgt wurden, saß sie in einem weißen Pontiac. Die drei fuhren wie wir jetzt Richtung Süden. Assata sollte in Sicherheit gebracht werden, weil die New Yorker Polizei und das FBI sie auf die schwarze Liste gesetzt hatten. Und das konnte nach den dramatischen Erfahrungen, die viele Panthers in den letzten Jahren der Existenz ihrer Partei gemacht hatten, von Verhaftung und Knast bis zum gezielten Todesschuss alles bedeuten.

Sundiata steuerte den Wagen. Auf der Strecke wurden sie von einer Polizeistreife überholt und zur »Verkehrskontrolle« auf einen Parkplatz gelotst. Offiziell hieß es hinterher, die Rücklichter des Pontiac seien defekt gewesen. Ihr Anwalt Lennox S. Hinds nannte jedoch als wahren Grund die Zielfahndung, die gegen Assata lief. In New York City habe das FBI über Assata »ein Image aufgebaut, das sie als gemeingefährlich darstellte, und in den Massenmedien war sie schon vorverurteilt, noch bevor Anklage erhoben war. Sie sollte gefasst werden – tot oder lebendig.«

Die drei bewegten sich in Feindesland, wo auffällt, wer nicht weiß ist. Das war auch der erste Anhaltspunkt für den Streifenbeamten James Harper. Der Officer hatte den Wagen über mehrere Kilometer beobachtet und, wie er später aussagte, »Geschlecht und Rasse der Fahrzeuginsassen registriert«. Über Funk muss er dann die Informationen erhalten haben, die ihn veranlassten, Verstärkung an einen Abschnitt der Interstate 95 im Bereich der Mautstelle New Jersey Turnpike zu beordern, wo eine Fahrzeugkontrolle sicher durchgeführt werden konnte. So jedenfalls die Einsatzplanung. Ein Vorgehen, das völlig unverhältnismäßig gewesen wäre, wenn Harper wirklich nur vorgehabt hätte, ein Verwarnungsgeld für defektes Rücklicht zu kassieren.


Jürgen Heisers Wurzeln liegen in Arbeiterfamilien der DDR und BRD. Im Rheinland erlernte er das Handwerk der Industriefotografie, arbeitete später in Kraftverkehr und Handel zur Finanzierung seiner Studien der Sozial- und Medienpädagogik sowie Politikwissenschaften mit Schwerpunkt Internationale Politik. Seit 1979 bereist er die amerikanische Hemisphäre und arbeitet am Aufbau von Menschenrechts- und Solidaritätsnetzwerken zwischen Nordamerika, Puerto Rico, Kuba und Europa. 1989 war er Mitbegründer der Freiheitskampagne für den 1982 zum Tode verurteilten Bürgerrechtler Mumia Abu-Jamal, von dem und über den er sechs Bücher veröffentlichte. Seit 1991 arbeitet er als freier Autor und übersetzer, seit 1994 auch für junge Welt.

Seine besondere Beziehung zu Assata Shakur begann im November 1979, als er in Kalifornien die große Freude über ihre Befreiung aus lebenslanger Haft miterlebte. 1990 brachte er die 1987 auf englisch erschienene Autobiographie »Assata« auf deutsch heraus, die in mehreren Auflagen in den Bremer Verlagen Agipa-Press und Atlantik Verlags- und Mediengesellschaft erschien. Eine umfassende Neuerscheinung über Assatas Leben und politisches Wirken ist für 2017 in Vorbereitung.
Info: archiv1992@hfm-mail.com

Assata Shakur kam am 16. Juli 1947 als JoAnne Deborah Byron zur Welt. Ihren afrikanischen Namen nahm sie erst als politische Aktivistin an. Durch ihre Autobiographie wurde 1987 bekannt, dass sie seit 1984 in Kuba lebt und dort politisches Asyl als geachtete Repräsentantin der afroamerikanischen Bürger- und Menschenrechtsbewegung genießt. Kuba ehrt mit den Garantien für ihren Schutz die vielen Opfer rassistischer Gewalt in den USA.
Heisers Text über Assata Shakur erscheint anlässlich des 50. Jubiläums der Gründung der Black Panther Party am 15. Oktober 1966. (jW)

Wir hatten noch einige Meilen vor uns und brauchten eine Pause. Gleich neben der Autobahn fanden wir einen Diner. Der schlappe Kaffee machte uns zwar nicht wirklich munter, aber wir schnappten draußen ein wenig frische Luft und redeten über die Polizeiaktion, bei der die unbewaffnete Assata durch Polizeikugeln schwer verletzt und zusammen mit ihrem Genossen Sundiata verhaftet wurde. Zayd und ein Polizist waren tot. Viele Black Panthers, erzählten unsere Reisegefährten, seien wegen solcher Vorfälle für Jahrzehnte eingesperrt worden. So wie es Assata drohte, die damals Anfang der 1970er Jahre untergetaucht war, weil in dieser Zeit mehr und mehr legale Mitglieder der Panthers entweder erschossen oder verhaftet worden waren. Das FBI habe damals nach den Worten seines Chefs J. Edgar Hoover einen »Krieg an der Heimatfront« geführt. Die am 15. Oktober 1966 von Huey P. Newton, Bobby Seale und weiteren Schwestern und Brüdern gegründete Partei sollte mit allen Mitteln zerschlagen werden.

Die Partei war vor allem in den Großstädten schnell gewachsen und hatte international auf sich aufmerksam gemacht. Durch ihre Sozialprogramme in den Ghettos und ihren Schulterschluss mit den Befreiungsbewegungen des Trikont und vor allem ihre Sympathien für das revolutionäre Kuba sahen Hoover und die US-Regierung in ihr eine reale Gefahr. Neben der äußeren Front in Indochina, wo die hochgerüstete US-Armee die Nationale Befreiungsfront Vietnams nicht in die Knie zwingen konnte, sondern wie schon zuvor die französischen Kolonialtruppen an der Kampfkraft des vietnamesischen Volkes scheiterte, befürchteten die Herrschenden, die schwarze Befreiungsbewegung könne sich zur zweiten Front im Hinterland der USA entwickeln. Im Dschungel Vietnams war es schon zu ersten Revolten von schwarzen US-Soldaten gekommen, die weiße Offiziere erschossen, wenn diese sie per Befehl dazu zwingen wollten, ein Volk zu morden, das um seine Befreiung kämpfte.


Weil das FBI also in jeder Ortsgruppe einen Stützpunkt und in jedem Mitglied der Panthers einen Kämpfer des weltweiten Aufstands gegen das US-Imperium sah, konnte jede »Verkehrskontrolle« ein tödlicher Hinterhalt sein, erklärte Juan. Assata, auf die nachweislich mehrmals geschossen wurde, als sie ihre Hände erhoben hatte, und Sundiata hätten nur deshalb überlebt, weil Zayd das Feuer der Polizisten erwidert hatte. Sonst wäre nicht nur er getötet worden, sondern alle drei. In Puerto Rico habe es ähnliche Vorfälle gegeben. Ganz abgesehen davon, dass die Kolonialtruppen der USA dort seit 1898 immer schon scharf auf Streikende und Kundgebungen geschossen hätten. »Puerto Rico ist genauso ein besetztes Land wie die städtischen ›Inseln‹ der puertoricanischen Gemeinden von Chicago, Hartford, New York und Philadelphia«, sagte Adriana. Das würden wir in Philly noch sehen. Und Assatas und Mumias Erfahrungen hätten uns sicher auch gelehrt, dass es in den schwarzen Gemeinden nicht anders ist. Aber genau dagegen sei ja die Partei gegründet worden, die anfangs noch »Black Panther Party for Self-Defense« hieß: Selbstverteidigung gegen Übergriffe einer rassistischen Polizei und Politik.

Als wir weiterfuhren, fiel mir auch wieder der Name des Knastes ein, in den Assata verlegt wurde, kaum dass sie sich von ihren schweren Verletzungen einigermaßen erholt hatte. Es war das Middlesex-Staatsgefängnis, nordwestlich von New Brunswick gelegen. Dort war sie zuerst in der Frauenabteilung und wurde später jahrelang in einem Loch im Keller der Männerabteilung isoliert, um sie von den Frauen zu trennen, unter denen sich Solidarität mit ihr entwickelt hatte. Aber für Assata galt schon damals ein Motto der Panthers: »Eine Mauer ist nichts weiter als eine Mauer. Man kann sie einreißen.«

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

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Jürgen Heiser
Junge Welt, 15.10.2016