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ExxonMobil klagt gegen Kuba

Havanna drohen Schadenersatzforderungen in Höhe von sieben Milliarden US-Dollar aus den USA.

Die Verschärfung der US-Sanktionen gegen Kuba unter Präsident Donald Trump haben jetzt auch erste juristische Konsequenzen für den sozialistischen Inselstaat. Vor dem Bundesgericht in Washington DC wird am Dienstag eine erste Anhörung im Fall Exxon Mobil gegen die kubanischen Unternehmen Cimex und Unión Cuba Petróleo (Cupet) verhandelt. Cimex, das zur Militär-Holding GAESA gehört, betreibt zusammen mit Cupet mehr als 600 Tankstellen auf Kuba. Exxon Mobil ist das erste große Unternehmen, das Kuba verklagt, seit die Regierung von US-Präsident Donald Trump Titel III des Helms-Burton-Gesetzes von 1996 in Kraft gesetzt hat. Die Klausel ermöglicht Schadensersatzklagen vor US-Gerichten gegen Unternehmen, die nach der Revolution verstaatlichten Besitz »verwenden«. Der Ölriese verlangt 280 Millionen US-Dollar Entschädigung für die Enteignung der Raffinerie Belot (heute Ńico López) im Jahr 1960.

Überraschend kündigte die kubanische Regierung an, sich gegen die Forderung von Exxon Mobil vor Gericht zur Wehr zu setzen. Sie beauftragte eine renommierte New Yorker Kanzlei mit der Verteidigung, die bereits in verschiedenen Fällen, unter anderem im Rechtsstreit um die Rummarke Havana Club, kubanische Interessen vertreten hat.

Dies soll ausländischen Investoren zeigen, dass Kuba sich gegen die Anwendung des Helms-Burton-Gesetzes zur Wehr setzt, glaubt der US-Rechtsexperte Robert Muse. »Wenn die kubanische Regierung sich nicht verteidigt, sendet sie die Botschaft an Tausende potenzielle Kläger, dass sie Klage einreichen und Urteile erwirken können«, so Muse. Havanna hat Investoren gegenüber wiederholt versichert, ihre Investments auf der Insel seien sicher.

Das Helms-Burton-Gesetz ist eine 1996 vom US-Kongress erlassene Verschärfung der Blockade. Die besagte Klausel III war bisher von allen US-Präsidenten in Sechs-Monats-Schritten suspendiert worden. Donald Trump ist der erste US-Präsident, der sie aktiviert hat. Seitdem haben US-Bürger und -Unternehmen Klagen gegen verschiedene kubanische und europäische Unternehmen eingereicht, darunter die französische Bank Société Générale, die spanische Hotelkette Meliá oder den deutschen Expedia-Ableger Trivago.

Der Fall Exxon Mobil aber hat eine besondere symbolische Bedeutung. Die von dem Konzernvorgänger Standard Oil betriebene Raffinerie war die erste, die nach der Revolution verstaatlicht wurde. »Diese Forderung ist von immenser Bedeutung«, glaubt John Kavulich, Präsident des U.S.-Cuba Trade and Economic Council, einer US-Organisation für den Handel mit Kuba. »Das größte Energieunternehmen der USA, der fünftgrößte Energiekonzern der Welt, benutzt Titel III, um ein Unternehmen im Besitz der kubanischen Regierung zu verklagen.« Das könnte andere Unternehmen zur Nachahmung anregen.

Aber nicht nur das. In der Klageschrift wird Fincimex als mögliche Quelle erwähnt, über die die Millionenforderungen auch eingetrieben werden könnten. Die Finanzsparte von Cimex hat einen Vertrag mit Western Union, um Geldüberweisungen aus den USA zu verwalten. Vor allem um diese Überweisungen zu schützen - eine der wichtigsten Deviseneinnahmequellen Kubas - dürfte Havanna entschieden haben, sich in dem Fall zu verteidigen. Zumal der kubanischen Regierung durchaus Gewinnchancen eingeräumt werden.

Patrick Borchers, Juraprofessor an der Creighton Universität, verwies in einem Gespräch mit dem Autor im April auf eine in der US-Verfassung enthaltene Prozessklausel: »Ein großes praktisches Problem bei einer Klage nach Titel III besteht in der Schaffung einer persönlichen, manchmal als ›territorial‹ bezeichneten, Zuständigkeit für Personen und Unternehmen, die beschlagnahmtes Eigentum ›verwenden‹«, so Borchers. »US-amerikanisches Recht verlangt ›Mindestkontakte‹ zwischen dem Beklagten und den USA.« Um diese aufzuzeigen, müsse der Beklagte eine Präsenz in den USA haben, die in direktem Zusammenhang mit seinen kubanischen Aktivitäten steht.

Die kubanische Regierung wiederum erinnert daran, dass Kuba in der Vergangenheit Enteignungsansprüche mit Regierungen aus aller Welt geklärt hatte, die US-Regierung sich dem aber verweigerte. Das US-Justizministerium hat knapp 6000 Forderungen von US-amerikanischen Bürger und Unternehmen gegenüber Kuba gesammelt. Mit den angelaufenen Zinsen summieren sich die Ansprüche auf heute mehr als sieben Milliarden US-Dollar. Havanna stellt dem Milliardenschäden durch die Blockade gegenüber.

Die Enteignungen US-amerikanischer Unternehmen in Kuba begannen 1960, nachdem sich US-Ölkonzerne weigerten, sowjetisches Erdöl zu verarbeiten. Daraufhin verstaatlichte die Regierung unter Fidel Castro die Ölgesellschaften, darunter die Belot-Raffinerie. Der Beschluss beruhte auf einem Gesetz von 1938, das die Regierung verpflichtet, die erforderlichen Mengen an Rohöl in den Raffinerien zu haben, »damit öffentliche Dienstleistungen sowie Industrie- und Transportaktivitäten des Landes nicht beeinträchtigt werden«. Die Weigerung des Unternehmens, sowjetisches Öl zu verarbeiten, kommt in den dem Gericht vorgelegten Dokumenten von Exxon Mobil nicht vor.

Andreas Knobloch, Havanna
Neues Deutschland, 07.10.2019