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Der weiße Fleck

»Meeting Havana Cultura« im Freien Museum präsentiert Kunst aus Kuba.

Zu den weißen Flecken in Europas Kunstwissen über den Rest der Welt gehört Kuba. Der kubanisch-französische Surrealist Wifredo Lam, der 1982 in Paris gestorben und dort mit seinem Werk auch vertreten ist, bildet eher die Ausnahme. Wer zumindest Havanna bereist hat, der weiß, dass es nahe dem Hafen einen Kunstmarkt gibt, auf dem Maler und Bildhauer ihre Arbeiten feilbieten. Und ist überrascht von der Qualität und Kreativität der kubanischen Szene.

Höchste Zeit daher, den sehr vielen inselweit agierenden Künstlern ein Podium auch in der Alten Welt zu eröffnen. Aus zahlreichen Quellen speist sich ihr Werk, den indigenen ebenso wie den spanischen der einstigen Eroberer und den Traditionen der von ihnen deportierten Sklaven aus Afrika. Entsprechend bunt und vielgestaltig fällt das künstlerische Œuvre aus, zumal es sich, neben den sozialistischen Vorgaben, auch an westlicher Moderne reibt. Dass das Land derzeit in einem Wandel begriffen ist, der sich als Aktualisierung des sozialistischen Modells versteht, macht Dinge möglich, die lange aussichtslos schienen. Etwa eine erste kleine Ausstellung kubanischer Gegenwartskunst im Freien Museum.

Am Anfang stand die Initiative eines kubanisch-französischen Unternehmens, der kubanischen Kunst eine Werbeplattform außerhalb der Insel zu verschaffen. Das Resultat zahlreicher Fühlungnahmen und Kontakte ist jetzt in Berlin zu besichtigen. Zwei Etagen seines Ausstellungshauses - einer um 1875 gebauten Fotofabrik, die zuletzt vor fünfjährigem Leerstand als Dokumentenlager einer Bank diente - füllen derzeit die Exponate von »Meeting Havana Cultura«. Rund 35 Künstler der jungen Generation zeigen in den weitläufigen, säulenbestandenen Hallen Arbeiten der kleineren Form, Malerei, Plastik, Videoart, Installation, transportabel ohne zu großen Aufwand, wie sie das heutige Kuba spiegeln, was sie berührt und über das eigene Land hinaus beschäftigt. Überraschend für den Betrachter ist allemal die Vielfalt der Handschriften.

Da blickt auf Alejandro González‘ großformatigem Digitaldruck ein Mann aus einem Zimmer durch die Tür ins grelle Helle, dass sich sein Gesicht auflöst; drinnen steht vor bröckelnder, teils reparierter Wand ein alter Holzsessel, daneben auf Drahtgestell ein Fernseher, auf dem ein Bild von der Mauererstürmung am »9. November 1989«, dies der Werktitel, zu sehen ist. Darüber hängt ein Kindheitsfoto, das Fenster ist halb offen. Die Hoffnung auf Veränderungen im eigenen Land mag hier anklingen, Erinnerung auch an Jugendideale.

Auf verspiegelte Konsolen stellt Carlos Garaicoa Silbermünzen aus der Serie »Kopf oder Zahl«, so dass sich die Rückseite einsehen lässt. Während »Castro« beidseitig dasselbe Porträt enthält, spielen »Party/Not Tea Party« und »Flip/Flop« vorsichtig mit Begriffen. Eduardo Ponjuán zeichnet mit Bleistift auf Karton jene Zeitungsrollen nach, die neben den Grafiken hängen und auf denen nur Überschriften zu lesen sind: Verdopplung des Dollar, Es bleibt noch viel zu tun, Der Kommandant starb. Lakonisch liest man unten auf den Grafiken »50. Jahrestag des Triumphs der Revolution«.

In das Glas von drei Wanduhren passt Mabel Poblet illuminierte Plastikblumen ein und winzige Männchen und schafft so neue künstliche Blumen. Witzig spielt René Francisco in den Tuschen der Serie »Lustgreis« mit Farbtuben als Genitalien, baut gar einen »Reliquienschrein« mit genitalen Griffen und verblichenen Requisiten wie einer rostigen Machete und einem soldatischen Suppennapf voller Farbtuben, platziert auf der kubanischen Flagge. Posierende Muskelprotze konterfeit Arien Chang; sieben Miniaturen in Öl von Alejandro Campins beeindrucken durch ihre assoziative Feinheit ebenso wie seine dezent mit Tinte bemalten Steine. Auf gebogenes Plexiglas collagiert Antonio Núñez als bunte Traumwelt seinen »Garten der Verrückten«. Und Yunior Acostas 22 aufgerichtete Frösche aus Harz in verschiedener Originalgröße mögen auf heitere Art Kubas endemische Tierwelt zitieren.

Videoarbeiten reichen von verbal begleiteten Zahlenfolgen bis zur Animation eines Staffellaufs, Installationen von einer wundersamen Blume aus goldbesprayten Blättern mit steinernem Stempel bis zur Serie bearbeiteter Archivfotos: Soldaten der Revolution mit Knarre selbst beim Congaspiel. Von erotischer Ästhetik sind die Tintenzeichnungen der »Tattoo Love«, den Blick nach Europa wagen amüsante Zeichnungen zum inzwischen historischen Thema »Merkozy« und anderen Politspielereien. Im nächsten Jahr soll eine große Ausstellung zu Kunst aus Kuba folgen.

Bis 25.1., Freies Museum, Potsdamer Str. 91, Berlin, Telefon 34 72 18 14, www.freies-museum.com

Neues Deutschland
Volkmar Draeger
Neues Deutschland, 04.01.2013