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»Ein Großteil der Ernte ist verloren«

Kaum Hilfe für Kuba nach dem Hurrikan durch deutsche Regierung, aber hiesiges Spendenaufkommen beeindruckend. Ein Gespräch mit Harri Grünberg.

Der Hurrikan »Irma« hat auf Kuba verheerende Schäden und Verwüstungen hinterlassen. Wie ist die Situation dort gut zwei Wochen nach Durchzug des Wirbelsturms?

Die Auswirkungen dieses Hurrikans waren für Kuba in der Tat verheerend. Insbesondere die Nordküste ist betroffen. Trotz der umfangreichen Schutzvorkehrungen, für die das Land immer sorgt und auch international gelobt wird, ist diesmal sehr viel Substanz der Infrastruktur zerstört worden. Das betrifft Schulen, Krankenhäuser, Stromleitungen und vor allem die Landwirtschaft. Ein Großteil der Ernte ist verloren. Dadurch steht Kuba im Moment vor enormen Aufgaben, und es ist noch nicht gelungen, alle Schäden, die in der Elektrizitäts- und Telefonversorgung entstanden sind, zu beheben.

Mehrere deutsche Solidaritätsorganisationen haben zu Spenden für die Opfer des Hurrikans aufgerufen. Wie ist die bisherige Resonanz darauf?

Wir sind sehr positiv von der enormen Reaktion auf die Spendenaufrufe der Solidaritätsgruppen überrascht worden. Die Solidaritätsbewegung in Deutschland hat schon mehr als 220.000 Euro an Spenden gesammelt. Dazu gehören die Initiativen der DKP mit bisher 20.000 Euro, das »Netzwerk Cuba« mit mehr als 100.000 Euro und die Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba mit mehr als 90.000 Euro. Hervorzuheben ist auch das Engagement von CubaSí und einer Initiative von Wolfgang Gehrcke, der sich Sahra Wagenknecht, Dietmar Bartsch, Politiker anderer Parteien sowie Künstler angeschlossen haben. Ich glaube viele Menschen haben verstanden, wie schwer dieser Hurrikan Kuba getroffen hat und beweisen jetzt ihre Solidarität.

Obwohl die großen Medien nicht über die Spendenaufrufe berichten, sind ja richtig hohe Summen zusammengekommen.

Wir haben sehr viele Kleinspenden, aber auch größere Beträge erhalten, obwohl unsere Aufrufe von den großen Medien nicht unterstützt wurden. Die Spendenkonten wurden fast nur über Netzwerke und kleinere linke Medien verbreitet. Trotzdem haben sie sich schnell herumgesprochen, und die Spendenkampagne geht ja weiter. Deshalb hoffe ich, dass wir in den nächsten Wochen noch einmal eine beträchtliche Summe zusammenbekommen, die wir dann nach Kuba schicken können.

Was geschieht mit den Spenden? Wer bekommt sie, und wofür werden sie verwendet?

Die Spenden werden an eine zentrale Behörde in Kuba überwiesen, die dafür sorgt, dass Schulen, Ärztezentren, Wohn- und Krankenhäuser, Kindergärten, Brücken, Stromleitungen und wichtige Infrastruktureinrichtungen repariert werden.

Was tut die Bundesregierung zur Unterstützung der Hurrikanopfer?

Leider müssen wir feststellen, dass die deutsche Hilfe für Kuba und andere Karibikinseln, die von »Irma« in Grund und Boden gestampft wurden, deutlich unter ihren Möglichkeiten liegt. Das heißt, die deutsche Politik hat insbesondere im Falle Kubas bisher wenig dazu beigetragen, den Menschen die notwendige Hilfe zu leisten. Dagegen ist die sofortige Unterstützung der kubanischen Bevölkerung durch ärmere Länder wie Nicaragua, Venezuela und viele andere lateinamerikanische Staaten bemerkenswert.

Einige europäische Banken weigern sich mit Hinweis auf die US-Blockade, Überweisungen mit Kuba-Bezug auszuführen.

Was uns am meisten schmerzt, ist die Feststellung, dass trotz der hohen Zahl an Zerstörungen, Verwüstungen und an menschlichem Leid, die dieser Hurrikan verursacht hat, sich Banken in Europa der US-Blockade unterwerfen und die Transferleistungen für Kuba unterbinden. Das ist besonders skandalös, weil es jetzt darum geht, Menschen in einer Notsituation zu helfen. Doch selbst in einer solchen Situation sind die USA nicht in der Lage, von ihren Sanktionen Abstand zu nehmen. In Europa ist die Anwendung der US-Blockade nicht gesetzeskonform und verstößt gegen eine EU-Verordnung. Deshalb appellieren wir an die Bundesregierung, sich für die vollständige Aufhebung der US-Blockade einzusetzen. Sie sollte außerdem europäische Banken, die sich mit der Verweigerung von Kuba-Transaktionen nicht auf der Grundlage europäischer Gesetze bewegen, dazu anhalten, Überweisungen zugunsten kubanischer Hurrikanopfer auszuführen.

Harri Grünberg ist Vorsitzender des »Netzwerks Cuba«, der Dachorganisation fast aller deutschen Kuba-Solidaritätsgruppen.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

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Interview: Volker Hermsdorf
junge Welt, 29.09.2017