Lateinamerika und die US-Politik im XXI. Jahrhundert

Von Obamas »smart power« zu Trumps »hard (stupid) power«

Der weltweit dominierende Kapitalismus hat Lateinamerika mit in die Turbulenzen der Krise, die 2008 in den USA ihren Anfang nahm, einbezogen. Durch die beherrschende Stellung der entwickelten kapitalistischen Länder konnten sie,, besonders die USA in Bezug auf Lateinamerika, einen Teil ihrer eigenen Probleme in diese Region verlagern.

Die Politik der USA umfasst ein breites Arsenal politischer, kultureller, wirtschaftlicher und militärischer Methoden zur Sicherung ihrer Positionen auf dem Subkontinent.(1) Wenig hat sich an dieser, wenn auch zunehmend subtiler gestalteten Politik der USA gegenüber Lateinamerika geändert.

Die »Smart Power«-Politik der USA

Die Reaktion der US-Regierung auf die Veränderungen in Lateinamerika und auf ihre veränderte Stellung im internationalen Machtgefüge war die Politik der »Smart Power« oder der »intelligenten Macht«. Sie stellte eine Kombination diplomatischer Mittel, wirtschaftlichen Einflusses und »legaler demokratischer«Manöver dar. Hillary Clinton, Außenministerin in der Obama-Regierung, erklärte in einer Rede vor dem »Zentrum für Globale Entwicklung« (Center for Global Development): »Wir werden die Kraft der Erfahrungen unserer Diplomaten und unserer Militärs im Namen der Entwicklung nutzen und umgedreht: Die drei D's müssen sich gegenseitig stärken,« d.h. Defence, diplomacy, development – Verteidigung, Diplomatie und Entwicklung.(2)

Die Grundlage für diese Strategie wird im Buch »Macht im XXI. Jahrhundert – Politische Strategien für ein neues Zeitalter« von Joseph S. Nye, Juni 2011 (Professor an der Kennedy School of Gouvernement, Havard University) entwickelt. Nye charakterisiert die »smart power« folgendermaßen:

»Intelligente Macht ist die Kombination aus >harter< mit Zuckerbrot und Peitsche operierender Macht (hard power) und >sanfter< auf Überzeugungsarbeit und Attraktion setzender Macht (soft power).«(3)


Entsprechend der Doktrin wurden neue Prioritäten festgeschrieben:
Sicherung des freien Zugangs zu den internationalen Märkten und zu den Energiequellen in Zusammenarbeit mit den entsprechenden nationalen Kräften.
Denjenigen Ländern, deren nationale Souveränität in Gefahr ist, muss umgehend Hilfe gewährt werden, besonders aber Ländern, in denen instabile politische Verhältnisse herrschen.
Gezielt werden gemeinsame Manöver, auch Seemanöver, als Antiterroroperationen realisiert, Friedenseinsätze durchgeführt und humanitäre Hilfe geleistet.
Hilfe und Unterstützung werden vor allem für »sichere und demokratisch gewählte Regierungen« vorgesehen.


Diese von Hillary Clinton bezeichnete »smart power« zielte auf die Aufrechterhaltung des Führungsanspruches der USA und ihrer »Verantwortung« für die globale Sicherheit. Teil dieser Strategie ist es, sich auf regionale Mächte zu orientieren, um über den Weg der »Partnerschaft« einen kooperativen Führungsanspruch durchzusetzen. Dazu gehörte eine stärkere Fokussierung auf Schlüsselbereiche wie Landwirtschaft, Gesundheitswesen, Sicherheit, Bildung, Energie und »good governance«.

Verbreitet war in Lateinamerika die Auffassung, dass die USA mit den Kriegen im Irak und in Afghanistan Lateinamerika nicht die Aufmerksamkeit schenken konnten, die sie sonst dem Kontinent widmeten. Dieser Auffassung wird von vielen widersprochen. Denn die USA betrachten Lateinamerika nach wie vor als ihre strategische Reserve – besonders in der Auseinandersetzung mit neuen Konkurrenten wie China wie es das Dokument Santa Fé deutlich zum Ausdruck bringt.

Was die USA vor allem beunruhigte, ist die Stärke und Entwicklung emanzipatorischer Bewegungen. Auch in dieser Hinsicht war eine Politik der »smart power« eine konkrete Möglichkeit, sich gegenüber den linksorientierten Regierungen besser ins Spiel zu bringen. Diesen Aspekt greift der argentinische Nobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel auf und sagt, »die aktuell regierenden Linksregierungen in Lateinamerika stellen nicht die Hauptsorge des Imperiums dar. Vielmehr ist es die Idee der Einheit, die sie herstellen können: Das Phantastische eines strategischen Projekts für Lateinamerika.«(4)

Mit dem Slogan: »Wir sind alle Amerikaner« trat Barack Obama während seiner Südamerika-Reise in Santiago de Chile im März 2011 auf. Den Ländern Lateinamerikas offerierte er die Idee einer »Partnerschaft des Wachstums«. Im Oktober 2012 veröffentlichte die Obama-Administration die »Die Verteidigungspolitik für die westliche Hemisphäre«(5), die der Leitfaden für die Neubestimmung der Politik – auch gegenüber Lateinamerika – war. In politisch veränderter Situation strebten die USA nach Allianzen, die der »Sicherheit aller Partner dienen.« Der Erfolg für das Erreichen der Sicherheitsziele wird durch eine straffe und ausgewogene Führung seitens der USA gewährleistet. Die USA fordern alle Partner auf, mehr Verantwortung im Sinne »gemeinsamer Werte« zu übernehmen.

Ausdruck dieses Sinneswandels, der während der Obama-Administration vollzogen wurde, war die X. Konferenz der Verteidigungsminister im Oktober 2012 in Punta des Este (Uruguay). Der Sekretär für Verteidigung der USA, Penetta, hatte am Vorabend der Konferenz das Dokument »Verteidigungspolitik für die westliche Hemisphäre« verbreiten lassen, in dem neben Militäreinsätzen in Notsituationen (z.B. die Erdbebenkatastrophe in Haiti) vorgeschlagen wurde, dass »die militärischen Institutionen der Hemisphäre ihre Kapazitäten und ihre Kooperation verstärken« und »die Beziehungen der Militärs untereinander zum Wohle der Allgemeinheit genutzt werden«. Offenkundig wurde damit die Absicht verfolgt, Abkommen direkt mit den bewaffneten Kräften einzelner Länder abzuschließen.

Die Mehrheit der Minister der lateinamerikanischen Länder lehnte dieses Ansinnen ab. Hinzu kam, dass Länder der ALBA (Venezuela, Bolivien, Ecuador und Nikaragua) beschlossen hatten, aus dem TIAR-Vertrag auszuscheiden. Sie begründeten diesen Schritt mit der Unterstützung, die die USA im Malvinen-Konflikt Großbritannien als fremder Macht und nicht Argentinien gegeben hatten.(6)

In einer Rede in der Militärhochschule Brasiliens, der Escolar Superior de Guerra, hob Panetta dazu fünf Aspekte einer Zusammenarbeit – auch mit Brasilien – hervor:

- Schaffung kleiner aber beweglicher, technisch hoch ausgerüsteter Truppen,
- Als Schwerpunkt der Aktivitäten bezeichnete er die Region des Pazifischen Ozeans,
- Aufbau von Verteidigungsallianzen, die in der Lage sind, jeden Gegner zu bezwingen, Investitionen in neue Techniken und Verteidigung des Cyberraumes.

Panetta legte damit ein Programm vor, dass lateinamerikanische Partner, bes. aber Brasilien, aufforderte, sich dieser Strategie anzuschließen.

Die neue Strategie stellte ein Abgehen von der bisherigen subversiven Vorgehensweise und einen Übergang zu einer »intelligenten Politik« dar, die zu allererst darauf ausgerichtet war, Länder, in denen post-neoliberale Politik realisiert wurde, zu neutralisieren und den Einfluss Brasiliens als aufkommende Regionalmacht einzudämmen.(7)

Die Gründung der »Pazifischen Allianz« - Kolumbien als Zentrum des USA-Einflusses in Lateinamerika

Als Gegengewicht zu den Integrationsbestrebungen, forciert von Brasilien und Argentinien, wurde im April 2011 die »Pazifische Allianz« (»Allianza del Pazifico«) gegründet, der mit Abschluss des »Pazifischen Vertrages« am 6.6.2012 Mexico, Kolumbien, Perú und Chile angehören. In Erklärungen von Vertretern Perus und Kolumbien wurde deutlich, dass vor allem ein Gegengewicht zu Brasilien geschaffen werden sollte.

Besondere Bedeutung für die USA hat Kolumbien. Im Rahmen des Planes Colombia wurde es zum Zentrum US-amerikanischer Positionen in Lateinamerika ausgebaut. Über Kolumbien werden Waffenkäufe in lateinamerikanische Länder realisiert.

Faktisch existierten in Lateinamerika zwei sich gegenüberstehende Blöcke, einmal Brasilien, Argentinien, Venezuela, Bolivien und zum anderen Mexiko, Chile, Kolumbien und Peru unter Führung der USA.

In Lateinamerika wurden schon vor der Absicht Kolumbiens seine Zusammenarbeit mit der NATO zu formalisieren, Bestrebungen der USA aufmerksam beobachtet, den Einflussbereich der NATO zu erweitern. Brasilien reagierte energisch gegen die auf der NATO-Tagung im November 2010 getroffene Feststellung, dass die NATO sich zu einer weltweit agierenden Militärallianz entwickelt habe. Der Verteidigungsminister Brasiliens Nelson Jobim machte im September 2012 klar, dass der Südatlantik eine »geostrategische Zone vitalen Interesses Brasiliens ist« und forderte, eine klare Abgrenzung der Angelegenheiten des Nordatlantikpaktes von denen des Südens. Das bedeutete, eine klare Ablehnung möglichen militärischen Eingreifens der NATO im Südatlantik.(8) Jobim machte klar, dass Brasilien für die USA nicht Partner sein kann, um deren Rolle in der Welt abzusichern. Welche Ironie der Geschichte nach dem Wahlsieg Bolsonaros!

Die Trump-Administration:
Von der »smart power« zur »hard (stupid) power«


Das Panorama, das sich Trump 2017 in Lateinamerika darbot, stellte für ihn keine größere Herausforderung dar. Während des Wahlkampfes erwähnte er es nicht einmal. Nur hinsichtlich des Baus einer Mauer zu Mexiko gab er Wahlversprechen ab. Seine Hauptsorge galt vielmehr dem Aufkommen Chinas, womit er in Lateinamerika in aller erster Linie konfrontiert wird.

Mit seinem Amtsantritt zeichnete sich eine Kontinuität der Politik der neuen US-Administration gegenüber Lateinamerika ab. Allerdings gibt es neue Akzente. Die von Trump postulierte protektionistische Politik richtete sich v.a. Gegen das Nachbarland Mexiko. Besonders aber interessiert die Trump-Administration das Verhältnis USA zu Kuba, Venezuela und Nikaragua.

In seinem Buch »Zwischen zwei Zeiten – Die Rolle der USA in der digitalen Ära« (Between to Ages) schreibt Brzezinski, dass die Zeit der Neuausbalancierung der Welt gekommen und eine neue politische globale Ordnung eines trilateralen wirtschaftlichen Zusammenschlusses zwischen Japan, Europa und den USA erforderlich sind.(9) Trumps Politikansätze weisen auf eine Vertiefung der kapitalistischen Globalisierung in einer Situation der Schwächung des Systems und auf Umverteilung und Neuformierung der Kräfte hin.

Lateinamerikanische Kommentatoren gehen in ihrer Analyse der Politik der neuen US-Administration gegenüber Lateinamerika von einem direkten Einfluss einiger von Brzezinski vertretenen Thesen, u.a. der des »konstruktiven Chaos« aus.(10) Für Brzezinski hat Mexiko große interne Problemedie beunruhigende Dimensionen erreichten. Beispielhaft bezieht er sich auf den im Lande seit 2006 tobenden Drogenkrieg, wodurch das Land einem »failed state« gleicht, d.h. Sich im Zustand eines »konstruktiven Chaos« befindet. Es bestehe so die Gefahr von starken anti-USA-Bewegungen und damit die Notwendigkeit, Mexiko stärker unter Kontrolle zu nehmen.(11)

Die Entwicklung in Venezuela – betrachtet unter diesen Gesichtspunkten – erinnert stark an die Durchsetzung dieses Konzeptes. Die politische Instabilität bietet die Möglichkeit, dieses »konstruktive Chaos« auszunutzen.

Gemessen an der von Trump gewählten Sprache, seiner politischen Auslassungen und seiner politischen Maßnahmen spricht der kubanische Historiker Elier Ramirez Canedo von einem Übergang von der »smart power«-Politik zur »hard power« oder »stupid power« Politik Trumps.(12)

Hinsichtlich Lateinamerikas können so drei Schwerpunkte hervorgehoben werden:

- Erstens geht es um die Aufrechterhaltung der Kontrolle über die Region, besonders der neoliberal-konservativ orientierten Regierungen und der Isolierung unbotmäßiger Regierungen wie die Kubas. Venezuelas und anderer.

- Eine zweite Kontrolle über Naturressourcen, besonders der energetischen. Hier sind die Ereignisse in Venezuela einzuordnen, das schon Präsident Obama als »Gefahr für die Sicherheit der USA« einstufte: Regimewechsel in Venezuela und Versuch der Verdrängung von Konkurrenten wie China und Russland bes. aus dem Erdölsektor.

- Die dritte Achse ist eine Fortführung bisheriger Politik und weist auf die Vertiefung der militärischen Präsenz der USA in der Region und der militärischen Zusammenarbeit mit den lateinamerikanischen Staaten, die unter dem Vorwand des »Kampfes gegen die Drogen« vorwiegend Waffenkäufe in den USA tätigen.

Vorgehen der Trump-Administration gegen einzelne Länder

Ein aktueller Blick auf Lateinamerika macht deutlich, dass v.a. Folgen für die Wirtschaft und den Außenhandel, die Haltung der USA zu Migranten, die politische Instabilität in Venezuela, der weiteren Entwicklung der Beziehungen der USA zu Kuba, die Weiterführung (oder Blockierung durch den gegenwärtigen Präsidenten (Ivan Duque) der Friedensprozess in Kolumbien und das Drogenproblem im Fokus der US-Politik stehen werden.

Mexiko

Zwischen den USA und Mexiko existieren intensive Beziehungen. Mexiko ist ein wichtiger Handelspartner der USA: Der Handelsvolumen liegt bei 352 Mrd. US$, 64% der mexikanischen Exporte gehen in die USA, somit nehmen sie den ersten Platz im Außenhandel Mexikos ein.(13)

Für Trump war der NAFTA-Vertrag »der schlechteste Freihandelsvertrag, den die USA jemals hatten«(14) und die Migration Teil der Probleme, die die USA belasten.

Für Mexiko, seit 1992 Mitglied des Freihandelsvertrages Nordamerikas (NAFTA – USA, Kanda, Mexiko), beweisen wirtschaftliche Indikatoren, dass der Vertrag in Wesentlichen negative Auswirkungen aufweist: kein Industrialisierungseffekt, billige Arbeitskräfte, Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion und Exportplattform für die USA. Der sogenannte industrielle Sektor der »maquiladores« nutzt die billige mexikanische Arbeitskraft zur Montage von Pkw und anderen Industrieerzeugnissen, bestimmt für den amerikanischen Markt. Sie machen ca. 60% des Exportes in die USA aus. Beschäftigt sind in diesem prekären Wirtschaftssektor ca. 2,65 Mio. Menschen.(15)

Der neue Vertrag (Tratado entre México, Estados Unidos y Canadá – T-MEC) wurde mit Vorbehalten Kanadas am 30.11.2018 unterschrieben und tritt nach Bestätigung durch die jeweiligen Parlamente Anfang 2020 in Kraft. Zu beachten ist, dann nach langen Verhandlungen noch vor der Neuwahl des Präsidenten Ende 2018 in Mexiko der Vertrag zustande kam. Drei wesentliche Veränderungen gegenüber dem NAFTA-Vertrag sind zu beachten: Erstens richtet der Vertrag sich gegen China und Kuba. Denn er verbietet Handelsabschlüsse mit Ländern, die nicht zu diesem Markt gehören. (China ist ein wesentlicher Handelspartner Mexikos. Zwischen Kuba und Mexiko wird ein lebhafter Austausch realisiert.)

Zweitens bleibt der Dollar zwischen den Vertragspartnern Zahlungsmittel als internationale Währungsreserve, d.h. Verboten ist die Anwendung anderer Währungen. Und drittens werden Fragen des geistigen Eigentums und Autorenrechte neu ausgerichtet.(16)

Damit haben die USA ihre Interessen und wirtschaftlichen Ziele durchgesetzt und Mexiko den geopolitischen Erfordernissen der USA untergeordnet.

Beziehungen zu Kuba

Die Ende 2015 durch Präsident Obama vollzogene Annäherung der USA zu Kuba.

(Aufnahme diplomatischer Beziehungen nach mehrjähriger Unterbrechung ohne Rücknahme des vom US-Kongress 1996 verabschiedete Embargo-Gesetz, bekannt als HelmsBurtonAct) wurde im Wesentlichen durch Trump zurückgenommen. Donald Trump hatte die Ablehnung der Politik Obamas gegenüber Kuba als »schandhafte Annäherung an die Tyrannen« bezeichnet und erklärt, dass »wir das Recht der Kubaner unterstützen, sich vom Kommunismus zu befreien.«(17)

Der Minister Steven Mnuchin verkündete Veränderungen bei der Kontrolle über kubanische Aktive, wodurch an kubanische Militärs und Sicherheitsleute keine US-Dollar ausgegeben werden dürfen. Untersagt werden Dienstleistungen für Besuche, Studienreisen, Bank- und Handelsgeschäfte. In Kraft gesetzt werden die Absätze III und IV des Helms Burton Gesetzes, die die wirtschaftliche Blockade gegen die kubanisch Regierung auszudehnen.(18)

Offensichtlich sind aktive Bemühungen bestimmter US-Organisationen wie z.B. des »Demokratie-Institutes« National Endowment for Democracy (NED) in Kuba Fuß zu fassen. Dieses Institut realisiert dreißig Projekte mit unterschiedlichen kubanischen Organisationen aus Kultur, Politik, Religion, Bildung usw., die vor allem auf die Teilnahme Jugendlicher und die Finanzierung antikubanischer Organisationen ausgerichtet sind. Über diese Aktivitäten wird versucht, Einfluss auf soziale und politische Entwicklungen in Kuba Einfluss zu nehmen.(19)

Wesentlich beunruhigt sind die USA wegen der Unterstützung, die Kuba der Regierung Maduro gewährt. Trump twitterte im Mai 2019 nach dem gescheiterten Putschversuch in Venezuela, dass, wenn Kuba seine Militärs aus Kuba abzieht, die USA bereit wären, eine wirtschaftliche Öffnung gegenüber Kuba zu realisieren.(20)

Venezuela im Focus der Trump-Administration

Die Auseinandersetzungen zwischen den USA und Venezuela unter Präsident Chavez begannen schon unter US-Präsident Obama. Präsident Trump verschärfte sie 2017: Verbot von Transaktionen der PDVSA (venezolanische staatliche Erdölgesellschaft), von Überweisungen der Citgo (1986 von PDVSA gekaufte amerikanische Erdölgesellschaft) nach Venezuela, der Realisierung von Geschäften mit der PDVSA und des Handels mit der venezolanischen Währung. Im Gegenzug wies Präsident Maduro den US-Geschäftsträger aus und brach im Januar 2018 die diplomatischen Beziehungen zu den USA ab.

Weitere US-Sanktionen, vor allem die Blockierung des Eigentums von PDVSA/Citgo in den USA, folgten. Die Erlöse aus dem Export von täglich 600.000 Barrel Erdöl in die USA, die einen Jahresumsatz von 11 Milliarden Dollar ausmachten, müssen auf ein Sperrkonto einbezahlt werden. Das sind 75 bis 80 Prozent der Deviseneinnahmen des Unternehmens. Die volkswirtschaftlichen Verluste der Sanktionen belaufen sich nach b des Centro Estrátegico Latinoamericano de Geopolitica (CELAG) auf 350 Mrd. US$ zwischen 2013 und 2018.(21)

Eine Eskalation erfuhr der Konfrikt, als sich der Abgeordnete Juan Guaidó(22) der rechten Partei »Voluntad Popular« am 23. Januar 2019 als gewählter Präsident der Nationalversammlung zum Präsidenten Venezuelas ausrief, die von Präsident Maduro faktisch über die Einberufung einer Verfassungsgebenden Versammlung (ANC) ausgeschaltet wurde. Diese Selbstproklamation wurde seitens der USA genutzt, Guaidó als Präsident Venezuelas anzuerkennen. Dem folgten die EU, die BRD und eine Mehrheit der lateinamerikanischen Staaten , was als Einmischung in die inneren Angelegenheiten Venezuelas betrachtet wird. Teile der venezolanischen Opposition wurden von diesem Schritt überrascht.

Aufrufe Guaidós an die Adresse der venezolanischen Armee, dem Präsidenten Maduro die Unterstützung zu entziehen, scheiterten. Das erschwert eine militärische Option. Mit der Ernennung von Elliott Abrams zum Beauftragten für Venezuela trat eine Person in Erscheinung, die sich in Putschangelegenheiten in Lateinamerika auskennt. Er passt in das Konzept der psychologischen Kriegsführung des US-Sicherheitssekretärs John Bolton. Der Versuch, »humanitäre Hilfe« über die Grenzen Kolumbiens und Brasiliens zu bringen, scheiterte als politische Provokation, wie auch der Versuch des US-Vizepräsidenten Pence in Bogotá, die Lima-Gruppe zu einer militärischen Option zu veranlassen.

Die Rebellion, die der selbsternannte venezolanische Präsident Juan Guaidó am Morgen des 30. April ausrief, war eine mit den USA abgesprochene Aktion »Operation Befreiung«. John Bolton erklärte öffentlich, dass sowohl der venezolanische Verteidigungsminister Vladimir Padrino wie auch der Oberste Staatsanwalt Maikel Moreno und der Kommandant der Nationalgarde Rafael Hernández Dala beteiligt sind und Präsident Nicolás Maduro ablösen wollen.(23)

Die Rebellion scheiterte. Ein weiterer Versuch, auf gewaltsamen Wege eine Entscheidung im Machtkampf mit Maduro herbeizuführen, endete ergebnislos. Der britische »Guardian« schlussfolgerte, dass diese Aktion voreilig gestartet wurde und ihr die Massenunterstützung fehlte.(24)

Guaidó sprach sich wiederholt für eine militärische Intervention der USA in Venezuela aus. US-amerikanische Quellen bezeichnen Guaidó als von der CIA langjährig aufgebauten Politiker. Die politische Zielsetzung Guaidós besteht nicht in der Stabilisierung der Verhältnisse in Venezuela oder in einem Dialog mit der Gegenseite, sondern in der Destabilisierung der Lage und der Herbeiführung eines Regimewechsels, unterstützt von der Lima-Gruppe (nun PROSUR) und den USA. Nach und nach setzt sich die Erkenntnis durch, dass der Regimewechsel trotz vielfältiger Versuche nicht schnell realisiert werden konnte. Damit verliert Guaidó besonders unter den oppositionellen Kräften an Zustimmung.

Die Auseinandersetzungen um die Macht in Venezuela sind vorerst verschoben. Eine friedliche Lösung ist nur über Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition möglich. Eine inzwischen existierende Bürgerplattform zur Verteidigung der Verfassung sucht einen Ausweg durch internationale Vermittlung, da sowohl die UNO wie auch die Regierungen Mexikos und Uruguays zu Vermittlungsgesprächen bereit sind.

Nach zwei Jahren Trump-Administration zeichnen sich zwei skizzierte Tendenzen der US-Politik gegenüber Lateinamerika ab: Druck auf die Regime, die die »Sicherheit der Vereinigten Staaten bedrohen«und jedwede Unterstützung, bzw. Partnerschaft mit rechtsgerichteten Regierungen wie die Bolsonaros in Brasilien. Gleichzeitig kommt die Trump-Administration den politischen und militärischen Positionen unterschiedlicher Interessensgruppen, v.a. Des bürokratisch-militärischen Apparates, und der starken Vertretung der Erdöllobby (u.a. Rick Perry, Scott Pruit) in verschiedenen Regierungspositionen entgegen.

Die Losung Trumps »Machen wir Amerika groß« erinnert die Lateinamerikaner an ihre historischen Erfahrungen mit der Politik des »Big stick« und der Monroe-Doktrin »Amerika den Amerikanern«. Eine neue Periode politischer Destabilisierung und ökonomischer Probleme für die Mehrheit der Menschen ist nicht auszuschließen. Für die USA wird Lateinamerika im Hinblick auf die weltweit existierenden Konflikte, auf die die Trump-Administration reagieren muss und wird, eine bedeutende Rolle spielen. Als Hinterhof (»patio traseiro«) hatte Lateinamerika, historisch betrachtet, immer eine außerordentliche Bedeutung für die USA, d.h. Es war immer Hinterland, Rohstofflieferant, dem US-Kapital untergeordnet, politisch abhängig und quasi eine »friedensberuhigte Zone«. Der arentinische Ökonom Claudio Katz schätzt ein, dass die Auswirkungen der Politik Trumps im Allgemeinen und im Besonderen für Lateinamerika erheblich sein werden.(23)

Die neokonservative Offensive und die Beziehungen zu China

Im Unterschied zum Präsidenten haben seine direkten Helfer Vice Pence und Außenminister Pompeo zusammen mehr als fünfzehn Reisen nach Lateinamerika unternommen. Ihr Hauptanliegen bestand in der Formierung einer Front gegen Venezuela und dem Ausbau der neoliberalen/neokonservativen Gruppierung mit Argentinien, Brasilien und Kolumbien im Rahmen der im März 2019 gegründeten PROSUR (Foro para el Progreso del Sur), die ab 2011 als Pazifische Allianz und später als Lima-Gruppe existierte. Sie repräsentiert nun auf ihre Art den Zusammenschluss der konservativen Kräfte in Lateinamerika. Aus den Integrationsprojekten UNASUR und CELAG sind diese Länder ausgeschieden oder haben ihre Mitgliedschaft einschlafen lassen.

Mit dem Ausbau der militärischen Präsenz streben die USA danach die Kontrolle über die Erdölreserven in Lateinamerika und im Atlantik auszuüben. Besonderer Schwerpunkt liegt – auch mit dem Entgegenkommen der Regierung Bolsonaro – auf den großen Pre-Salt-Reserven, die Anfang des Jahrhunderts vor der brasilianischen Atlantikküste entdeckt wurden. Ausgeschaltet wird auf der Basis der Privatisierung großer Unternehmen durch den Finanzminister der Bolsonaro-Regierung, den Chicago-Boy Paulo Guedes, das brasilianische halbstaatliche Unternehmen PETROBAS. Erreicht wird damit auch die Unterordnung Brasiliens unter die USA-Politik.

Ein besonderer Schwerpunkt in den zukünftigen Beziehungen zu den USA ergibt sich aus der Präsenz Chinas und Russlands im »Hinterhof« der USA. Diese werden in den USA als Gefahr für ihre nationale Sicherheit angesehen.

Ausgehend von den Fakten, die China in Lateinamerika geschaffen hat, ist zu vermuten, dass Präsident Trump entsprechend seiner Ankündigungen im Wahlkampf und danach eine Offensive gegen die Präsenz Chinas in Lateinamerika einleiten wird.

Verschärft sich die Politik Trumps in Bezug auf China, werden für eine Reihe Länder erhebliche Probleme entstehen. Ein wesentlicher Teil des lateinamerikanischen Wirtschaftssektors hält eine Vertiefung der Beziehungen zu den asiatischen Ländern, besonders China, für erforderlich. Das Gleiche gilt in Bezug auf eine Annäherung an das chinesische Projekt der Asien-Gemeinschaft und die Aufrechterhaltung der Beziehungen zu den BRICS-Staaten. Unter diesen Gesichtspunkten wird sich die Auseinandersetzung zwischen den USA und China im Wesentlichen um die entscheidenden Positionen in Lateinamerika und im pazifischen Raum drehen.

1) Ana Esther Ceñena, América Latina en la goepolitica del poder, in Alternatives Sud: Les dessous de l_ALCA, vol. X, nùm. 1. Paris: CETRI-L'Harmattan, S. 35-53.

2) Rede Hillary Clinton vor dem Center fpr Global Development, 1.6.2010

3) Josef S.Nye, »Macht im XXI. Jahrhundert – Politische Strategien für ein neues Zeitalter«, Juni 2011

4) Zitiert nach Argenpress, Hay algo nuevo en la relación Estados Unidos-América Latina?, 7.2.2012

5) »Die Verteidigungspolitik für die westliche Hemisphäre«, Oktober 2012, veröffentlicht vom Department of Defense.

6) AFP, 6/10/2012, »Continente depatirá pertinencia des sistema interamericano de defensa«.

7) Raul Zibechi im Interview mit Hector Moncayo, Cetri vom 29.11.2012

8) www.defensanet.com.br/dn/17SET10htm

9) www.alainet.org/es/articulao/184502, Germán Gorraiz López, »EEUU y el Nueov Orden Mundial der Brzezinski«, 10.1.2017

10) Konzept Zbiegniew Brzezinskis: besagt Schaffung von Instabilität, verstärkter Gewalt und chaotischen politischen Zustandes, d.h. Balkanisierung.

11) Foreign Policy (Jan.-Feb. 2012) »After America«

12) www.alainet.org/es/print/183018

13) www.alainet.org/es/print/182958, Trump y América Latina, Alexander Main, (Center for Economic and Policy Research, CEPR), 13.1.2017

14) https://www.alainet.org/es/articulo/195945?utm_source=email8utm_campaign=alai=amlatina

15) www.alainet.org/es/node/182768, 2017 nao será fácil para a direita neoliberal, 20.1.2017

16) ebenda

17) www.alainet.org/es/print/183018, »El gobierno temporal de Donald Trump: Una redoblada amenaza para Nuestra América«, Luis Suárez Salazar, Habana, 20.1.2017

18) https://www.telesurtv.net/news/eeuu-bloqueo-cuba-sanciones-20190604-0019.hetml?utm_surce=planisys(utm_medium=NewsletterEspa%C3%B1ol8utm_campaign=NewsletterEspa%C3%ol8utm_content=10

19) https://www.alainet.org/es/articulo/197671

20) https://www.voltairenet.org/article206426.html

21) https://www.celac.org/sanciones-a-pdvsa-el-lobby-petrolero-estadounidense/7utm_source=CELAG+Newsletter8utm_campaign=b10897d86e-EMAIL_CAMPAIGN_2019_02_06_02_29_COPY01(utm_medium=email8utm_term=0_bde750773e-b10897d86e-52934763

22) https://www.elciuddano.cl/politica/guaido-fue-entrenado-por-eeuu-en-tecnicas-para-desestabilizar-gobiernos/02/06#ixzz5fgGNrUqK

23) https://outraspalavras.net/blog/venezuela-a-extrema-direita-perde-mais-uma/

24) htpps://theguardian.com/world/2019/feb/06/leopoldo-lopez-venezuelan-elite-opposition-guaido

25) Claudio Katz: »El Tormentoso Debut de Trump«, Katz%20Trump%2001_17.pdf, 2.2.2017


Marxistische Blätter Achim Wahl,
Berlin, Lateinamerikanist, Büroleiter der RLS in Brasilien von 2001-2004

Marxistische Blätter, 4-2019