Aussichtslos erfolgreich

Vor 60 Jahren landete die »Granma« im Südosten Kubas. Damit begann der Guerillakrieg zur Befreiung des Landes.

Am 2. Dezember 1956, drei Tage später als geplant, waren 82 in olivgrünen Uniformen gekleidete Guerilleros an einem »Playa de los Colorados« genannten Küstenabschnitt im Südosten Kubas an Land gegangen. Die Überfahrt der für diese Personenzahl viel zu kleinen Motoryacht mit dem Namen »Granma«, die am 25. November bei stürmischem Wetter aus dem mexikanischen Hafen Tuxpan ausgelaufen war, hatte sieben Tage gedauert. Bei der Ankunft an Kubas Küste war das Boot in schlechtem Zustand, die Rebellen fast alle seekrank und ohne Nahrungsmittel, von ihrem Gepäck hatten sie nur die Gewehre retten können. Niemand hätte dem ausgemergelten Haufen zugetraut, die von den USA mit modernsten Waffen hochgerüstete Armee eines Diktators besiegen zu können, der die Macht seines prowestlichen Regimes mit grausamer Härte aufrechtzuerhalten versuchte.

Doch das kleine, aber verwegene Rebellenheer war entschlossen, Fulgencio Batista zu stürzen. Ein Jahr lang hatten sie sich im mexikanischen Exil vorbereitet, waren dort von General Alberto Bayo, der im spanischen Bürgerkrieg gegen Franco gekämpft hatte, in der Kunst des Guerillakrieges ausgebildet worden. »Wir gehen nach Kuba«, hatte ihr Anführer Fidel Castro sie vor der Abfahrt eingeschworen, »nicht nur, um politische Veränderungen durchzusetzen, sondern auch soziale Umwälzungen, die jedem Kubaner würdige Arbeit, vollen Genuss der Freiheit und absolute Ausübung der Souveränität garantieren«. Für das kubanische Volk, hatte Castro zuvor proklamiert, sei die Zeit gekommen, sich seine »Rechte zu nehmen und nicht zu erbitten, sie an sich zu reißen, statt sie zu erbetteln«.

Freundschaft mit den Bauern

Der Kampf schien zunächst jedoch aussichtslos. Drei Tage nach der Landung wurden die noch immer erschöpften Guerilleros nahe der Ortschaft Alegría de Pío von Marinefliegern angegriffen und bombardiert. Die Soldaten Batistas zündeten Zuckerrohrfelder an, um die entkommenen Rebellen in den Flammentod zu treiben. Nur 22 der 82 Revolutionäre überlebten die Attacken, einige flüchteten in die Städte, wo sie verhaftet und getötet wurden. Fidel Castro zog mit dem verbliebenen guten Dutzend der Kämpfer, darunter die späteren »Comandantes« Che Guevara, Raúl Castro und Camilo Cienfuegos, in die Berge der Sierra Maestra. Zu Recht hatten sie gehofft, das Vertrauen und die Unterstützung der Bauern und Landarbeiter im Oriente zu gewinnen, mit denen sie eine Rebellenarmee zur Befreiung des Landes aufbauen wollten. Ein Plan, über den sich die Gegner der Revolution zunächst noch lustig machten und an dessen Durchführbarkeit selbst viele ihrer Anhänger zweifelten. Doch das Unvorstellbare gelang.

Bereits sechs Wochen nach Landung der »Granma« nahm die kleine Guerillatruppe am 17. Januar 1957 die Kaserne von La Plata ein und konnte danach die ersten sympathisierenden Bauern bewaffnen. Während sich die Aufständischen in den Bergen konsolidierten, sahen immer mehr der rund 50.000 Bewohner der Sierra Maestra in »den Bärtigen« zunehmend ihre Freunde, die damit begannen, ihre Kinder zu unterrichten und die für alles, was sie erbaten, bezahlten. Parallel dazu organisierten Mitglieder der von Fidel Castro gegründeten »Bewegung des 26. Juli« unter Führung von Frank País Aktionen und Streiks in den Städten. Als Frank País am 30. Juli 1957 in Santiago de Cuba verhaftet und auf offener Straße ermordet wurde, war die Stadt tagelang von Protesten paralysiert. Zur gleichen Zeit wurde der Krieg in den Bergen intensiviert. Nach und nach erhöhte sich die Zahl der Partisanen auf einige Hundert. Mit der nach dem kubanischen Unabhängigkeitskämpfer José Martí benannten Ersten Kolonne (Columna Uno José Martí) führte Fidel Castro die »erste Front« im Süden der Ostprovinz an. Gegen die wachsende Stärke der Revolution schickte Batista zunächst 12.000 schwerbewaffnete Soldaten auf Panzern, LKWs und in Flugzeugen nach Oriente. Sie hatten den strikten Befehl, die Revolution mit Bomben, Kugeln und Feuer auszulöschen. Auf einen, meist nur schlecht bewaffneten, Guerillakämpfer kamen 40 Soldaten Batistas. Doch trotz ihrer zahlenmäßigen und technischen Überlegenheit gelang es den Truppen des Diktators nicht, die Revolutionäre in den Bergen zu eliminieren.

Zweite Front

Anfang April 1958 eröffnete Raúl Castro, der zwei Monate zuvor zum Comandante ernannt worden war, mit 50 Mann eine zweite Front im Norden der Provinz Oriente. Nach neun Monaten befehligte er bereits eine aus mehr als 1.000 revolutionären Kämpfern bestehende Armee, die von den Bergbauern unterstützt wurde. Raúls Rebellenarmee, das »Ejército Rebelde« aus dem später die »Fuerzas Armadas Revolucionarias« wurden, beherrschte ein Gebiet von knapp 15.000 Quadratkilometern, eine Fläche etwa so groß wie Schleswig-Holstein. In dieser Region setzten die Revolutionäre schrittweise Maßnahmen um, die zur Voraussetzung für den Sieg über das Batista-Regime und zugleich zum Vorbild für den Aufbau der neuen Gesellschaftsordnung im späteren sozialistischen Kuba wurden. Landlose Bauern erhielten Parzellen zugeteilt, Schulen, Krankenstationen, Apotheken, Straßen, Flugplätze, Werkstätten und sogar kleine Fabriken wurden gebaut. Im Oktober 1958 unterzeichnete Raúl Castro eine Art Verfassung (Ley Orgánica) für die befreite Zone, die damit bereits unter der Diktatur Batistas zum Prototyp eines revolutionären Staates wurde.

Trotz seiner von den USA mit den teuersten Waffen ausgerüsteten, insgesamt 30.000 Mann starken Armee verlor der Diktator die Herrschaft über immer mehr Gebiete des Landes, während das erst seit Landung der Granma bestehende »Ejército Rebelde« einen Sieg nach dem anderen errang. Als die Guerilleros nach den Erfolgen im Oriente ihre Aktionen auf Zentralkuba und die westlichen Provinzen des Landes ausweiteten und Ende Dezember 1958 die im Zentrum der Insel liegende Stadt Santa Clara eroberten, verlor der Diktator die Nerven. Kurz vor der Silvesterfeier plünderte Batista die Staatskasse und floh zu seinem treuen Freund, dem Diktator Rafael Trujillo, in die Dominikanische Republik. Nach einem Triumphzug durch das ganze Land zog die Rebellenarmee am 8. Januar 1959, nur 25 Monate nach ihrer Ankunft in Kuba, unter dem Jubel der Bevölkerung in die Hauptstadt ein. Die Vorgänger der späteren »Fuerzas Armadas Revolucionarias« hatten ihr Versprechen eingelöst: Mit dem Sieg der Revolution war Kuba zum ersten Mal in seiner Geschichte souverän und unabhängig von fremden Mächten geworden.

»Eine einzige Plackerei, dieser 2. Dezember«


Che Guevara beschrieb die beschwerliche Überfahrt der »Granma« folgendermaßen: »Wir hatten Kuba nach sieben Tagen Überfahrt durch den Golf von Mexiko und das Karibische Meer erreicht, ohne Nahrung, das Schiff in schlechtem Zustand, aus fehlender Gewöhnung an Seereisen fast alle seekrank, nachdem wir am 25. November, einem Tag mit Nordwind, an dem das Auslaufen von Schiffen verboten war, den Hafen von Tuxpan verlassen hatten. Das alles hatte in dieser Truppe von Neulingen, die niemals im Kampf gewesen waren, seine Spuren hinterlassen. Von unserer Kriegsausrüstung war nichts mehr geblieben als die Gewehre, die Patronengurte und ein bisschen nasse Munition. Unser Vorrat an Medikamenten war verschwunden …« Aus: Ernesto Che Guevara: Cubanisches Tagebuch. Hg. v. Horst-Eckart Gross, Bonn 1990, S. 18

Über den Tag der Landung notierte Raúl Castro am 2. Dezember 1956 in seinem Tagebuch: »Gegen 5.30 Uhr oder 6 Uhr nahmen wir Kurs aufs Land, strandeten im Schlamm und hatten nun das schlimmste Sumpfgebiet zu durchqueren, das man sich vorstellen kann. Ich blieb bis zuletzt an Bord und versuchte, soviel Gepäck wie möglich mitzunehmen; doch in jenem verfluchten Mangrovenwald mussten wir fast das gesamte Gepäck abwerfen. Über vier Stunden ohne Rast durch diese Hölle hindurch. Unterwegs traf ich auf Kameraden, die der Ohnmacht nahe waren. Dabei kreiste ständig ein Flugzeug über uns und begann, das ungefähr zwei Kilometer entfernte Bauernhaus zu bombardieren, wo wir eigentlich etwas essen wollten (…) Eine einzige Plackerei, dieser 2. Dezember.« Aus: Che Guevara/Raúl Castro: Die Eroberung der Hoffnung. Bad Honnef 1997, S. 62–63

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

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Volker Hermsdorf
Junge Welt, 26.11.2016