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Bonanza in der Karibik

Kuba lockt seit der Annäherung mit den USA Scharen von Investoren an.

Seit 2007 hat Kuba zahlreiche Anstrengungen unternommen, seine Wirtschaft zu modernisieren. Seit der Neuausrichtung der US-Kuba-Politik geht nun alles ganz schnell.

Lord John Hutton ist zufrieden. Die dreitägige Reise einer britischen Handelsdelegation nach Kuba war ein voller Erfolg. Britische Unternehmen haben in Havanna Geschäfte über rund 400 Millionen US-Dollar abgeschlossen, darunter den Bau einer Golfanlage sowie Investitionen in Landwirtschaft und Energieprojekte, verkündet Hutton, Co-Präsident der Cuba Initiative, eines seit zwanzig Jahren bestehenden britisch-kubanischen Projektes zur Förderung der Handelsbeziehungen beider Länder. Insgesamt 32 Unternehmen hatten an der Reise teilgenommen - die größte britische Handelsdelegation seit Jahrzehnten.

Von den USA mit einer Wirtschafts- und Finanzblockade sanktioniert und als Terrorismus unterstützender Staat eingestuft, abgeschnitten vom US-amerikanischen Markt und internationalen Krediten galt Kuba lange Jahre nicht gerade als reizvolles Ziel für Geschäfte. Seit dem 17. Dezember 2014 aber ist alles anders. Seit US-Präsident Barack Obama eine Neuausrichtung der US-Kuba-Politik verkündete, geben sich Handelsdelegationen und Unternehmer aus aller Welt in Havanna die Klinke in die Hand. Zwar besteht die Blockade weiterhin, sie ist aber in den vergangenen Wochen durch Exekutivverordnungen aufgeweicht worden und wird früher oder später aufgehoben werden, so die allgemeine Erwartungshaltung.

Allein in der vergangenen Woche waren neben den Briten um Lord Hutton Handelsdelegationen aus Texas, New Jersey und Japan auf Kuba. Davor hatte der Gouverneur des Bundesstaats New York, Andrew Cuomo, in Begleitung von zwanzig US-amerikanischen Geschäftsleuten, darunter Vertretern von Mastercard, des Pharmakonzerns Pfizer und der Fluggesellschaft Jetblue seine Aufwartung gemacht. US-Handelsministerin Penny Pritzker kündigte an, nach Kuba reisen zu wollen und diverse US-Konzerne wie Google, Netflix, Apple oder Citigroup strecken ebenfalls ihre Fühler aus. Hinzu kommen Exilkubaner, die Familienmitgliedern auf der Insel Geld überweisen, um in Geschäftsideen zu investieren oder Immobilien zu kaufen. In wenigen Monaten hat sich Kuba vom Pariah zum Eldorado der Karibik gemausert - so scheint es.

Wie sehr der kubanische Staat an Investitionen interessiert ist, verdeutlicht die Liste kubanischer Funktionäre, die an dem Forum mit der britischen Handelsdelegation teilnahmen, darunter der Minister für Außenhandel und Auslandsinvestitionen, Rodrigo Malmierca Díaz, derzeit wohl der meistbeschäftigte Mann in Kuba, der Präsident der kubanischen Handelskammer, Orlando Hernández Guillén, der Direktor für Handelspolitik mit Europa, Pedro Luís Padrón, die Generaldirektorin für Auslandsinvestitionen im Außenhandelsministerium, Deborah Rivas, und so weiter. Darüber hinaus wurde die britische Delegation von mehreren Ministern empfangen.

»Die kubanische Regierung hat uns klar zu verstehen gegeben, dass alle Sektoren der Wirtschaft, mit Ausnahme der Bereiche Gesundheit, Bildung und Streitkräfte, ausländischen Investitionen offen stehen«, so Lord Hutton. »Das gibt uns außerordentlich bewegende Möglichkeiten für die Zukunft.«

Der kubanische Wirtschaftsexperte Juan Triana Cordoví vom Studienzentrum der Kubanischen Wirtschaft (CEEC) hält ausländische Investitionen in den kommenden Jahren entscheidend für den Erfolg der von der Regierung Raúl Castro angestoßenen »Aktualisierung« des kubanischen Wirtschaftsmodells.

Mit dem im vergangenen Jahr in Kraft getretenen neuen Gesetz über ausländische Investitionen sowie der Schaffung der Sonderwirtschaftszone in Mariel westlich von Havanna, wo Investoren umfangreiche Steuervorteile genießen, wurde die Grundlage geschaffen, um dringend benötigtes ausländisches Kapital für die Modernisierung der Wirtschaft anzulocken. Die Regierung in Havanna will vor allem Schlüsselbereiche der Produktion nachhaltig modernisieren, um die Abhängigkeit von Öl- und Lebensmittelimporten zu verringern und die Herstellung von Exportprodukten anzukurbeln. Deborah Rivas verdeutlicht dies am Beispiel der Rumproduktion: Der Rum werde in Kuba hergestellt; Flaschen, Etiketten und Plastikverschlüsse aber müssten importiert werden. Dies soll sich ändern.

Triana verweist auf die zahlreichen Anstrengungen, die der kubanische Staat seit dem Jahr 2007 unternommen hat, um die heimische Wirtschaft zu modernisieren. Ein großer Teil der Auslandsschulden gegenüber Ländern wie China, Mexiko oder Russland wurde neu verhandelt und zum Teil erlassen; der Außenhandel diversifiziert, die Staatsquote reduziert und neue regionale Bündnisse geschlossen.

Die angestrebte Neuausrichtung der Beziehungen zwischen den USA und Kuba schaffe ein neues, positives Szenario mit hohem Wachstumspotenzial angesichts des wachsenden nicht-staatlichen Beschäftigungssektors und zunehmender Tourismuszahlen. Allerdings müssten die technologische Lücke geschlossen und Produktivität und Effizienz verbessert werden - die Vorrausetzung für höhere Löhne im staatlichen Sektor. Angesichts des nach Kuba drängenden ausländischen Kaptials sei Gerechtigkeit eine der größten Herausforderungen, denn, so Triana, »es ist schwieriger gerecht zu verteilen, wenn die Wirtschaft wächst.«

Neues Deutschalnd

Andreas Knobloch, Havanna
Neues Deutschland, 04.05.2015