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Gegen internationales Recht

Sozialistische Regierung beschließt deutliche Anhebung der Gehälter in Gesundheitsberufen

Kuba erhöht die Löhne im Gesundheitssektor. Das ist eine Anerkennung für einen der wichtigsten Wirtschaftsbereiche der Insel.

Der kubanische Ministerrat beschloss vergangene Woche für die über 440 000 Beschäftigten des staatlichen Gesundheitswesens eine Anhebung der Gehälter - teils um über 100 Prozent. Wie die Tageszeitung »Granma« schreibt, tritt die neue Einkommensstruktur ab dem 1. Juni in Kraft. Sie soll »dazu beitragen, weiter die Stabilität und Qualität der medizinischen Leistungen für die Bevölkerung zu gewährleisten, sowie die internationalen Verpflichtungen zu erfüllen«. Die Gehälter spezialisierter Ärzte werden von 627 Pesos (19 Euro) auf 1600 Pesos angehoben; Krankenpfleger verdienen künftig 595 statt bisher 320 Pesos. Der kubanische Durchschnittslohn liegt bei rund 444 Pesos.

Mit den Erhöhungen werden Leitlinien des VI. Kongresses der Kommunistischen Partei von 2011 umgesetzt. Dort war die Aktualisierung des sozialistischen Wirtschaftsmodells beschlossen worden. Die höheren Gehälter sind zugleich Anerkennung für einen der wichtigsten Wirtschaftsbereiche des Landes: Laut UNO hat Kuba das höchste Pro-Kopf-Aufkommen an Ärzten weltweit. Bei den Indizes für Kindersterblichkeit oder Lebenserwartung weisen nur einige Industrienationen ähnliche Kennziffern wie die Karibikinsel auf. Jedes Jahr absolvieren Tausende Studenten aus Lateinamerika, Asien und Afrika ein kostenloses Medizinstudium auf Kuba.

Das Land exportiert medizinische Dienstleistungen in alle Welt. Über 50 000 kubanische Ärzte und medizinisches Personal arbeiten in 66 Ländern, knapp die Hälfte in Venezuela. Im Gegenzug liefert das Land Erdöl an Kuba. Brasilien hat über 11 000 kubanische Mediziner für sein Programm »Mais Médicos« angeworben. Sie sollen helfen, vor allem in den dünn besiedelten Bundesstaaten im Nordosten und dem Amazonas-Gebiet eine flächendeckende Gesundheitsversorgung zu sichern. Während die Bevölkerung die Anwerbung kubanischer Ärzte mehrheitlich begrüßte, stieß sie bei vielen brasilianischen Berufskollegen auf Vorbehalte.

Die Ärztemissionen im Ausland erwirtschaften einen Großteil der kubanischen Devisen und sind - noch vor dem Tourismus und Geldüberweisungen der Diaspora - die größte Nettoeinnahmequelle des Landes. Die Lohnerhöhungen gelten zum Teil auch für im Ausland tätige Mediziner. So werden die Gehälter kubanischer Ärzte in Venezuela verdoppelt; gleichzeitig bleiben Job und Gehalt in Kuba für nach der Rückkehr gesichert.

Der für die Aktualisierung der Wirtschafts- und Sozialpolitik zuständige Minister Marino Murillo Jorge sagte, für 2014 sei geplant, durch den Export von Ärzten und Medizinern rund 182 Milliarden Pesos einzunehmen. Das entspräche knapp zwei Dritteln des Verkaufs an medizinischen Serviceleistungen. Zugleich erinnerte Murillo daran, dass zwischen 2012 und 2013 im Gesundheitswesen 109 000 Stellen gestrichen wurden, ohne dass dies die Qualität der Versorgung beeinträchtigt hätte. Auch das habe dazu beigetragen, die Einkommen steigern zu können.

Die Anhebung war bereits auf dem XX. Kongress des kubanischen Gewerkschaftsdachverbandes CTC Ende Februar angekündigt worden. Viele Gewerkschaftsvertreter hatten flächendeckende Lohnerhöhungen auch für andere Wirtschaftsbereiche gefordert, was Kubas Präsident Raúl Castro Ruz in seiner Schlussrede jedoch als »unverantwortlich und kontraproduktiv« ausschloss. Zwar gestand er ein, dass die Gehälter und Renten nicht ausreichten, alle Grundbedürfnisse zu decken. Eine Anhebung könne es aber nur geben, wenn die Produktivität gesteigert werde. In diesem Sinne sind die höheren Gehälter im Gesundheitssektor wohl auch als Anreiz für andere Branchen zu verstehen.

Neues Deutschalnd Andreas Knobloch
Neues Deutschland, 26.03.2014