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Nachrichten aus und über Kuba

Nachrichten, Berichte, Reportagen zu aktuellen Entwicklungen, Hintergründen und Ereignissen in Kuba, internationale Beziehungen und der Solidarität mit Kuba.


Florett statt Vorschlaghammer

Was hat die USA bewegt, sich mit der »Castro-Diktatur« einzulassen? Günter Pohl versucht Antworten zu finden.

Günter Pohl
Günter Pohl ist Lateinamerikaexperte und Vorsitzender der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba.
Foto: privat


»Ende der Eiszeit«, »Schlusskapitel im Kalten Krieg«, »Normalisierung der Beziehungen«, »Beendigung der Blockade« - mit diesen Worten überschrieben internationale Medien Berichte über Ansprachen von Raśl Castro und Barack Obama am 17. Dezember. Darin kündigten beide Staatschefs den Beginn einer neuen Ära zwischen den beiden Ländern an. Wie üblich wurde in den Medien die US-amerikanische Blockade gegen Kuba vielfach zu einem »Embargo« umgedeutet. Und während die bürgerliche Presse den Austausch von »drei kubanischen Spionen« gegen einen (gewiss unschuldigen) US-Bürger erwähnte, stand in linken Publikationen die Freude über die gerechtfertigte Freilassung der letzten drei in den USA Verbliebenen der »Miami 5« im Vordergrund.

Viele Debatten und einen Monat später, in dem sich viel Karibikwasser zwischen Florida und Matanzas erwärmt und wieder abgekühlt hatte, begannen in Havanna die Gespräche zwischen Kuba und den Vereinigten Staaten. Um bei der Wahrheit zu bleiben: In den ohnehin halbjährlich stattfindenden Kontaktgesprächen werden nun die neuesten Entwicklungen thematisiert. Denn geredet wurde zwischen Regierungsunterhändlern beider Seiten in unregelmäßigen Abständen eigentlich immer wieder, nachdem die Raketenkrise vor über 50 Jahren überwunden war. Dabei ging es meist um kubanische Migranten, die in die USA ausgereist sind. Ihnen wird von den US-Behörden bereits bei der Ankunft automatisch eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis verliehen - Umstände, von denen andere Lateinamerikaner nur träumen können. In den 1990er Jahren führte diese Gesetzeslage sogar dazu, dass nicht wenige Latinos per Boot »als Kubaner« im US-Bundesstaat Florida versuchten, was ihnen über Mexiko verwehrt blieb. Kuba ist daran interessiert, dass die Vereinigten Staaten hier umdenken, denn die gefährliche Überfahrt hat in den vergangenen Jahren viele Menschen das Leben gekostet.

Doch was hat die USA zu dem dem Sinneswandel bewegt, sich wieder mit der verhassten »Castro-Diktatur« einzulassen? Das Wahrscheinlichste ist, dass das Zugehen auf Kuba irgendwo zwischen Notwendigkeit und Strategieänderung liegt. Zum einen hat der Druck aus den lateinamerikanischen Staaten auf Washington in den vergangenen Jahren immer weiter zugenommen. Damit einher ging eine gewisse Isolierung der USA beim Versuch, Kuba aus regionalen Partnerschaften auszugrenzen. Bestes Beispiel dafür ist die Einladung Havannas zum Gipfel der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) in Panama im April, obwohl Kuba auf Betreiben der USA aus der OAS suspendiert worden war. Zum anderen ist die Strategie, durch Blockade die Revolution zu Fall zu bringen, offenkundig gescheitert. Daher verwundert es nicht, wenn aus den Reihen des US-Kongresses zuletzt Stimmen laut wurden, die - in Anspielung auf Willy Brandts Ostpolitik - von einem »Wandel durch Annäherung« sprachen. Genau darum geht es: Die USA werden nichts unversucht lassen, was das Ende des kubanischen Sozialismusversuches befördern könnte. Auf dem Weg dahin scheinen sie sich nun wenigstens etwas geschickter verhalten zu wollen: Florett statt Vorschlaghammer.

Zwischen beiden Staaten sollen dazu die seit den Ereignissen in der »Schweinebucht« 1961 unterbrochenen diplomatischen Beziehungen wieder aufgenommen werden. Laut der kubanischen Unterhändlerin Josefina Vidal strebt Havanna zudem kurzfristig seine Streichung von der »Liste terrorunterstützender Staaten« der USA an. Doch höchste Priorität für Kuba hat die Beendigung der seit 1962 bestehenden Handels-, Finanz- und Wirtschaftsblockade. Auf welche Weise das irgendwann gelingen kann, ist umstritten: Da die Blockade Gesetzeskraft hat, muss grundsätzlich das Abgeordnetenhaus einer Aufhebung zustimmen. Allerdings gibt die Verfassung dem US-Präsidenten bestimmte Vollmachten, die Blockade zumindest zu lockern. Dass jedoch auch Ministerien in dieser Angelegenheit gewisse Befugnisse haben, zeigt die Mitte Januar in Kraft getretene Erlaubnis für US-Finanzunternehmen, auf Kuba Bankkonten eröffnen zu können. Ebenso werden Vereinfachungen für Kuba-Reisende umgesetzt, wie zum Beispiel die Nutzung der »Mastercard« ab dem 1. März. Denn eine Änderung hat es tatsächlich schon gegeben. Was die Kubaner seit zwei Jahren machen können, darauf haben jetzt auch die Bürger der USA Aussicht: die Freiheit, das »Feindesland« zu besuchen. Ganz friedlich.

Neues Deutschalnd

Günter Pohl
Neues Deutschland, 06.02.2015