Wohnen

Was jeder, der heute Kuba bereist, auf den ersten Blick feststellen kann, ist dies: Bei Busfahrten durch das Land, gleichgültig, um welche Provinz es sich handelt, kann man feststellen, daß fast überall gebaut wird. Im Bereich des Wohnungsbaus sind es meist größere Ansiedlungen in der Nähe der Städte (z.B. das von der Brigade besichtigte Baugelände von Alamar in der Nähe La Habanas und in Santiago de Cuba) oder aber kleinere Siedlungen und Städte auf dem Lande.Diese Wohngebiete auf dem Lande haben die Funktion, die bisher teilweise verstreut lebende Bevölkerung in kleinen oder mittelgroßen Orten zu sammeln, um so die Versorgung mit den grundlegenden Dienstleistungen (Wasser, Strom, etc.) besser zu ermöglichen, für die Kinder den Schulbesuch zu vereinfachen und die medizinische Versorgung zu erleichtern. So werden z.B. im Rahmen von wirtschaftlichen Erschließungsplänen - sowohl im Bereich der Landwirtschaft, als auch der Industrie - gleichzeitig Wohnungsbauprogramme verwirklicht, welche nach und nach die an diesen Projekten beteiligten Arbeiter, Techniker usw. aufnehmen. Schon an diesen wenigen Angaben kann man den grundsätzlichen Wandel feststellen, der im heutigen Kuba auf dem Wohnungsbausektor stattgefunden hat. Zum ersten Mal in der Geschichte Kubas wird mit Erfolg versucht, der arbeitenden Bevölkerung des Landes zu günstigen Bedingungen hochwertigen Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Dies gilt vor allem für die Landgebiete, für die bis zur Revolution so gut wie nichts getan wurde. Darüber hinaus werden neue Arbeitsplätze nicht mehr unabhängig vom Wohnungsangebot geschaffen – die Planung wird von vornherein koordiniert und außerdem mit den Bauprogrammen für soziale Einrichtungen wie Kliniken, Großküchen, Kinderhorten und -gärten sowie mit dem Schulbauprogramm abgestimmt.

Ein gutes Beispiel für diese Politik ist das Dorf "Los Naranjos", in dem unsere Brigade gearbeitet hat.

Dieses Dorf in der Region "Ceiba del Agua", Provinz La Habana, liegt auf dem Gelände einer entstehenden Zuchtfarm für Nutztiere. Sie ist Bestandteil eines umfassenden Regionalplans des "Plan Ceiba", mit dessen Hilfe das Gebiet landwirtschaftlich erschlossen werden soll, Die Schwerpunkte sind Viehwirtschaft. (Milch, Fleisch und Nebenprodukte) sowie Plantagenwirtschaft für Zitrusfrüchte aller Art und Kaffee. Parallel zur Entwicklung der Agrarprodukte erhält die Region eine solide Infrastruktur mit dem Ziel, eine auf Landwirtschaft aufbauende industrielle Entwicklung voranzutreiben.

Doch zurück zu unserem Dorf. Die jetzt noch verstreut und teilweise unter schlechten Bedingungen lebenden Landarbeiter sowie die dazukommenden Techniker etc. sollen später in das entstehende Dorf ziehen und dort leben, Die Vorteile sind deutlich: bessere Lebensbedingungen und Nähe zum Arbeitsplatz. Außer 312 Wohnungen sind eingeplant: eine Schule der Primarstufe, eine Kindertagesstätte, ein Einkaufszentrum mit Bibliothek, Apotheke und Café. Später wird vielleicht noch eine Technikerschule dazukommen. Für die älteren Kinder ist auch gesorgt: zum Gesamtkomplex des erwähnten "Plan Ceiba" gehören sieben "Secundarias Básicas", polytechnische Landschulen.

Gebaut werden meist Häuser des Typs "Sandino", ein neuer Typ von Häusern in Bungalow-Art, der in verschiedenen Größen gebaut wird. Eine Abwandlung ist ein zweistöckiges Gebäude mit vier Wohnungen. Zur Wohnraumaufteilung: alleinstehendes Ehepaar: zwei Zimmer, Küche, Dusche, Patio (Innenhof); Ehepaar mit einem Kind: drei Zimmer etc.; Ehepaar mit zwei Kindern: drei oder vier Zimmer etc.

Die Wohnungen sind voll ausgestattet mit Möbeln, Kühlschrank, Fernseher und Kocher. Hier, wie allgemein auf dem Lande, werden die Wohnungen mietfrei vergeben. Diese Angaben sind keine Schönfärberei; es sind Tatsachen - wir waren selber mehr als überrascht, als wir dies erfuhren. Die Verteilung erfolgt auch hier vor allem nach dem Kriterium der Dringlichkeit und des Bedürfnisses.

In "Los Naranjos" arbeiten auch Angestellte der DESA (Abteilung für Sozial- und Landwirtschaftsbauten, die auch das Baumaterial und die Maschinen stellt. Bauern aus der Umgebung (oft die späteren Bewohner) sowie internationale Brigaden sind ebenfalls am Bau beteiligt. Vor uns hatten schon der nordamerikanische "Brigada Venceremos" sowie die skandinavische "Brigada Nórdica" dort ihren Schweiß vergossen. Die Baumethode ist (den meist ungelernten Konstrukteuren, wie wir es waren, angemessen) kaum mechanisiert,

An Ort und Stelle werden Fertigteile gegossen, die für den Haustyp "Sandino" Verwendung finden; das "Hochhaus" des Dorfes, ein fünfstöckiges Gebäude‚ wird in konventioneller Bauweise erstellt. Die fehlende Mechanisierung verlängert natürlich die Bauzeit aber es geht sichtlich voran. Hinzu kommen andere Schwierigkeiten: der Boden ist felsig, Gräben und Fundamente müssen mit dem Preßlufthammer ausgebohrt oder auch gesprengt werden; da es kaum Kies gibt, muß man sich mit Meeressand, vermischt mit gemahlenen Felsen, behelfen das ist aufwendig, in zeitlicher wie in finanzieller Hinsicht. Außerdem sind die vorhandenen technischen Geräte oft alt und anfällig. Hier ist wohl der Ort, um einmal auf die enorme Erfindungsgabe der Kubaner hinzuweisen, was Reparatur und Ausbau von vorhandenen älteren Geräten und Werkzeugen angeht. Man trifft immer wieder auf Meisterleistungen dieser Art – es hat enorme Anstrengungen gekostet, das Ersatzteilproblem zu lösen, da aufgrund des US-Boykotts keine Ausrüstungsgegenstände für die früher meist aus den Vereinigten Staaten stammenden Werkzeuge und Maschinen mehr geliefert wurden.

Ähnliche Wohnbauprogramme konnten wir bei fast allen von unserer Brigade besichtigten industriellen oder agrarwirtschaftlichen Projekten sehen, so unter anderem im Valle de Picadura im Osten der Provinz La Habana und im Rahmen des sog. "Triángulo Lechero",in Camagüey. Hier handelt es sich um großangelegte Viehzucht- und Milchverwertungsprojekte. Im Industriegebiet von Nuevitas in der Provinz Camagüey waren ebenfalls parallel zum Aufbau der Betriebe Wohnraumbeschaffungsprogramme in der Ausführung. Wir werden nun versuchen, anhand unserer Beobachtungen und der Diskussionen, die wir mit vielen Kubanern führen konnten, die Praktiken, mit denen in Kuba die Lösung des Wohnraumproblems angegangen wird, zu verdeutlichen.

Mikrobrigaden - das ist das entscheidende Stichwort, wenn man an den neuen kubanischen Wohnungsbau denkt. Eine revolutionäre Idee, die erfolgreich umgesetzt wurde.

Eine "MICRO", wie die Kubaner sagen, besteht aus maximal 33 Mitgliedern eines Betriebes irgendeiner Branche, die von ihrer jeweiligen Arbeit für eine bestimmte Zeit freigestellt werden, um Häuser zu bauen. Von diesen 33, die von der Arbeiterversammlung des jeweiligen Betriebes aus der Gesamtzahl der Freiwilligen gewählt werden, arbeiten meist 23 direkt in der Konstruktion, während 10 die Versorgung der gesamten Brigade übernehmen. Der Grundgedanke ist also: Arbeiter lösen ihr Wohnproblem selbst, bauen selbst ihre Häuser. Das geht natürlich nicht ohne zusätzliche Leistung, um die Entwicklung in den verschiedenen Zweigen der Industrie nicht durch die Herausnahme eines Teils der Arbeiter zu behindern, übernehmen die Verbleibenden die Arbeit der "Brigadistas" Die wiederum arbeiten mehr, um schneller wieder aus den "MICROS" an ihre eigentlichen Arbeitsplätze zurückkehren zu können: Sie arbeiten Montag bis Samstag 10 Stunden täglich und am Sonntag sechs - macht 66 Stunden pro Woche. Dabei erhalten sie oft noch Unterstützung durch die Arbeitskollogen ihres Betriebes, die nach Feierabend zupacken helfen.

Die Microbrigadisten erhalten in der "MICRO" den gleichen Lohn wie früher im Betrieb, Dies wird aber geändert: Bald werden die Brigadisten mehr Lohn bekommen - entsprechend ihrer längeren Arbeitszeit.

Die mit dieser Lösung notwendig verbundenen Schwierigkeiten, z.B. das Problem, Arbeitern aus allen möglichen Bereichen der Wirtschaft des Landes schnell und effektiv die nötigen speziellen Fertigkeiten für die Arbeit auf dem Bau zu vermitteln, wurden erstaunlich schnell überwunden. Die Bauindustrie wuchs um fast 40 %. Heute arbeiten in ganz Kuba ca. 1.000 "MICROS".

Nach der Bildung erhält jede Brigade einen Vertrag mit dem Staat über die Bereitstellung des benötigten Materials und der technischen Ausrüstung. Dies ist nicht nur auf den Bau beschränkt: Ein Teil der Brigade arbeitet auch an der Herstellung von Möbeln (die Wohnungen werden schlüsselfertig und möbliert übergeben).

Einziehen können in die fertigen Wohnungen Brigadisten und die anderen Angehörigen des betreffenden Betriebes. Die Reihenfolge der Verteilung übernimmt die Vollversammlung (d.h. Brigadisten + Betriebsbelegschaft) nach dem Kriterium der Dringlichkeit. Natürlich ist es das Ziel, jedem eine moderne Wohnung zu geben, aber die Arbeit in einer "MICRO" ist keine Garantie dafür, zuerst eine zu bekommen.Außerdem ist es oft so, daß Microbrigadisten bereits eine neue Wohnung haben – in Alamar waren es ca. 30 %. Nach der Fertigstellung geht das Gebäude in das Eigentum des Staates über die weitere Verwaltung und Instandsetzung der Häuser übernimmt eine Arbeitsgemeinschaft aus Brigadisten und anderen Betriebsangehörigen, in erster Linie Hausbewohner.

Die Mieten, die erhoben werden, sind denkbar gering: Während auf dem Lande, wo jetzt noch der größte Mangel herrscht und die Förderung durch die Revolutionsregierung am intensivsten ist, die Wohnungen und Häuser mietfrei und ohne Entgelt für Möbel usw. überlassen werden, beträgt die Miete in größeren städtischen Neubaugebieten 6 % des Einkommens des Familienoberhauptes und zusätzlich für die Einrichtung drei Jahre lang 4 %. Danach ist die Einrichtung Eigentum der jeweiligen Familie. In der Hauptstadt La Habana werden 10 % des Einkommens als Miete erhoben.

Es ist letztlich Ziel jedes Arbeitszentrums, eigene "MICROS" auf die Beine zu stellen, um so das Wohnraumproblem überall und endgültig zu lösen und so lange soll auch das System der Microbrigaden beibehalten und gefördert werden, das nur durch einen hohen Bewußtseinsgrad aller beteiligten Arbeiter ermöglicht und weiterentwickelt werden konnte.

Eines der interessantesten Projekte, das die Brigade besuchen konnte, war die Großbaustelle "ALAMAR", auf einem Küstenstreifen östlich von La Habana liegt.

Bis 1980 werden Mikrobrigaden dort 26.500 Wohnungen fertigstellen,ein eindrucksvolles Vorhaben also. Initiiert wurde das Projekt durch Fidel Castro, der in verschiedene Betriebe dieser Region ging und mit den Arbeitern über Sinn oder Unsinn der Bildung der erwähnten Mikrobrigaden diskutierte. Alamar war sozusagen das "Versuchsgelände" für die Durchführung des ganzen Systems - der erste Ort, an dem nach der neuen Idee gearbeitet wurde und der Vorläufer für alles weitere.

Die zukünftige Stadt ist großzügig angelegt. Aufgelockerte Bebauung, ausreichende soziale Einrichtungen und die Berücksichtigung der Lage der Arbeitsplätze beweisen dies.

Ein 8 km langer "grüner Gürtel" am Meer entlang bietet Platz für Sportanlagen, Kinderspielplätze und Parks. Verstreut im Wohngebiet entstehen 18 Schulen der Primarstufe für jeweils 900 bzw. 1.200 Schüler.

Des weiteren, geht eine Poliklinik mit einer Versorgungskapazität für 20.000 Menschen ihrer Vollendung entgegen. Im Endstadium wird es in der Stadt, die schließlich etwa 130.000 Einwohner zählen wird,mehr als 50 Kindergärten geben.

Schließlich entstehen noch "centros comerciales". Es wäre falsch, den Ausdruck "centro comercial" wörtlich mit "Einkaufs-" oder "Handelszentrum" zu übersetzen. Ein solcher Komplex ist nicht nur ein Ort, an dem man Geld ausgeben kann; außer Geschäften verschiedenster Art, Friseur- und Kosmetikläden gibt es noch Bibliotheken, Aufenthaltsräume und vieles andere mehr. Ein Kino mit drei Sälen für jeweils 900 Zuschauer wird die Möglichkeiten für die Freizeitgestaltung erweitern.Abgerundet wird das Ganze durch zunächst zwei zentral gelegene Großküchen für Schulen, Kindertagesstätten und ähnliche Einrichtungen.

Das Gelände, auf dem Alamar entsteht,war früher in Privatbesitz und begehrter Baugrund für Ferien- und Wochenendhäuser der herrschenden Klasse, da die Lage ausgesprochen schön ist. Die Frage, warum hier ein großes Wohnprojekt verwirklicht wird, ist ziemlich leicht beantwortet: Erstens waren schon eine Reihe infrastruktureller Einrichtungen (Strom, Wasser, Telefon usw.) zumindest teilweise vorhanden, und zweitens war die Nähe zu den Arbeitsplätzen im Einzugsgebiet von La Habana entscheidend. Einige werden in Alamar neu geschaffen: Eine Textilfabrik für mehr als 600 Arbeiter, meist Frauen, wird gerade gebaut.

Zur Zeit unseres Besuches arbeiteten am gesamten Objekt 85 "MICROS" mit insgesamt etwa 2700 Arbeitern. In der Endphase wird der ganze Komplex 650 Wohngebäude umfassen, 100 davon, mit mit dreißig oder vierzig Wohnungen, sind schon fertiggestellt. In ALAMAR wird nach acht Grundtypen mit 5, 8 ,12 ,15 und 20 Stockwerken gebaut, die in Kuba, der UdSSR und Jugoslawien entwickelt wurden. Im Verlauf des Bauens ist es schon des öfteren vorgekommen, daß an diesen auf nationaler Ebene vom zuständigen Ministerium vorbereiteten Plänen Veränderungen vorgenommen wurden, die man auf den Produktionsversammlungen der Arbeiter diskutiert und beschlossen hatte. Der zusätzliche Anbau von Balkons an einem bestimmten Haustyp wurde schon verwirklicht. Im Augenblick plant man ein System, das ein flexibleres Ziehen der Innenwände ermöglichen soll, um die Wohnungen besser den individuellen Bedürfnissen der jeweiligen Familien anpassen zu können.

Im allgemeinen wird in ALAMAR heute noch nach einer Mischung aus konventioneller Bauweise und Fertigbaumethode de gearbeitet. (Eine vollmechanisierte Bauweise gibt es im Augenblick nur in Santia Vergo de Cuba ). Allerdings versucht man auch in Alamar, immer mehr Fertigteile beim konventionellen Bau zu verwenden, und es wird angestrebt bis 1976 die Vollmechanisierung so zu erweitern, daß eine Steigerung der Produktivität um 200 % bis 300 % erwartet werden kann. Das würde bedeuten: komplett nicht wie bisher in 12 Tagen, sondern in 6 oder 4.

Um die Stadt mit Trinkwasser zu versorgen, haben die "MICROS" bisher auch schon zwei kleine Stauwehre an einem nahen Flüßchen sowie Wasserauffangbehälter gebaut. Zur Beseitigung der Abwässer wurden zwei. Abflüsse zum Meer fertiggestellt.

Nachdem unsere Brigade in einem Informationsmeeting ihren Hunger nach noch mehr Zahlen und Daten endlich gestillt hatte, hieß die Parole für die nächste Stunde: Allein oder in kleinen Gruppen "ausschwärmen, sehen, diskutieren".

Ich besuchte eine Familie mit drei Kindern in einem der Blocks. Nach anfänglicher Unsicherheit kam man ins Gespräch. Die Familie stammte aus dem Osten Kubas, der Mann war selbst Brigadist und hatte als einer der ersten in ALAMAR eine Wohnung bekommen. Es war eine Wohnung des zweiten Typs, d.h. 3 Schlafzimmer, Wohnzimmer, Küche, eine Dusche und ein Balkon, alles in allem 72 qm Wohnraum. Die 4% Ableistung für die Möbel wurden nicht gezahlt. Man hatte eigene Möbel mitgebracht und den Rest in der Freizeit selbst geschreinert.Die Wohnung war mit allem Nötigen versehen:Kühlschrank, Fernseher und Kofferradio fehlten ebensowenig wie politische Plakate und Graphiken der CDR (=Komitees zur Verteidigung der Revolution), der Partei, der Jugendorganisation, Solidarität mit Vietnam und Chile, Vorbereitung des 13.Gewerkschaftskongresses, Freiheit für die portugiesischen Kolonien.

Nachdem die letzten Brigadeteilnehmer wieder zu den Bussen zurückgekehrt waren und die Weiterfahrt begann, hatte jeder Zeit und Gelegenheit, die Eindrücke Alamar: zu verarbeiten. Falsch ist sicher, Alamar mit den sogenannten "Luxusappartements" bei uns zu vergleichen, in denen sowieso nur die wenigsten wohnen können. Nur: den Komfort unserer Alt- und Alt-Neubau-Wohnungen erreicht bzw. übertrifft Alamar sicherlich. Viel richtiger ist es, sich die Situation, die Mittel und Möglichkeiten eines unterentwickelten Landes wie Kuba vor Augen zu führen, um dieses und ähnliche Projekte angemessen zu beurteilen. Wer einen Begriff davon hat, wie die Wohnsituation vor 1959 aussah, was ein "Bohiot", eine Hütte ohne festen Boden war, der bis dahin der gängige Typ von "Wohnung" für die meisten Kubaner war, der kann sich wohl eher eine Vorstellung davon machen, welchen Stellenwert der Umzug in neue Wohnungen, wie sie in Alamar gebaut werden, für einen kubanischen Arbeiter oder Landarbeiter hat und welche Leistung sich hinter solchen Projekten verbirgt. Noch ist es mit diesen Hütten leider nicht zu Ende, wir sahen sie sogar teilweise direkt neben den Neubausiedlungen.

Nun noch kurz ein paar Worte zum zweiten, schon weiter oben erwähnten Großprojekt im Bereich des Wohnungsbaus, das unsere Brigade ebenfalls besuchte, Nachdem der Zyklon "Flora" im Jahre 1963 besonders im Osten, in der Provinz Oriente, große Zerstörungen angerichtet hatte, wurde ein Sofortprogramm zur Wiederherstellung und zum Neubau des zerstörten Wohnraums in Gang gesetzt. Nicht zuletzt durch die schnell einsetzende Hilfe der sozialistischen Länder (z.B. erstellte die Sowjetunion in kurzer Zeit eine vollmechanisierte Anlage für die Herstellung von Fertigteilen) war es möglich, ein umfangreiches Bauprogramm in Angriff zu nehmen. Ein neuer Stadtteil für Santiago de Cuba wurde geplant, das "Barrio José Martí". Von den projektierten 50.000 Wohnungen sind schon 12.000 gebaut. Wir können dieses Projekt hier nicht weiter beschreiben und erwähnen es vor allem, um einmal nachdrücklich auf die große Bedeutung der Unterstützung für das revolutionäre Kuba durch die sozialistischen Staaten hinzuweisen. Dies zeigt sich nicht nur bei so dringlichen Vorhaben wie der erwähnten neuen Stadt. Bei allen möglichen anderen Projekten wird immer wieder bewiesen, was echte "Entwicklungshilfe" Bedeutet.

Als Zwischenbilanz könnte man vielleicht folgendes sagen: Natürlich wäre es falsch und unsinnig, aufgrund der herangezogenen Beispiele zu sagen, Kuba habe das Wohnungsproblem schon gelöst. Es besteht noch ein großer Mangel, es gibt viele Engpässe. Aber das wissen die Kubaner auch und sie sind sicherlich die Letzten, die sich in bezug auf dieses Problem Sand in die Augen streuen würden. Was wir mit den wenigen angeführten Beispielen zeigen wollten, ist, daß im revolutionären Kuba von 1973 auch diese Schwierigkeiten angepackt werden und daß das kubanische Volk auf dem besten Wege ist, sie aus dem Weg zu räumen. Es wurden der Situation im Lande entsprechende Lösungsmöglichkeiten gesucht. Betrachtet man die zur Verfügung stehenden Mittel, so muß man wohl sagen, daß die jetzt schon erzielten Fortschritte für ein Land, das sich gerade aus der Unterentwicklung herausarbeitet, enorm sind. So zeigt sich immer mehr, welche Möglichkeiten ein Land hat, das sich von ausländischen Kapitaleinflüssen befreit hat und mit eigener Kraft und solidarischer Hilfe die Entwicklung vorantreibt. Was heute pro Jahr geleistet wird, auch und gerade im Bereich der Bauindustrie, ist mehr, als vor der Revolution in Jahrzehnten verwirklicht wurde. Dies spricht unserer Ansicht nach für sich und den gewählten Weg.

Reise nach Cuba - 1973