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Nachrichten aus und über Kuba


Nachrichten, Berichte, Reportagen zu aktuellen Entwicklungen, Hintergründen und Ereignissen in Kuba, internationale Beziehungen und der Solidarität mit Kuba.


Der unerklärte Krieg gegen Cuba

Warum im Kampf gegen die Revolution »alle Mittel erlaubt« sind

In der BRD sterben laut statistischem Bundesamt jährlich rund 4.000, weltweit 12,2 Mio. Menschen bei Verkehrsunfällen. Obwohl diese Zahlen gelegentlich Anlass dafür bieten, vor allem in den Industrieländern den anachronistischen Individualverkehr in Zweifel zu ziehen, so wird der Sturz des Kapitalismus aus diesen Beweggründen eher selten gefordert. Schon gar nicht von den großen Massenmedien, die gute Einnahmen mit ganzseitigen Anzeigen aus der Autoindustrie erzielen.

Ganz anders im Falle Cubas:

Die dortige Nachrichtenagentur acn zählte allein für den Zeitraum vom 22. bis 31. Juli »mehr als 900 Artikel in der Presse und 120.000 in sozialen Netzwerken« (1) zu einem einzigen Unfall mit Todesfolge auf der Insel. Was war geschehen?

In einer ausführlichen Bekanntmachung des cubanischen Innenministeriums, veröffentlicht in der Tageszeitung Grannma vom 28.07. (1), wurde mitgeteilt, dass ein Pkw, der Havanna gegen 6:00 Uhr in Richtung Santiago de Cuba verlassen hatte, auf der Landstraße Bayamo – Las Tunas in der Nähe von Las Gabinas/Provinz Granma einen Unfall mit Todesfolge hatte. Die ermittelnden Verkehrssachverständigen und Kriminalisten fanden unter Hinzuziehung von Augenzeugenberichten schnell heraus, dass das Fahrzeug auf einem Straßenabschnitt, bei dem 60 km/h erlaubt sind, mit rund 120 km/h unterwegs gewesen sein muss. Beim Versuch, auf der Schotterstrecke einem Schlagloch durch Vollbremsung auszuweichen, kam der Wagen ins Schleudern und prallte gegen einen Baum.

Insassen waren die cubanischen Staatsbürger Oswaldo José Payá Sardiñas und Harold Cepero Escalante, der Spanier Ángel Francisco Carromero Barrios sowie der Schwede Jens Aron Modig. Die beiden Cubaner, die im Fond gesessen hatten und nicht angeschnallt waren, starben; die beiden Europäer überlebten verletzt.
Die Identität der Beteiligten macht die sofort einsetzende weltweite Medienkampagne erklärlich.

Payá war ein am Gängelband der EU, von der er 2002 den »Sacharow-Preis« erhalten hatte, agierender Konterrevolutionär. Er hatte mit Hilfe und unter Anleitung vor allem der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS / CDU) eine Gruppierung namens »Christliche Befreiungsbewegung« gegründet. Wes Geistes Kind war dieser Oswaldo Payá? In einem junge Welt (jW) - Interview vom 22../23.06.2002 äußerte er sich zur angestrebten kapitalistischen Zukunft Cubas ganz im Sinne seiner Auftraggeber:

»Frage: Wie sollte der Privatbesitz künftig geregelt sein?
Antwort: Unternehmensfreiheit ist ein wichtiges Thema, obwohl die Extreme, zu denen sie führen kann, vermieden werden sollten. Die fehlende Unternehmensfreiheit ist derzeit ein Hauptgrund für die Armut auf Kuba.
F: Nicht etwa die US-Blockade?
A: Die Blockade schafft natürlich Probleme, aber sie bietet der Regierung die Möglichkeit, ihre eigene Position zu festigen.«


Noch offener positionierte er sich in einem von ihm selbst verfassten Beitrag (»Hoffnung säen inmitten von Lügen«) im Feuilleton der großbürgerlichen »Neuen Zürcher Zeitung« vom 05./06.08.2006. In Bezug auf Demonstrationen cubanischer Bürger gegen seine konterrevolutionäre Tätigkeit schrieb er:

»Das sind Mittel des Terrors, die im selben Stil von Faschisten und Kommunisten angewendet werden. Darin sind sich die Pogrome der Nazis gegen die Juden und die „Akte des Verstossens“ und die „Festivals des Terrors“ gegen die Dissidenten gleich. Ich entschuldige mich nicht für diese Worte, obwohl ich weiss, dass es in gewissen künstlerischen, politischen und intellektuellen Kreisen als geschmacklos angesehen wird, vom Terror und von den Verbrechen des Kommunismus zu sprechen.«

Das zweite Todesopfer Cepero Escalante gehörte ebenfalls zu diesem Verein.
ángel Francisco Carromero Barrios ist Vizepräsident der Jugendorganisation der postfranquistischen PP, »Neue Generation«. Jens Aron Modig ist Chef der Jugendorganisation der schwedischen Kristdemokraterna, auf deren ganz rechtem Flügel er sich bewegt.

Beide waren unter Vorspiegelung falscher Tatsachen mit Touristenvisa eingereist, hatten aber laut acn vom 31.07.2012 (1) nachgewiesenermaßen den Auftrag, Geld einzuführen (4.000 Euro) und die Payá-Organisation bei der Gründung einer Jugendorganisation zu beraten.

Entgegen all dieser Fakten entfesselten die Konzernmedien eine weltweite Lügenkampagne. Sofort wurden Gerüchte gestreut, wonach »ein zweiter Wagen« involviert gewesen sei. Die »cubanische Staatssicherheit« habe ihre Hand im Spiel gehabt. Zur Dramatisierung wurde Payá posthum befördert, bspw. durch die NRZ, die in einer Kurzmeldung am 24.07. schrieb »Payá galt als aussichtsreicher Anwärter auf das Präsidentamt nach dem Ende der Diktatur«.

»Welt online« veröffentlichte am 28.07. gar einen Leitartikel, in dem zunächst der Unfall mit einem Fragezeichen versehen wurde. Lobend erwähnt wurden der KAS-Vorsitzende Pöttering und namentlich nicht genannte Kreise »in Madrid und Washington«, die allesamt »lobende Worte« für Payá gefunden hätten. Nur die Mehrheit der lateinamerikanischen Regierungen hätten nicht gespurt und sich für die anticubanische Hetzkampagne hergegeben, was den Zorn der Autorin Hildegard Stasberg entflammte, die dabei jede Zurückhaltung fallen lässt: »In Argentinien schwieg die Regierung ebenso wie die in Brasilien. Im Falle von Dilma Rousseff muss dies besonders verwundern: Als es im größten Land Lateinamerikas ab der zweiten Hälfte der Sechzigerjahre des letzten Jahrhunderts unter den Militärregierungen zu schlimmen Menschrechtsverletzungen kam, war es die Solidarität des westlichen Auslands, die der dort bedrängten Opposition Erleichterungen verschaffte - und damit die demokratische Öffnung mit befördern half. Das passive Verhalten der quot;fortschrittlichenquot; lateinamerikanischen Linken zur Lage der Freiheit und Menschenrechte auf Kuba ist bedrückend: absolutes Schweigen auf breiter Font.« (2)

Da wird en passent der cubanische Sozialismus mit der mörderischen Militärdiktatur in Brasilien (1964 – 1985), die vom »westlichen Ausland« explizit gestützt und nicht etwa gestürzt (!) worden ist, gleichgesetzt.

Da ist es folgerichtig, dass in der Einleitung in Anlehnung an den »arabischen Frühling« suggestiv gefragt wird »Kann Twitter helfen?«

Auf diesen Zusammenhang verweist auch ein überraschend sachlicher Artikel der BBC News/Havanna (3). Nachdem konstatiert wird, dass Modig zugegeben habe, bereits zwei Mal in Cuba eingereist zu sein, um »Mr. Payá Geld zu übergeben und mit jungen politischen Aktivisten "Erfahrungen zu teilen"«, hätten beide, er und der Fahrer, eingestanden, dass es tatsächlich ein Unfall gewesen sei und »ihr Fahrzeug nicht von der Straße gedrängt worden sei«.

Der Herausgeber des »International Journal of Cuban Studies«, Stephen Wilkinson, wird dann mit den Worten zitiert »Die Tatsache einer Konspiration durch den Rechtsflügel in Schweden und Spanien zu seiner (Payás, hwh) Unterstützung ist sehr signifikant. Es delegitimiert die Bewegung komplett (…)«

Unter Berücksichtigung des o.g. acn-Berichts vom 31.07. über eine ähnliche subversive Aktion von mexicanischen Jugendlichen, die anlässlich des Papstbesuches gewaltsame Provokation zu starten versucht hätten und dem Budget von 75 Milliarden US-Dollar für USAID und US-Außenministerium für subversive Aktionen in Cuba wird Verständnis für die cubanische Regierung geäußert. So, wie der Konflikt in Syrien wüte, sähe Cuba, wie durch ausländische Einmischung die staatliche Souveränität untergraben würde: Ein Aufstand, provoziert durch einflusshungrige westliche Mächte, ohne tatsächlichen internen Mißstand. BBC News/Havanna fährt fort: »Und erst letzte Woche warnte Präsident Raúl Castro selbst, dass "Gruppen", die von Cubas ideologischem Gegner, den USA, gesteuert würden, Provokationen in Cuba versuchen würden, "was in Libyen passiert ist und was sie jetzt in Syrien versuchen. Unsere Berufung ist friedlich", führte Mr. Castro aus, "aber wir werden unser Volk beschützen"«.

Von weniger Sachlichkeit waren aber nicht nur die Konzernmedien geprägt. Auch die »Sozialistische Tageszeitung neues deutschland« hat sich in dieser Angelegenheit nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Der für Nord-Süd-Fragen zuständige nd-Autor Martin Ling betitelte seinen Beitrag vom 25.07. mit »Spekulationen um den Unfall von Payá« und leistete nicht nur durch diese Überschrift eben solchen Spekulationen Vorschub. Der Autor moniert, dass (zu diesem Zeitpunkt!) die Informationen »in Kubas Medien kurz gehalten« seien und die Granma nur in »wenigen Zeilen« berichtet habe. Dafür schreibt er allerdings unter Berufung auf angebliche Aussagen der beiden Überlebenden, »dass ein anderes Fahrzeug den Mietwagen von Payá und seinen Mitreisenden von der Fahrbahn gedrängt hätte«. Diese Legende wird vom nd in einer Meldung unter dem Titel
»Kuba: Fahrer verursachte Todesfahrt« am 30.07. erneut verbreitet: »In Oppositionskreisen in Havanna hatten in den vergangenen Tagen Gerüchte kursiert, ein weiteres Fahrzeug sei in den Unfall bei Bayamo im Osten der Insel verwickelt gewesen.«

Diese ominösen »Oppositionskreise in Havanna« haben in der BRD ein eigenes Sprachrohr, nämlich die sog. »Internationale Gesellschaft für Menschenrechte - IGfM«. Diese hatte von Anfang an die Konzernmedien mit ihrer Lügenpropaganda beliefert. Bereits am 23.07. wurde von ihnen verbreitet, Payá sei »umgebracht« worden. Da dies selbst bei schlechtestem Willen nicht mehr haltbar ist, heißt es dort nun seit dem 02.08., der Todesfahrer Carromero, den nun gemäß den cubanischen Gesetzen ein Verfahren wegen fahrlässiger Tötung erwartet (1), sei »Faustpfand des Castro-Regimes«, also das eigentliche Opfer… Solche Unseriosität verwundert allerdings nicht. Zur sog. »IGfM« gibt es mittlerweile zahlreiche Literatur (1). Ergänzend sei an dieser Stelle der Journalist Otto Köhler zitiert, der diese Truppe im Rahmen einer Rezension des Films »Die Frau vom Checkpoint Charlie« in der jW vom 12.10.2007 treffend wie folgt charakterisiert:

»Menschenrechte für nahezu alle: Die IGFM – An der Wiege der IGFM stand das unverbrüchliche Bekenntnis zu den Menschenrechten für alle richtigen Menschen. Also nicht für Untermenschen wie Bolschewisten und Juden. 1972 wurde sie von Mitgliedern des Bundes Russischer Solidaristen (Narodno Trudowoi Sojus - NTS) gegründet. Die NTS orientierte sich, wie der Spiegel am 2. Juni 1950 lobte, an Gandhis Beispiel, indem sie Eisenbahnbrücken über die Oder und Neiße sprengten. Sie war nach der Russischen Revolution von Weißgardisten gegründet worden, um Rußland von Juden und Bolschewisten zu befreien und arbeitete im Zweiten Weltkrieg eng mit den deutschen Besatzungsbehörden im eroberten Teil der Sowjetunion zusammen. Die IGFM kämpfte für das Menschenrecht der Weißen auf Apartheid in Südafrika und gegen die Freilassung des Terroristen Nelson Mandela ebenso wie heute für die Menschenrechte der Ölkonzerne in Venezuela gegen das Chávez-Regime. In der Auseinandersetzung um das Menschenrecht auf Foltern („verpflichtende Nothilfe“) stand der IGFM-Geschäftsführer Karl Hafen an der Seite des Frankfurter Polizeipräsidenten Wolfgang Daschner. Zum Gründerkreis der deutschen Gesellschaft für Menschenrechte gehörte die Tochter des verstorbenen Bundestagspräsidenten Eugen Gerstenmaier, Cornelia, die sich nach einigen Jahren, als sie erkannte, wohin sie geraten war, von der IGFM trennte. Unentwegter Propagandist der IGFM war Gerhard Löwenthal (…)«

Die Funktion der »IGfM« besteht darin, hierzulande anticubanische Hetzkampagnen zu organisieren (1) und auf Cuba selbst die Contras mit Technik und Geld auszurüsten. Dies geht mit geheimdienstlichen Mitteln vonstatten, wie sie selbst zugeben. So bekannte der sich in reaktionären Kreisen bewegende Ansgar Graw in der »Welt-Reportage - Menschenrechte: Fidel Castros Kuba, Gulag in der Karibik« am 10.11.08: »Für die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) in Frankfurt am Main bin ich acht Tage auf Kuba unterwegs, getarnt als Tourist, um Bibliothekare, Bürgerrechtler, Dissidenten und Angehörige der mehr als 200 politischen Gefangenen aufzusuchen. Im Gepäck: Bücher, vor allem aber Medizin, Handys, Videokameras, ein Laptop und Geldspenden der IGFM.«(4)

Diese Agententätigkeit hat seiner Karriere nicht geschadet. Graw arbeitet laut »kress-Mediendienst« derzeit als »Senior Political Correspondent in Washington D.C. für die WELT-Gruppe«. Im Krieg dieser Bewußtseinsindustrie gegen das sozialistische Cuba werden die selbst propagierten und von den cubanischen Stellen eingeforderten Rechtsprinzipien ständig und systematisch außer Kraft gesetzt.

Da nun schon von Todesfällen und der Rolle des Staates und der Medien die Rede ist, werfen wir doch abschließend anhand zweier Beispiele einen Blick weiter nördlich.

In der jW vom 27.07. wurde eine afp-Meldung mit dem Titel »Kalifornien: Proteste gegen Polizeigewalt« veröffentlicht. Berichtet wurde über den Tod von zwei »mutmaßlichen Gangmitgliedern« und die darauf folgenden Proteste gegen Polizeigewalt in Anaheim. Weiter heißt es in dieser Meldung: »Manuel Diaz und Joel Acevedo waren am Wochenende erschossen worden. Die Mutter von Diaz sagte, die Polizisten hätten ihm in den Rücken geschossen. In der rund 50 Kilometer südlich von Los Angeles gelegenen 330.000-Einwohner-Stadt wurden in diesem Jahr bereits fünf Menschen von Polizisten erschossen.« Berichte in den weltweiten Konzernmedien suchte man vergeblich. Es blieb der Granma Internacional vorbehalten, in einem online-Artikel vom 02.08. (5) darüber zu berichten, dass bei den Protesten 150 Jugendliche von der US-Polizei verhaftet wurden. Man stelle sich nur für einen Moment vor, was die Konzernmedien veranstalten würden, gäbe es auch nur einen einzigen von der Polizei erschossenen Menschen auf Cuba…

Die Stadt Huntsville, Texas, liegt 1.552 Kilometer nordwestlich von La Habana. Die Flugzeit beträgt nur ca. 2 ¼ Stunden. Und doch liegen Welten dazwischen. Im Gefängnis von Huntsville wurde am 8. August der 54-jährige Marvin Wilson per Giftspritze exekutiert. Er war geistig behindert. Er war der 484. staatlich Ermordete in Texas seit 1982. In den USA gesamt wurden über 1.300 Todesurteile seit 1977 vollstreckt. Wo bleibt der Aufschrei der Menschenrechtsverteidiger und Massenmedien? Wann werden die NATO-Bomber beauftragt, ihre tödliche Fracht über Washington auszuklinken?

Doch halt - Die Konzernmedien sind integraler Bestandteil eines unerklärten Krieges. Doch dieser richtet sich nicht gegen den kapitalistischen Folterstaat USA, sondern gegen das sozialistische Cuba. Bekanntlich prägte Cicero den lateinischen Rechtssatz »Inter arma enim silent leges: Unter Waffen schweigen die Gesetze«. Im Krieg gilt also nicht das humanitäre Völkerrecht, sondern das Kriegsvölkerrecht. Daraus ziehen die Cubafeinde ihre Legitimität, die cubanische Revolution mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln zu bekämpfen, selbst in diesem nicht erklärten, einseitigen Krieg.

Fußnoten:

(1) Alle mit dieser Ziffer versehenen Verweise finden sich online unter http://www.cubafreundschaft.de/Hintergruende/hintergruende.html#Contras

(2) http://www.welt.de/print/die_welt/debatte/article108402830/Kindergarten-Kuba.html

(3) »Cuba car crash fallout turns focus on dissidents' funds«, http://www.bbc.co.uk/news/world-latin-america-19075435

(4) www.welt.de/politik/article2699847/Fidel-Castros-Kuba-Gulag-in-der-Karibik.html

(5) »Der „Champion" der Menschenrechte USA: 150 Verhaftete bei Protesten gegen Ermordung zweier Jugendlicher durch die Polizei«, http://www.cubafreundschaft.de/Hintergruende/US-Imperialismus,%202012-08-02,%20GI%20-%20Champion%20der%20Menschenrechte.pdf


Marxistische Blätter
Heinz-W. Hammer
Marxistische Blätter 5-12