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»Strategische Priorität«

EU-Außenbeauftrage Mogherini will bei heute beginnendem zweitägigen Besuch in Kuba die Zusammenarbeit ausbauen.

Die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik und Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Federica Mogherini, nimmt am heutigen Montag in Havanna ihre für zwei Tage angesetzten Gespräche mit Repräsentanten der kubanischen Regierung auf. Der Besuch sei ein »politischer Impuls«, um den im April vergangenen Jahres begonnenen Dialog zur Normalisierung der Beziehungen voranzutreiben, erklärte die europäische Chefdiplomatin gegenüber der spanischen Nachrichtenagentur EFE. Sie ist an einem Ergebnis noch vor dem für Juni in Brüssel angekündigten zweiten Gipfel der EU und der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (CELAC) interessiert. Auf dem Programm der seit Jahren ranghöchsten EU-Abgesandten, die nach Kuba reist, stehen unter anderem Zusammenkünfte mit Außenminister Bruno Rodriguez und dem Erzbischof von Havanna, Kardinal Jaime Ortega.

»Ich betrachte meine Reise als Besuch mit Symbolwirkung, um einen Dialog wiederaufzunehmen, den ich für wichtig und zukunftsweisend halte«, sagte Mogherini am Donnerstag. Die 41jährige italienische Sozialdemokratin und ehemalige Außenministerin hatte am 1. November Catherine Ashton als EU-Außenbeauftragte abgelöst. Gut sechs Wochen später begrüßte sie in einer ihrer ersten Reden die Erklärungen der Präsidenten Raúl Castro und Barack Obama, die Eiszeit zwischen Kuba und den USA zu beenden, und forderte dabei, gegenüber Kuba auf »Dialog statt Konfrontation« zu setzen.

In Havanna will Mogherini jetzt die Chancen für eine möglichst zügige Normalisierung der Beziehungen ausloten. Ziel ist eine »Vereinbarung für politischen Dialog und Zusammenarbeit«, die den »Gemeinsamen Standpunkt der EU« ablösen soll. Dieser war 1996 auf Initiative des rechtskonservativen spanischen Ministerpräsidenten José María Aznar beschlossen worden und blockiert seitdem die Kuba-Politik der Europäer. Darin wurde ein Systemwechsel auf der sozialistischen Karibikinsel zur Bedingung für normale Beziehungen gemacht. Kuba ist seitdem das einzige Land in Lateinamerika, mit dem die EU kein Kooperationsabkommen abgeschlossen hat.

Obwohl die EU-Diplomatin sich nicht auf einen exakten Termin zur Unterzeichnung der Vereinbarung festlegen wollte, machte sie deutlich, dass die Einigung mit Kuba in Brüssel mittlerweile hohe Priorität hat. »Je schneller, desto besser«, antwortete Mogherini im EFE-Interview, fügte aber hinzu, dass das Ergebnis nicht übers Knie gebrochen werden dürfe: »Ein solides Abkommen ist wichtiger als eine schnelle Unterschrift.« Damit spielte sie auch auf unterschiedliche Positionen in bezug auf Menschenrechte und die Beteiligung der jeweiligen »Zivilgesellschaft« an politischen und gesellschaftlichen Prozessen an.

Während Vertreter der EU und der USA ausschließlich die Gegner der sozialistischen Gesellschaftsordnung zur kubanischen »Zivilgesellschaft« rechnen, besteht diese nach Havannas Auffassung vor allem aus den Organisationen von Arbeitern, Bauern, Schriftstellern, Künstlern, Studenten, Rentnern, Frauen, der Jugend und von anderen Teilen der Bevölkerung. Differenzen gibt es auch über den Umgang mit Vertretern der Zivilgesellschaft in europäischen Ländern. Kuba wirft der EU die Ausgrenzung von Kritikern etwa bei G-7-Gipfeln und brutale Polizeieinsätze gegen Demonstranten sowie Menschenrechtsverletzungen gegenüber Flüchtlingen und Minderheiten, Rassismus und Diskriminierung von Frauen vor. Nicht nur diese strittigen Punkte sind Hürden für eine Einigung, sondern auch die Bedingung, dass alle 28 EU-Mitgliedsstaaten dem angestrebten Pakt zustimmen müssen.

Wie Mogherini möchten auch die meisten Außenminister der Union eine Vereinbarung mit Havanna noch vor dem zweiten Gipfeltreffen von Repräsentanten der EU und der CELAC, das am 10. und 11. Juni in Brüssel unter dem Motto »Gestaltung unserer gemeinsamen Zukunft« geplant ist, unter Dach und Fach haben. Auf dieser Konferenz, zu der 61 Staats- und Regierungschefs erwartet werden, geht es um eine »neue Qualität der Zusammenarbeit. Schon auf dem CELAC-Gipfel im Januar 2015 in Costa Rica, an dem die EU-Außenbeauftragte auf ihrer ersten Lateinamerikareise in dieser Funktion teilgenommen hatte, war Mogherini mit dem hohen Ansehen Kubas und seines Präsidenten Raúl Castro in der Region konfrontiert worden und auch zu einem ersten Gespräch mit Außenminister Bruno Rodriguez zusammengetroffen. Da sie den Gipfelteilnehmern in einer Rede versichert hatte, dass der Ausbau der Beziehungen zu Lateinamerika für die EU eine »strategische Priorität« sei, deutet der heute beginnende zweitägige Besuch in Havanna auf die Einsicht hin, dass dieses Ziel nur mit und nicht gegen Kuba erreichbar ist.


Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

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Volker Hermsdorf
junge Welt, 23.03.2015