Nachrichten


Nachrichten aus und über Kuba

Nachrichten, Berichte, Reportagen zu aktuellen Entwicklungen, Hintergründen und Ereignissen in Kuba, internationale Beziehungen und der Solidarität mit Kuba.


Ärmel hoch

In Havannas Straßen diskutieren die Kubaner die Entwicklungen beim Kongreß der KP

Mit der Diskussion des Rechenschaftsberichts, den der kubanische Präsident Raúl Castro am Vortag gehalten hatte, und Beratungen in fünf Arbeitsgruppen haben die exakt 997 anwesenden Delegierten am Sonntag und Montag den VI. Parteitag der Kommunistischen Partei Kubas fortgesetzt. Obwohl die Beratungen im Palacio de Convenciones, dem großen Kongreßzentrum Havannas, weitgehend hinter verschlossenen Türen stattfinden und beispielsweise ausländische Korrespondenten keinen Zutritt haben, hat sich auf den Straßen der kubanischen Hauptstadt eine Art Parallelkongreß entwickelt. Eifrig diskutieren die Menschen hier alle Nachrichten, die von diesem ersten Parteitag seit 14 Jahren nach draußen dringen.

Wirtschaftsreformen

Im Hauptstadtbezirk Boyeros hoffen die Menschen auf eine Fortsetzung der Wirtschaftsreformen »ohne Eile, aber ohne Pause«. Der hier lebende José Juan Mojena, der im Dienstleistungsbereich arbeitet, zeigte sich von der Rede Raúl Castros beeindruckt. Das sei ein »Bericht der hochgekrempelten Ärmel« gewesen, sagte er gegenüber jW.

Gerade die mögliche Abschaffung der in den 60er Jahren eingeführten Zuteilungskarte »Libreta« ist Gegenstand leidenschaftlicher Diskussionen unter den Nachbarn. Das Wirtschaftsleben zu dezentralisieren und künftig nicht mehr Produkte zu subventionieren, sondern direkt Menschen zu helfen, die dies benötigen, stößt dabei auf Zustimmung. Die Libreta hätte »schon längst abgeschafft werden müssen, denn sie ist ein ständiger Aderlaß für unsere Wirtschaft«, meint etwa Dania Cabello. Der nun eingeschlagene Kurs sei richtig, so Cabello, zumal die Revolution niemanden im Stich lassen werde. Die festgelegten Familienzuteilungen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt gerechtfertigt gewesen seien, widersprächen heute im Kern dem Verteilungsprinzip, das im Sozialismus vorherrschen müsse: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Leistungen.

Jenny Soto freut sich vor allem über Castros Kritik an der Unbeweglichkeit der Strukturen und der übermäßigen Zahl unnötiger Sitzungen. Raúls Aufrufe in diesem Zusammenhang seien »außerordentlich wichtig«, so die junge Frau. Es komme nun darauf an, daß die Beschlüsse des Parteitages auch tatsächlich umgesetzt werden.

Für Alex Moreno ist vor allem die vom kubanischen Präsidenten angekündigte Amtszeitbegrenzung für Funktionäre in Partei, Staat und Regierung bedeutsam: »Raúls Erklärung in diesem Zusammenhang war klar und deutlich«. Castro hatte in seiner Ansprache unterstrichen, daß die Bedingungen des Landes heute andere als in den ersten Jahrzehnten der Revolution seien, auch wenn Kuba weiter Opfer von Bedrohungen und Aggressionen sei. Deshalb hatte er vorgeschlagen, daß Funktionäre ihre Ämter auf allen Ebenen künftig nur noch für maximal zwei aufeinanderfolgende Amtszeiten von je fünf Jahren ausüben dürfen.

Der Text von Raúls Rede, der von den kubanischen Zeitungen im Wortlaut abgedruckt wurde, dürfte somit zur zentralen Diskussionsgrundlage der kommenden Monate werden, wie dies seit Anfang Dezember mit den von der Parteispitze vorgeschlagenen »Grundlinien der Wirtschafts- und Sozialpolitik« gewesen ist. Dieses Papiers, das nun von den Delegierten des Parteitages beraten und beschlossen werden soll, ist in den vergangenen Wochen von mehr als 8,9 Millionen Kubanern in mehr als 163000 Versammlungen diskutiert worden.

Neue Generation

In seiner jüngsten »Reflexion«, die am Montag in der Tageszeitung Granma veröffentlicht wurde, schrieb auch der frühere kubanische Präsident Fidel Castro, es sei die Pflicht der neuen Generation, »ein Beispiel bescheidener, lernbegieriger und unermüdlicher Kämpfer für den Sozialismus« zu sein. »Die neue Generation ist dazu aufgerufen, ohne Zögern alles zu berichtigen und zu verändern, was berichtigt und verändert werden muß, und dadurch zu beweisen, daß der Sozialismus auch die Kunst ist, das Unmögliche zu schaffen: die Revolution der Armen für die Armen und durch die Armen durchzuführen und sie mehr als ein halbes Jahrhundert lang gegen die mächtigste Macht zu verteidigen, die je existiert hat.«

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

junge Welt


Dieser Artikel wurde ermöglicht
durch die Abonnnentinen und Abonennenten
der jungen Welt
Dein Abo fehlt

Deisy Francis Mexidor, Havanna
junge Welt, 19.04.2011