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Mahnung aus Lateinamerika

Kritische Töne zu EU-Kürzungspolitik beim Iberoamerikanischen Gipfel

Der spanische König Juan Carlos hat am vergangenen Freitag bei der Eröffnung des 22. Iberoamerikanischen Gipfeltreffens in Cádiz die lateinamerikanischen Staaten um Hilfe bei der Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzkrise gebeten. Die meisten Regierungsvertreter aus Latein- und Südamerika reagierten mit scharfer Kritik an der Sparpolitik in den Ländern der Europäischen Union.

Das seit 1991 jährlich stattfindende Treffen war in diesem jahr vom Gastgeber Spanien in der andalusischen Hafenstadt Cádiz ausgerichtet worden. Teilnehmer waren die europäischen Länder Spanien, Portugal und Andorra sowie 19 lateinamerikanische Staaten, von denen sechs nicht durch ihre Staatspräsidenten vertreten wurden. Im Mittelpunkt der zweitägigen Konferenz stand die Entwicklung der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen der iberischen Staaten und Lateinamerika.

Vor Beginn der Konferenz hatten hunderte Werftarbeiter in Cádiz mit Straßen- und Brückenblockaden gegen geplante Massenentlassungen in der für die Stadt überlebenswichtigen Schiffbauindustrie protestiert und für Stunden den Verkehr lahmgelegt. Die Polizei war mit Schlagstöcken und Gummigeschossen gegen die demonstrierenden Arbeiter vorgegangen.

Spaniens rechtskonservativer Regierungschef Rajoy räumte später auf der Tagung ein, daß sich die ehemaligen Kolonialmächte in einer existenziellen Krise befänden, während es in Lateinamerika ein solides Wachstum, den Abbau von Armut und Ungleichheit, einen steigenden Lebensstandard, eine verbesserte Gesundheitsversorgung und eine Zunahme an Bildungsangeboten gebe. Die OECD erwarte für die Region im Jahr 2013 ein Wirtschaftswachstum vom vier Prozent, nach 3,2 Prozent in diesem Jahr. Rajoy erklärte, die boomenden Staaten au der anderen Seite des Atlantik seien heute eine Hoffnung für Europa. Während er ie Lateinamerikaner zu verstärkten Investitionen aufforderte und Spanien als Sprungbrett für Wirtschaftsbeziehungen mit Nordafrika anpries, verteidigte der Ministerpräsident gleichzeitig seinen "Reformkurs" als harten, aber einzig Erfolg versprechenden Weg aus der Schuldenkrise.

Die meisten Vertreter Lateinamerikas übten dagegen massive Kritik an der EU und deren Sparpolitik. Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff verurteilte in scharfer Form "die jetzige Austeritätspolitik, die den Bürgern großen Schaden" zufüge und forderte die EU statt dessen zu einer antizyklischen Politik auf. Ihr Land habe in der Krise erfolgreich mit staatlichen Investitionen gegengesteuert, die den Inlandskonsum der Bürger ankurbelt, sagte Rousseff. Europa sollte deshalb jetzt wirtschaftliche Maßnahmen einleiten, "die Verbesserungen für die Menschen versprechen und nicht noch mehr Jahre des Leides".

Der kubanische Außenminister Bruno Rodrėguez hob hervor, daß der Sozialstaat, der einst als europäisches Modell galt und auf den die Europäer zu recht Stolz gewesen seien, durch Sparpolitik, Lohn- und Sozialabbau immer weiter ausgehöhlt werde. Wenn Europa nicht den Kurs ändere, stünden der Sozialstaat ebenso wie die gemeinsame Währung Euro vor dem endgültigen Untergang. Rodrėguez betonte das starke Interesse Kubas an intensiven Beziehungen zu Europa. Er hoffe deshalb, daß die Regierungen dort bemerkten, daß ihre derzeitige Politik zu keinen positiven Ergebnissen führt.

Ecuadors Präsident Rafael Correa wies darauf hin, daß frühere Regierungen in Lateinamerika mit einer Sparpolitik, unter der die große Mehrheit gelitten während einige wenige Profitiert hatten, total gescheitert seien. "Jetzt wiederholen sich unsere schlechten Erfahrungen in Europa", sagte Correa. In Spanien gebe es einen absurden zustand: "Viele Menschen ohne Wohnungen und gleichzeitig viele Wohnungen ohne Menschen." Die große Zahl von Zwangsräumungen, die immer öfter zu Selbstmorden führten, zeige, daß in Europa heute das Geld über einem Menschenleben stehe.

Trotz teilweise gegensätzlicher Postionen einigten sich die Länder auf beiden Seiten des Atlantik zum Abschluß der Konferenz auf einen Katalog von Vorschlägen, durch die Investitionen auf der jeweils anderen Seite erleichtert werden sollen.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

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Volker Hermsdorf
junge Welt, 19.11.2012