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»Wahrnehmung Kubas ist stark verzerrt«

Slowakei: Über Hilfsangebote aus Havanna und Solidaritätsarbeit in einem »postsozialistischen« Land. Ein Gespräch mit Artur Bekmatov.

Die nicht im Parlament vertretene Partei Socialisti.sk und Sie als ihr Vorsitzender engagieren sich für Kuba und die Aufhebung der völkerrechtswidrigen Blockade durch die USA. Gibt es in der Slowakei nicht genug innenpolitische Probleme, die es anzupacken gilt?

Die Slowakei hat eine Menge Probleme, die Ausbreitung von Covid-19 hat sie noch vervielfacht. Die Bewegung Socialisti.sk macht lautstark auf diese Probleme aufmerksam. Aber uns ist klar, dass wir nicht ignorieren können, was auf der internationalen Ebene passiert. Im Gegenteil: Als linke politische Kraft, die die Werte der Solidarität und der friedlichen Zusammenarbeit zwischen den Nationen teilt, müssen wir auch auf die Verletzungen des Völkerrechts und das Unrecht, das durch die Doppelmoral in der Außenpolitik verursacht wird, aufmerksam machen.

Das Beispiel der Solidarität mit Kuba beweist aber auch, dass das Streben nach guten Beziehungen zu anderen Ländern uns in solch kritischen Momenten, wie sie die Slowakei derzeit erlebt, hilfreich sein kann. Kuba erzielt bemerkenswerte Ergebnisse im Kampf gegen das Coronavirus. Es hat doppelt soviel Einwohner wie die Slowakei, aber die Zahl der Opfer liegt bei 550, während es hierzulande bereits 11.000 sind. Kuba entwickelt vier eigene Impfstoffe, während in Europa der verdeckte Kampf um Impfstoffe tobt.

Was meinen Sie damit?

Nachdem ich die kubanische Botschafterin getroffen habe, kann ich sagen: Havanna ist bereit, Bratislava mit seinen Erfahrungen im Kampf gegen Covid zu helfen. Es ist bereit, Informationen über die Entwicklung von Impfstoffen zur Verfügung zu stellen und der Slowakei Hilfe in Form eines medizinischen Teams der Henry-Reeve-Brigade zukommen zu lassen zur Unterstützung in ausgewählten Ortschaften der Slowakei, wo das Personal am Rande der psychischen und physischen Kräfte steht. Ich habe mich damit auch in einem Brief an den slowakischen Gesundheitsminister gewandt.

Welche Reaktion erwarten Sie?

Angesichts der politischen Turbulenzen, die durch den Kauf des russischen Impfstoffs »Sputnik V« verursacht wurden, gehe ich davon aus, dass die slowakische Regierung Kuba aus politischen Gründen nicht um Hilfe bitten wird. Auf jeden Fall versuchen wir, die slowakische Öffentlichkeit über die Möglichkeiten sowie die Bereitschaft Kubas zu informieren und damit kapitalistische Regierungen zu entlarven, die bereit sind, das Leben der Bevölkerung aufs Spiel zu setzen, nur um ihr Gesicht vor den Alliierten zu wahren.

Die sozialistische Tschechoslowakei pflegte gute Beziehungen zu Kuba. Che Guevara besuchte Prag, die CSSR half beim Aufbau der Industrie auf der Karibikinsel. Wie gestaltet sich heute in einem sogenannten postsozialistischen Land wie der Slowakei die Solidaritätsarbeit mit dem sozialistischen Kuba?

Die Wahrnehmung Kubas in der slowakischen Öffentlichkeit ist derzeit durch die Mainstreammedien und proatlantische Politiker stark verzerrt. Diese verbreiten das Bild einer extrem armen Diktatur, in der die Bevölkerung leidet. Besonders unter der jungen Bevölkerung müssen wir solche Stereotype abbauen. Zum Beispiel ist der Vergleich des Lebensstandards mit den entwickelten westlichen Ländern ziemlich manipulativ. Kuba sollte mit den Ländern seiner Region verglichen werden. Auch versuchen wir, positive Beispiele aus Kuba zu präsentieren. Da das Thema Covid aktuell ist, möchte ich den Fall des britischen Kreuzfahrtschiffes vom März 2020 erwähnen. Das Schiff mit Coronainfizierten irrte mehrere Tage durch die Karibik. Nur Kuba erlaubte zu ankern. Oder ich kann die Entsendung von medizinischen Teams der Henry-Reeve-Brigade in Krisengebiete erwähnen. Kuba betreibt sehr gute Diplomatie – im Vergleich zu den USA schickt es Ärzte in die Welt, keine Soldaten. Das sind die Beispiele, mit denen wir versuchen, den Mainstreammythen etwas entgegen zu setzen.

Artur Bekmatov ist Vorsitzender der slowakischen Partei Socialisti.sk

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

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Interview: Matthias István Köhler
junge Welt, 29.04.2021