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Westen kein Vorbild

Kubaner wählen neue Kommunalparlamente.

In Kuba sind am Sonntag rund 8,5 Millionen Bürger zu den alle zweieinhalb Jahre stattfindenden Kommunalwahlen aufgerufen. Wie die nationale Wahlkommission mitteilt, bewerben sich 27.379 Kandidaten um die Sitze in den 168 Kommunalparlamenten (Asembleas Municipales). Wahlberechtigt und wählbar sind alle Kubaner ab 16 Jahren, die seit mindestens zwei Jahren ihren ständigen Wohnsitz im Land haben. Gewählt ist, wer mindestens 50 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen erhält. In Bezirken, in denen kein Kandidat diese Hürde schafft, findet am 26. April eine Stichwahl statt.

In den vergangenen Monaten hatten sich die Bewerber landesweit in Zehntausenden Nachbarschaftsversammlungen in den Bezirken präsentiert und den Fragen der Bewohner gestellt. Diese Treffen sind ein Forum für die Bürger, in dem sie Probleme im Stadtteil ansprechen und konkrete Anforderungen an die Bewerber stellen können. Anders als von Konzernmedien berichtet, ist die politische Orientierung in Kuba kein Kriterium für eine Aufstellung.

Viel Kandidaten gehören weder der Kommunistischen Partei Kubas (PCC) noch irgendeiner anderen Organisation an. In Havanna bewerben sich in diesem Jahr sogar mehrere bekennende Systemgegner um ein Mandat. Sie wurden in den Versammlungen zwar zu ihren »konterrevolutionär« bezeichneten Aktivitäten befragt, aber nicht an einer Kandidatur gehindert.

Nach der Wahlordnung müssen in jedem Bezirk zwischen zwei und acht Bewerber für einen Sitz im Kommunalparlament antreten. Nirgendwo darf es nur einen Kandidaten geben. Die Wahlen sind frei und geheim. Während früher offen per Handzeichen abgestimmt wurde, stehen heute Kabinen und Urnen zur Verfügung, die symbolisch von Schülern und Studenten bewacht werden.

Der Wahlvorgang ist einfach: Hinter den Namen der einzelnen Kandidaten kann ein Kreuz gemacht werden oder keines, wenn der Wähler nicht möchte, dass diese Person in Parlament einzieht. Wer keinem der Bewerber zustimmt, lässt den gesamten Stimmzettel weiß. Eine Wahlpflicht gibt es in Kuba nicht – obwohl auch dies immer wieder von Gegnern des kubanischen Systems behauptet wird.

Wer gewählt wird, behält seine Arbeitsstelle. Die politische Tätigkeit ist ehrenamtlich in der Freizeit, nur wenige Kommunalpolitiker werden freigestellt. Sie erhalten dann weiterhin ihren Lohn. Die Delegierten müssen sich im Alltag vor Ort bewähren. Sie kümmern sich um Probleme wie etwa die Ausbesserung von Straßen, Wasser- und Stromleitungen, die Verbesserung der öffentlichen Beleuchtung oder die Renovierung von Kindergärten und Schulen.

Anders als in westlichen Systemen können kommunale Mandatsträger jederzeit wieder abgewählt werden. Das kubanische Wahlsystem ist mit parlamentarischen Parteiendemokratien westlicher Prägung nicht vergleichbar und strebt dies auch nicht an. Von Werbeagenturen entworfene Medienwahlkämpfe, in denen von der Wirtschaft und Lobbyverbänden gesponsorte Parteien Programme präsentieren, die für die Politiker nach der Abstimmung nicht mehr verbindlich und für deren Wähler nicht einklagbar sind, gelten nicht als Vorbild.

Dennoch wird bereits seit längerer Zeit über eine Reform diskutiert. Am 23. Februar wurde auf dem 10. Plenum des Zentralkomitees der PCC die Verabschiedung eines neuen Wahlgesetzes bis zur nächsten Parlamentswahl im Jahr 2018 angekündigt. Obwohl noch keine Details mitgeteilt wurden, ist erkennbar, dass eine weitere Dezentralisierung der politischen Leitung und zugleich eine Stärkung der Gemeinden angestrebt werden. Konkrete Vorschläge dazu werden auf dem 7. Parteitag der PCC im April 2016 erwartet.


Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

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Volker Hermsdorf, Havanna
junge Welt, 18.04.2015