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Erfolg für Havanna
Mogherini in Kuba.
Der am heutigen Donnerstag endende zweitägige Kuba-Besuch von EU-Chefdiplomatin Frederica Mogherini markiert einen Wendepunkt in den bilateralen Beziehungen. Das erste offizielle Treffen auf dieser Ebene seit Inkrafttreten des Abkommens über politischen Dialog und Zusammenarbeit im November letzten Jahres ist für Havanna ein diplomatischer Erfolg. Die Parteizeitung Granma bezeichnete es gestern als Beginn eines neuen Kapitels und wies darauf hin, dass der »Gemeinsame Standpunkt« der EU damit endgültig ad acta gelegt worden sei. Dieser Beschluss, der einen Systemwechsel zur Voraussetzung für normale Beziehungen gemacht hatte, hatte das bilaterale Verhältnis 20 Jahre lang belastet. Trotz eines starken Interesses am Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen hatte Kuba die EU-Position stets als interventionistisch und diskriminierend zurückgewiesen und in den zweijährigen Verhandlungen schließlich deren Aufhebung durchgesetzt.
Mogherinis Visite zeigt, dass sich die Standhaftigkeit Havannas ausgezahlt hat. Obwohl die EU und ihre 28 Mitgliedsländer das Ziel eines Systemwechsels nicht aufgeben und sich über Parteien, Stiftungen und NGOs weiter in Kubas innere Angelegenheiten einmischen, werden die künftigen Gespräche weniger belastet sein. Die Unterstützung subversiver Gruppen, die sich bisher auf einen offiziellen EU-Standpunkt berufen konnte, bewegt sich künftig in einer Grauzone. Kein Wunder, dass die Contras in Miami und Kuba vor Wut schäumen und den Besuch der EU-Diplomatin als »Verrat« geißeln. Für die kubanische Bevölkerung dürfte sich die Annäherung dagegen positiv auswirken. Auch wenn die EU in Kuba eigene wirtschaftsimperialistische Ziele verfolgt, ist jede Entwicklung zu begrüßen, die auf Augenhöhe und zum gegenseitigen Vorteil erfolgt. Die EU ist bereits jetzt einer der wichtigsten Handelspartner Kubas und kann bei der Entwicklung von Umweltschutztechnologien, erneuerbaren Energien und einer nachhaltigen Landwirtschaft des Landes eine wichtige Rolle spielen.
Die Europäer profitieren ihrerseits davon, dass Donald Trump sein Land in Lateinamerika wieder ins Abseits manövriert. Auch die rechtskonservativen Staatschefs der Region verweigern dem US-Präsidenten bei dessen Ausfällen und aggressiven Maßnahmen gegen Kuba die Gefolgschaft und orientieren sich zunehmend in Richtung Europa. Dabei unterwerfen sie sich jedoch meist den neoliberalen Diktaten der EU. Kuba könnte ein Beispiel dafür geben, dass es anders geht. Die Regierung in Havanna hat bisher bewiesen, dass sie die Unabhängigkeit und Souveränität des Landes und sein Recht auf das eigene sozialistische Gesellschaftsmodell nicht für kurzfristige ökonomische Vorteile zur Disposition stellt. Wenn dieser Kurs unter dem im April zu wählenden Nachfolger Raúl Castros und der künftigen Regierung beibehalten wird, kann Kuba von dem neuen Kapitel in den Beziehungen zur EU nur profitieren.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
junge Welt, 04.01.2018