Dialog statt Blockade

Mehr als zwanzig Jahre hat die Europäische Union gebraucht, um die Unabhängigkeit und Souveränität des sozialistischen Kubas zumindest formal anzuerkennen. Das ist mit der gestern in Brüssel erfolgten Unterzeichnung einer Vereinbarung über politischen Dialog und Zusammenarbeit erfolgt. Bis dahin waren auch sozialdemokratisch geführte Regierungen den Vorgaben des ultrarechten früheren spanischen Ministerpräsidenten José Maria Aznar gefolgt. Der international agierende Antikommunist hatte die EU mit dem von ihm 1996 formulierten »Gemeinsamen Standpunkt« dazu gebracht, normale Beziehungen zu Havanna von einem Systemwechsel abhängig zu machen. Brüssel folgte den Vorgaben aus Washington, und Kuba wurde zum einzigen Land Lateinamerikas, mit dem die EU kein Kooperationsabkommen abschloss. Die an Kolonialzeiten erinnernde politische Arroganz der Europäer hat der Karibikinsel jahrelang geschadet, die EU jedoch in Lateinamerika, Afrika und Asien isoliert.

Wie die seit mehr als 55 Jahren bestehende Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade der USA haben auch die politischen und wirtschaftlichen Sanktionen der westlichen Länder Europas nicht zum gewünschten Erfolg geführt. Der Versuch, Kuba mit Drohungen und Zwangsmaßnahmen zur Aufgabe seines sozialistischen Weges zu zwingen, ist gründlich gescheitert. Das haben nach Barack Obama nun auch die EU-Vertreter faktisch eingestanden. Zwar müssen das Europaparlament und die einzelnen EU-Regierungen dem Abkommen noch zustimmen, doch dürften sich auch bisherige Bremser wie Polen, Tschechien und die Bundesrepublik dem Kompromiss jetzt nicht mehr widersetzen. Schließlich sind auch deutsche Unternehmen, die sich gegenüber ihren europäischen Konkurrenten bereits abgehängt fühlen, an Investitionen in Kuba interessiert. Die größte Hemmschwelle ist dabei nicht, wie einige Medien verbreiten, das sozialistische Wirtschaftssystem in Kuba, sondern die völkerrechtswidrige US-Blockade, unter der europäische Firmen zunehmend leiden. In Brüssel wurde gestern jedoch erst einmal Optimismus verbreitet. Die Vereinbarung zeige, dass es »mit gutem Willen und Respekt möglich ist, Fortschritte zu erzielen und Differenzen zu überwinden«, so Kubas Außenminister Bruno Rodríguez.

Für Havanna ist die endgültig besiegelte Aufgabe des »Gemeinsamen Standpunktes« ein großer außenpolitischer Erfolg. Doch wie die USA wird auch die Europäische Union das Ziel, den Sozialismus in Kuba zu beseitigen, nicht aufgeben. Parteistiftungen, mächtige Medienkonzerne und angebliche Nichtregierungsorganisationen finanzieren mit Millionenbeträgen ein breites Spektrum subversiver Aktivitäten. Auch die EU und einzelne europäische Regierungen werden sich daran weiterhin beteiligen. Die Aufgabe der EU-Blockade ist also sicher ein begrüßenswerter Fortschritt, doch Havanna hat allen Grund, auch in Zukunft wachsam zu sein.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

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Volker Hermsdorf
Junge Welt, 13.12.2016