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Staat im Staat

Brasiliens Antikorruptionsbehörde im Fall Lula durch Intercept-Enthüllungen in Bedrängnis.

Brasiliens faschistischer Staatschef Jair Bolsonaro stellt derzeit mit Attacken auf seinen französischen Amtskollegen Emmanuel Macron und machistischen Ausfällen gegen dessen Ehefrau Brigitte die diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern auf eine Probe. Unterdessen empfing der frühere Präsident Luis Inácio Lula da Silva am Donnerstag im Gefängnis in Curitiba Jean-Luc Mélenchon, den Abgeordneten des Nationalkongresses und Kopf der Bewegung »La France Insoumise« (Unbeugsames Frankreich).

Seit dem 7. April 2018 befindet sich Lula wegen angeblicher Korruption in Haft. Mittlerweile ist klar, dass der Politiker der Arbeiterpartei PT in unfairen Verfahren verurteilt wurde. Seit Juni kommen immer neue Details aus der geleakten Telegram-Kommunikation seines Richters, des heutigen Justizministers Sérgio Moro, und der Korruptionsermittler der »Operation Lava Jato« ans Licht der Öffentlichkeit. Die Chats und Audiodateien beweisen, dass die Prozesse gegen Lula eine politische Intrige waren: Bei ihren Ermittlungen wurde die Anklage faktisch von Moro gelenkt.

Mélenchon sagte nach seinem Treffen mit Lula, Sérgio Moro sei »heute der schmutzigste Name Brasiliens«. Um den linken Expräsidenten einzusperren, habe er das Land »erniedrigt«. Die Justiz müsse aber dazu dasein, Gerechtigkeit zu üben, und dürfe sich nicht in ein Instrument der Verfolgung verwandeln.

An der Echtheit der veröffentlichten Daten besteht kein vernünftiger Zweifel. Zugespielt wurde das Material dem Portal The Intercept des bekannten US-Journalisten Glenn Greenwald. An der Auswertung beteiligt sich mittlerweile ein Netzwerk brasilianischer und internationaler Medien. Greenwald lebt seit Jahren in Rio de Janeiro und ist mit dem Kongressabgeordneten der linken PSOL David Miranda verheiratet. Miranda erhält seit den Veröffentlichungen Todesdrohungen aus Kreisen der Faschisten. Minister Moro ließ die Finanzbehörden auf ihn ansetzen. Das Interesse der Öffentlichkeit versucht er von den Inhalten der Chats auf die mutmaßlichen Hacker zu lenken. Zur Erinnerung: Es waren der damalige Richter Moro und das Lava-Jato-Team, die Lula, seine Anwälte und selbst die 2016 gestürzte linke Präsidentin Dilma Rousseff illegal abhören ließen. Das Leak macht transparent, wie die Lava-Jato-Operation großen privaten Medien, allen voran der Hauptnachrichtensendung »Jornal Nacional« aus dem Hause Globo, Munition gegen die Arbeiterpartei lieferte.

Die Ermittlergruppe »Lava Jato« hatte sich zum Staat im Staate aufgeschwungen und ritt lange auf einer Welle der Popularität. Dutzende Wirtschaftsbosse und Politiker wanderten wegen der Zahlung bzw. Annahme von Schmiergeldern hinter Gitter. Etliche Konzerne wurden zu hohen Strafzahlungen verdonnert. Dem Team ehrgeiziger Juristen mit Verbindungen zu US-Behörden ging es nicht zuletzt um Geld und Ruhm. Milliarden aus Sanktionen gegen den Petrobras-Ölkonzern wollten sie in einen von ihnen kontrollierten privaten Fonds lenken, das konnte verhindert werden.

In den kommenden Wochen entscheidet Brasiliens Oberster Gerichtshof STF über einen neuerlichen Antrag der Verteidigung, Lula freizulassen und die Urteile gegen ihn aufzuheben. Dabei stützen sie sich auch auf die Intercept-Enthüllungen. Dass diese als Beweismittel zugelassen werden, ist unwahrscheinlich. Für das Bild in der Öffentlichkeit und in der juristischen Fachwelt spielen sie hingegen eine große Rolle. In der Vergangenheit waren die Entscheidungen des STF gegen Lula meist knapp ausgefallen.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

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Hannah Lorenz
junge Welt, 07.09.2019