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Nachrichten aus und über Kuba

Nachrichten, Berichte, Reportagen zu aktuellen Entwicklungen, Hintergründen und Ereignissen in Kuba, internationale Beziehungen und der Solidarität mit Kuba.


Ein Akt der Würde

Der Kampf Salvador Allendes und seiner Mitstreiter um den Präsidentenpalast »La Moneda« in Santiago de Chile am 11. September 1973 (Teil II)

Um 11.45 Uhr versammelt der Präsident seine Töchter und die Frauen um sich und befiehlt ihnen mit aller Entschlossenheit, die Moneda zu verlassen, denn er hält es für sinnlos, wenn sie dort ohne jede Verteidigung sterben sollten. Und er erbittet von den Belagerern unverzüglich eine Feuerpause von drei Minuten, um das weibliche Personal zu evakuieren. Die Faschisten gestehen die Feuerpause nicht zu, aber in diesem Augenblick beginnen sich ihre Truppen aus der Umgebung des Palastes zurückzuziehen, um den Luftangriff vortragen zu können. Der Kampf wird dadurch unterbrochen, und die Frauen können den Palast verlassen.

Gegen 12 Uhr beginnt der Luftangriff. Die ersten Raketen fallen auf den Wintergarten der Moneda, durchlöchern das Dach und explodieren. Neue Geschwader jagen heran, und ein Angriff folgt dem anderen. Das ganze Gebäude ist von Rauch und giftiger Luft verpestet. (…) Obwohl der Präsident den Befehl gegeben hat, alle Wasserhähne zu öffnen, um einen Brand im Erdgeschoß zu vermeiden, beginnt der Palast vom linken Flügel aus zu brennen, und die Flammen breiten sich zum Adjutantensaal und zum Roten Salon hin aus. Aber der Präsident, der keinen Augenblick, auch nicht in den kritischsten Situationen, aufgibt, befiehlt, dem massiven Angriff mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu begegnen. Nun kriecht er unter dem Maschinengewehrfeuer hindurch zu seinem Arbeitszimmer, dessen Fenster auf den Platz der Verfassung hinausgeht, nimmt selbst eine Panzerbüchse, richtet sie auf einen Panzer in der Morande-Straße – der wild auf den Palast losfeuert – und setzt diesen schlagartig außer Gefecht. Wenige Augenblicke später vernichtet ein anderer Kämpfer einen weiteren Panzer. (…)

Der Präsident entsendet Fernando Flores, Generalsekretär der Regierung, und Daniel Vergara, Staatssekretär im Innenministerium, die das Gebäude durch die Tür zur Morande-Straße verlassen und auf einen Jeep zugehen, der sich auf der gegenüberliegenden Seite befindet. Das ereignet sich gegen ein Uhr mittags. Flores und Vergara sprechen mit einem hohen Offizier. Als sie zum Palast zurückkehren und bereits nahe dem Eingang sind, werden sie aus diesem Jeep in verräterischer Weise beschossen, wobei Flores einen Schuß ins rechte Bein und Daniel Vergara mehrere Schüsse in die Schulter erhält. Beide sinken zu Boden und werden von ihren Genossen unter dem Feuerschutz der anderen Verteidiger ins Gebäude gezogen.

Gegen 13.30 Uhr begibt sich der Präsident in das Obergeschoß, um die dortigen Positionen zu kontrollieren. Zu diesem Zeitpunkt sind bereits zahlreiche Verteidiger durch das Maschinengewehrfeuer, die Explosionen oder die Flammen umgekommen. (…)

Nach 13.30 Uhr bemächtigen sich die Faschisten des Erdgeschosses des Palastes; die Verteidigung organisiert sich im Obergeschoß, und der Kampf geht weiter. Die Faschisten versuchen, über die Haupttreppe nach oben zu gelangen. Gegen 14 Uhr gelingt ihnen die Besetzung eines Teiles des Obergeschosses. Der Präsident hat sich mit mehreren seiner Genossen in einer Ecke des Roten Salons verschanzt. Als er bis zu der Stelle vordringt, an der die Faschisten hereinbrechen, erhält er einen Bauchschuß, der ihn vor Schmerz vornüber sinken läßt, aber er hört nicht auf zu kämpfen. Auf einen Sessel gestützt, schießt er weiter auf die nur wenige Meter entfernten Faschisten, bis ihn ein zweiter Schuß in die Brust niederreißt, und bereits im Sterben wird er von Kugeln durchlöchert. Als sie den Präsidenten fallen sehen, gehen die Angehörigen seines Personenschutzes energisch zum Gegenangriff über und treiben die Faschisten erneut bis zur Haupttreppe zurück. Inmitten des Kampfes vollbringt man nun einen Akt außergewöhnlicher Würde: Man hebt den leblosen Körper des Präsidenten auf, trägt ihn in sein Arbeitszimmer, setzt ihn in den Präsidentensessel, legt ihm seine Schärpe um und hüllt ihn in eine chilenische Fahne ein. Selbst nach dem Tode ihres heroischen Präsidenten leisten die Verteidiger des Palastes noch zwei Stunden lang Widerstand gegenüber den angreifenden faschistischen Barbaren. Erst um 16 Uhr, nachdem der Präsidentenpalast bereits Stunden gebrannt hat, wird der letzte Widerstand gebrochen.

Fidel Castro: Rede auf der Solidaritätsveranstaltung mit Chile am 28. September 1973. Im Internet: www.cuba.cu/gobierno/discursos. Hier zitiert nach: Hefte zu politischen Gegenwartsfragen, Nr. 13, Köln 1974

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

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junge Welt, 07.09.2013