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Nachrichten aus und über Kuba

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In der Höhle der Löwen

René aus Kubas Kundschafter-Quintett kehrte heim.

Die Solidarität der antiimperialistischen Weltöffentlichkeit und von 11 Millionen Kubanern hat die Heimkehr des ersten der Cuban Five in seine Heimat ermöglicht. Schon am 6. Mai suchte René Gonzΰlez die US-Interessenvertretung in Havanna auf, um seinen Verzicht auf die amerikanische Staatsbürgerschaft zu erklären. Drei Tage später war dem heute 67jährigen, der als in Chicago Geborener austomatrisch US-Bürger war, die Entlassungsurkunde ausgehändigt worden.

Nach Verbüßung einer 15jährigen Freiheitsstrafe – die "bedingte Entlassung" erfolgte am 7. Oktober 2011 – hatte das Gericht gegen González einen mehrjährigen Zwangsaufenthalt in den Vereinigten Staaten verhängt. Ende März 2012 durfte er seinen todkranken Bruder Roberto besuchen und später zur Beisetzung seines Vaters eine zweite Kubareise unternehmen. Die Richterin gestattete ihm dort zu bleiben unter der Bedingung, daß er seine US-Staatsbürgerschaft aufzugeben bereit sei.

Welchen "Verbrechens" hatten sich René González und seine vier weiterhin in US-Haft befindlichen Kundschafter-Genossen schuldig gemacht?

Am 8. Dezember 1990 unternahm René seinen riskantesten Flug. Als er in Florida landete, ging der von ihm weisungsgemäß "gekidnappten" Maschine gerade das Benzin aus. Sein Auftrag bestand darin, die von Miami aus operierenden und für unzählige Anschläge verantwortlichen Organisationen rechtsradikaler Exilkubaner auszuspähen, um deren Pläne durchkreuzen zu können. Im Exklusivinterview mit der Zeitung "Escambray" und Radio Sancti Spiritu gab René González nach seiner endgültigen Rückkehr in die Heimat präzise Auskünfte. Seine Eltern hätten in den USA einem Komitee "Gerechtigkeit für Kuba" angehört und sich nach der im April 1961 erfolgten Landung CIA-gelenkter Söldner in der Schweinebucht an Demonstrationen beteiligt. Dadurch zur Zielscheibe einer Haßkampagne geworden, seien sie aus Furcht vor Racheakten einige Monate später nach Kuba übergesiedelt. Er selbst habe Jahrzehnte später ganz andere "Pläne" verfolgt und sei in die USA zurückgekehrt. Seine Familie habe davon nichts wissen dürfen.

Nach der Landung in Boca Chica habe er schon bald im antikubanischen Hetzsender "Radio Martí" eine Erklärung abgegeben, mit der es ihm gelungen sei, das Vertrauen der Feinde Havannas zu gewinnen. Diese betrachte er als die unfreundlichste Aufgabe seines Lebens. Schon bald traf González mit Felix Rodriguez ("Katze") - dem Boß der Terrorgruppe "Hermanos al Escate" - zusammen, der ihn in Kontakt mit der nicht minder anrüchigen "Pilotenvereinigung" CUPA brachte. Als ihm der Bandit vorgestellt wurde, ließ jemand aus dessen Begleitung die Worte fallen: "Das ist der Mann, der Che ermordete."

1991 gelang es René González, in die Organisation des Killers aufgenommen zu werden. Er begleitete die "Hermanos" (Brüder) sogar, als sie bei einem Flug über Havanna antikommunistische Traktate abwarfen. Nach seinen Gefühlen befragt, antwortete González: "Ich mußte so handeln, um die eigenen Leute warnen zu können." "Hermanos al Rescate" sei die am besten ausgerüstete Truppe für psychologische Kriegsführung gewesen, die er kennengelernt habe. Allerdings hätten sich die Terroristen insofern verkalkuliert, als ihre Rechnung, die Kubaner würden wich 1961 gegen Castro erheben, nicht aufgegangen sei. Als es Jahrzehnte später – 1994 – zu antisozialistischen Zusammenrottungen auf Havannas Uferpromenade Malcón gekommen sei, hätten sie sich bereits am Ziel gewähnt. Die Träume der "Hermanos" seien allerdings abermals zusammengebrochen, als die USA und Kuba dann Auswanderungsvereinbarungen trafen. Er sei auch in andere antikubanische Gruppierungen eingedrungen und habe sogar den streng geheim gehaltenen Aufenthaltsort des Spitzenterroristen Posada Carriles in Erfahrung bringen können.

Auf die Frage nach den Umständen seiner Verhaftung am 12. September 1998 antwortete René González: "Am Morgen trommelten sie an unsere Tür. Als ich öffnete, drangen sie sofort mit gezogener Waffe ein, warfen mich zu Boden und fesselten mich. Als Olguita – meine Frau – aus dem Schlafzimmer trat, wurde sie gegen eine Wand geschleudert. Dann fragten sie mich nach meinem Namen und ob ich zu den 'Hermanos al Rescate' gehörte."

Später – in den Korridoren des Justizgebäudes und im Gerichtssaal – sei ihm ein geradezu kannibalischer Haß entgegengeschlagen. Während des ersten Verhandlungstages habe er unter den Zuschauern Angehörige auszumachen versucht. Da sei plötzlich der Ruf "Daddy" zu ihm gedrungen. Seine Tochter Irmita habe in seiner Richtung den Daumen steil nach oben gehalten – die alte römische Geste für Freispruch. Seit diesem Augenblick habe er wieder durchatmen können. Nach dem Urteilsspruch lernte René González die Maximum-Sicherheitsgefängnisse der US-Bundesstaaten Pennsylvania, South Carolina und Florida kennen. Tausende Briefe aus aller Welt hätten die Cuban Five erreicht – auch ihn. Sendungen aus Kuba seinen plötzlich mit Briefmarken, die ihre Porträts trugen, frankiert gewesen. Selbst Wächter hätten sie daraufhin um ihre Unterschrift gebeten.

Auf dem 8. Kongreß der Organisation kubanischer Hochschulstudenten stellte der durchs Feuer gegangene Kundschafter der kubanischen Staatssicherheit den Bezug zum Heute und Morgen her. "Als Marxist akzeptiere ich die historische Tatsache, daß ich nicht mehr alles erleben werde, was ich erleben möchte", sagte González. "Einige Dinge die ich sehen wollte, werdet erst Ihr wahrnehmen – aber Ihr müßt sie Euch schaffen." Er fügte hinzu: "Um unseren Sieg zu konsolidieren, um ihn sicher zu machen, müssen wir tiefgreifend forschen, die Wahrheit suchen, die Fehler der Geschichte genau betrachten, den die Gestaltung des Sozialismus ist immer das Werk von Menschen, die nicht perfekt sind." Es gelte Marx und Martí zu lesen - "Die Werke jener Denker, die das Wesen der Phänomene tiefgreifend erkundet haben". Wie immer und überall reif René dazu auf, den Kampf für die Freilassung seiner vier tapferen Genossen zu verstärken.

Rotfuchs Rotfuchs, November 2013
gestützt auf "Granma Internacional", Havanna und "The Guardian", Sydney