Emanzipation der Frau - Frauensache?
Männersache? - Sache der Revolution!

Ich glaube, wir waren alle sehr stark an der "Frauenfrage" interessiert, doch besonders waren wir Mädchen diejenigen, die immer wieder fragten. Klar, wir leben im kapitalistischen Westeuropa, und wir erfahren die Benachteiligung der Frauen täglich, die noch immer mit "angeborener Minderheit" begründet wird. So kamen wir nach Kuba, sahen und fragten viel. Und natürlich von unserem west-, ich glaube, europäischen Bewußtsein her!

Was uns zunächst auffiel, war die tägliche Gleichstellung der Frau im Alltag und bei der Arbeit. Auf dem Bau wurde von uns Frauen die gleiche Leistung erwartet wie von den Männern, deswegen brachte man unseren Leistungen auch die gleiche Achtung entgegen. Vielleicht hatten wir insgeheim gedacht, weil wir Mädchen sind, würde man schon Rücksicht auf uns nehmen. Doch als wir sahen, mit welcher Selbstverständlichkeit die zarten Kubanerinnen überall da anpackten: wo es nötig war, waren wir entschlossen, jede Art von "Rücksicht" auf unser Geschlecht zurückzuweisen.

Das waren praktische Erfahrungen, die uns halfen, unsere Fragen anders zu stellen. Wir lernten, was Frauenemanzipation, über die viele von uns hier immer wieder nachdenken, reden und vielleicht schreiben, praktisch in einem Land heißt, in dem der Sozialismus aufgebaut wird.

Wir wissen alle, daß die Voraussetzung für die Befreiung der Frau ihre ökonomische Unabhängigkeit ist, die Chance, genauso ausgebildet zu werden wie der Mann, und die Möglichkeit, nicht unter der Doppelbelastung von Haushalt und Beruf zu leben wie die arbeitende Frau bei uns. Diese Vorbedingungen, diese Chancen und Möglichkeiten hat die kubanische Frau; sie wurden ihr nicht geschenkt, sie hat sie sich zusammen mit dem Mann während der Revolution erkämpft.

Natürlich gibt es beim Aufbau des Sozialismus Schwierigkeiten, die u.a. auch diese Bedingungen beeinträchtigen. So gibt es auf jeden Fall noch zu wenig Kindergärten, zu wenig Gemeinschaftseinrichtungen wie Wäschereien oder Großküchen. Auch ist es bisher nicht möglich gewesen, jede Frau die qualifizierte Ausbildung nachholen zu lassen, die ihr vor der Revolution verwehrt wurde. Doch grundsätzlich hat die Revolution die Möglichkeit geschaffen, all diese Probleme zu lösen.

Vor der Revolution waren die Frauen eine der am meisten ausgebeuteten und unterdrückten Gruppen der kubanischen Bevölkerung. Sie waren Hausfrauen, Arbeitstiere oder verachtete Prostituierte für die Yankees. (In La Habana gab es vor der Revolution 50.000 weibliche und männliche Prostituierte!) Dazu kommt, daß Kuba ein unterentwickeltes Land mit spanisch-katholischer Tradition war. Diese Tradition ist es, die den Frauen heute immer noch zu schaffen macht. Das zeigt sich an ihrem eigenen Bewußtsein (z.B. arbeiten nur 30 % der Frauen im arbeitsfähigen Alter) und natürlich auch am Bewußtsein der Männer. Es gibt in Kuba das Problem des "Machismo", des Männlichkeitskultes, und Männer, die in dieser Ideologie erzogen wurden, ändern natürlich auch nach einer Revolution - noch dazu in einem so kurzen Zeitraum - nicht so leicht ihre Haltung den Frauen gegenüber. So muß also der Kampf um die Emanzipation der Frau gegen die Tradition geführt werden. Wie sieht dieser Kampf aus?

In den Schulen werden die kubanischen Kinder heute gemeinsam erzogen. Jungen und Mädchen lernen zusammen lesen, schreiben und rechnen, aber auch nähen und andere hauswirtschaftlichen Tätigkeiten. Gemeinsam säubern sie ihre Zimmer, gemeinsam erledigen sie den Abwasch und ähnliches. Für die Generation, die heute die Schule besucht, wird Arbeitsteilung im Haushalt also kein Problem mehr sein, denn schon heute ist sie für die Kinder eine Selbstverständlichkeit. Und die Jugendlichen, die noch vor der Revolution erzogen wurden?

Die "Seguidores de Camilo y Che" z.B., die sich verpflichten, drei Jahre überall dort zu arbeiten, wo die Revolution sie braucht, lernen auch alle hauswirtschaftlichen Tätigkeiten, so daß sie sich selbst versorgen und ihre zukünftigen Ehefrauen entlasten könnten. Und doch, hier gibt es schon Probleme. Ich fragte einen: "Kannst Du kochen?" - "Ja natürlich, ich koche gern. Ich kann auch nähen und vieles mehr." - "Aber es gibt noch viele Frauen, die nur Hausfrau sind. Liegt das vielleicht an den kubanischen Männern?" - "Nein, nein! Die Männer helfen im Haushalt. Viele Männer kochen oft." - "Und waschen die Männer auch? Würdest Du die Wäsche machen?" Verlegenes Lächeln - "Die Wäsche... hm..."

Sie werden es lernen; sie werden es lernen müssen.

Über ein anderes Thema sprachen wir bei der Arbeit mit einem kubanischen Mädchen. Wir Europäerinnen trugen wegen der unerträglichen Hitze, wenn die Arbeit es zuließ, Shorts und Bikinioberteil. Die kubanischen Mädchen hatten aber auch an den heißesten Tagen immer Blusen an. Wir fragten: "Sieht man es vielleicht nicht gern, wenn wir hier so halb nackt bei der Arbeit 'rumlaufen?" - "Nein, da hat keiner was dagegen. Wir wissen auch, daß es bei euch in Europa nicht so heiß ist, und daß ihr die Arbeit bei der Hitze nicht gewohnt seid." - "Also bei uns habt ihr Verständnis. Aber wie ist es bei euch? Sieht man es nicht gern, wenn ihr euch genauso anzieht wie wir?" "Oh nein, niemand würde etwas sagen" - "Aber Du hast immer Deine Bluse an, obwohl Du schwitzt." - "Nun, es ist so, die kubanischen Männer sind sehr temperamentvoll, und vielleicht wäre es nicht gut..." - "Wieso die Männer? Wir finden die kubanischen Frauen auch sehr temperamentvoll." - "Aber das ist bei Männern doch was anderes... !"

Aha!

Von solchen Beispielen könnten wir mehr bringen, doch am Ende unserer sechs Wochen in Kuba hatten wir auch gelernt, Geduld zu haben. was es heißt, Die Tradition, unter der die Kubaner "leiden", ist alt. Deswegen nimmt auch der Kampf dagegen viel Zeit in Anspruch. Die Frauen erhalten von der Regierung Unterstützung dabei, doch den größten Teil dieses Kampfes, den sie ja auch gegen ihre eigenen traditionellen Anschauungen führen, werden sie wohl selbst in die Hand nehmen müssen. Sie wissen auch, daß bis zur vollständigen Befreiung noch ein weiter Weg ist. Frage an einen kubanischen Mann: "Ist die kubanische Frau emanzipiert?" - "Ja, heute ja. Früher gab es Machismo, und die Frau war nicht frei, doch heute gibt es keinen Unterschied mehr zwischen Frau und Mann." Dieselbe Frage an eine kubanische Frau: "Oh nein, das dauert noch lange. Wir haben heute dieselben Rechte wie der Mann und dieselben Möglichkeiten. Aber noch gibt es Tradition und Machismo."

"DAS PROLETARIAT KANN DEN VOLLSTÄNDIGEN SIEG NICHT ERREICHEN, OHNE DIE VOLLSTÄNDIGE FREIHEIT DER FRAU ZU ERRINGEN." (Parole der Vorbereitungsversammlungen für die Zweite Nationale Konferenz der arbeitenden Frauen – 1972)

Federación de Mujeres Cubanas (FMC)
Vereinigung der Frauen Cubas


Die FMC wurde 1960 gegründet, hat 1.758.990 Mitglieder (1973), davon 340.000 Aktivistinnen und 200.000 Kader. In der FMC sind 56 % aller Frauen über 14 Jahren organisiert, Arbeiterinnen (29 %), Studentinnen (9 %) und Hausfrauen.

Aufgabe der FMC ist es, die völlige Gleichstellung der Frau in der Gesellschaft zu erreichen und die Frauen in den Arbeitsprozeß einzugliedern. Es gibt ein Sekretariat für Soziales, Hygiene und Gesundheit, das monatliche Gesundheits- und Sexualinformationsveranstaltungen abhält. In diesem Sekretariat werden Frauen ausgebildet, die noch nicht in der Produktion arbeiten, aber freiwillige Arbeit für die Gesellschaft übernehmen wollen. Ein Beispiel ist die Brigade der Sanitäterinnen, deren Hauptaufgabe die Versorgung von Schwangeren ist, die außerdem Sexualaufklärung in Schulen und Polikliniken durchführt und bei der vorsorgenden medizinischen Behandlung mitarbeitet. Die FMC hat die Ausbildung von Sozialarbeiterinnen übernommen, die ebenfalls freiwillig arbeiten, in erster Linie mit Jugendlichen, mit verhaltensgestörten speziell Jugendlichen. Diese Frauen befassen sich auch mit dem Problem der Jugendkriminalität, von dem es aber nur noch letzte Überreste geben soll. Eine Gruppe der FMC-Frauen nennt sich "Kämpfende Mütter in der Erziehung"; sie arbeiten mit an der Erstellung der Stundenpläne in den Schulen, an der Gestaltung des Unterrichts und leiten verschiedene Zirkel in den Schulen. Außerdem setzen sie sich bei den Pioniergruppen ein.

Die FMC hat an allen Erziehungskampagnen Kubas teilgenommen und konnte so das traditionelle Rollenbild der Kubaner verändern. In der Alphabetisierungskampagne z.B. haben die Frauen "bewiesen", daß sie auch unter schwersten Bedingungen "ihren Mann stehen können": über 50 % der "alfabetizadores" waren Frauen, die auf's Land und in die Betriebe gingen, um zu lehren und das Analphabetentum zu beseitigen.

In den FMC-Büros werden regelmäßig jeden Monat Schulungen durchgeführt. Mitglieder und Interessierte studieren den Marxismus-Leninismus, lesen die Klassiker, Reden von Fidel, Castro und Che, befassen sich mit Geschichte – auch der der Frauenbewegungen - und diskutieren über das Gelernte.

Warum arbeiten nicht alle Frauen - und warum werden sie nicht einfach zur Arbeit eingeteilt?

Wenn das praktiziert würde, würden sich alle diese Frauen mit Recht manipuliert fühlen. So wurde in Kuba der einzig richtige Weg zur Lösung solcher Probleme beschritten: die Frauen werden überzeugt und arbeiten nur dann.

Kuba braucht dringend jede Arbeitskraft, um das Land weiterzubringen und eine starke autarke Wirtschaft aufzubauen. Deshalb gibt es auch das Arbeitsgesetz, das besagt, daß jeder Kubaner das Recht auf Arbeit, aber auch die Pflicht zur Arbeit hat. Nur die Frauen sind davon ausgenommen. Dieses Gesetz bedeutet natürlich nicht, daß die Regierung die Frauen vom öffentlichen Leben fernhalten will. Tatsache ist aber, daß sich viele Frauen, die vor der Revolution erzogen wurden, aufgrund ihrer traditionellen Anschauungen noch an das Haus gebunden fühlen und glauben, ihre Aufgabe sei ausschließlich, sich um Küche und Kind zu kümmern. Soll nun die Resie es wollen. Diese Überzeugungsarbeit wird im wesentlichen von der FMC geleistet; sie fängt dort an, wo den Frauen erklärt wird, welche Rolle die Frau im Kapitalismus spielt und wie sie schon lange dagegen angekämpft hat. Wenn sie erkennen, daß die Frau im Sozialismus keine "weibliche Rolle" zu spielen hat, sondern jetzt endlich die Möglichkeit hat, ihre Gleichberechtigung in der Gesellschaft zu erkämpfen, dann können sie auch erkennen, daß Arbeit für den Sozialismus Arbeit für die Gesellschaft bedeutet; Arbeit dafür, daß Mann und Frau frei sein können. Dann wird es ihnen möglich sein, ihre Arbeit für den Sozialismus freiwillig aufzunehmen.

Große Hilfe für die kubanische Frau ist die Gewißheit, daß ihre Kinder nicht auf der Straße herumlaufen müssen, wenn sie arbeitet. Die Revolution kümmert sich um die Kinder und läßt ihnen die bestmögliche Erziehung zukommen.

Säuglinge können vom 45. Lebenstag an in "jardines infantiles" (bei uns etwa: Krippen) gebracht werden, mit 3 - 4 Jahren gehen sie in den Kindergarten. Doch dieser Kindergarten ist nicht wie oft bei uns eine Aufbewahrungsstätte, sondern die persönlichen Fähigkeiten des Einzelnen werden gefördert, die Kinder werden auf das gesellschaftliche Leben vorbereitet und im Sinne der Gemeinschaft erzogen. Die Krippen und Kindergärten sind in den Betrieben oder in deren Nähe untergebracht. Die Kinder erhalten dort - ebenso wie in den Grundschulen - kostenlos ihre Mahlzeiten und werden ständig von einem Arzt überwacht.

Arbeitende Frauen haben für Arztbesuch einen freien Tag im Monat, Schwangere können gehen, so oft es notwendig ist. Sie erhalten vier Monate Schwangerschaftsurlaub - sechs Wochen vor und zehn Wochen nach der Entbindung, wenn nötig, werden sie schon vom 7. Monat an freigestellt. Da die Säuglinge in der Nähe der Mutter untergebracht sind, können sie sie stillen, sogar während der Arbeitszeit. In den Landmittelschulen, den "Escuelas Secundárias Básicas en el Campo" werden bevorzugt die schulpflichtigen Kinder von arbeitenden Müttern aufgenommen, da es noch nicht genug dieser Schulen für alle Kinder gibt.

FMC-Frauen sagten uns: "Es gibt keine 'Aufstiegsbegrenzungen' für Frauen im wirtschaftlichen, kulturellen oder politischen Bereich. Wenn trotzdem heute noch mehr Männer als Frauen in Leitungspositionen zu finden sind, sind diese Grenzen von der Tradition gesetzt." Doch weist das gesellschaftliche Bewußtsein der jungen Kubanerinnen darauf hin, daß dieses Verhältnis in Zukunft anders aussehen wird.

Verhütungsmittel -
gibt es bei Ärzten und in Apotheken für Mädchen und Frauen. Allerdings findet man auch Mädchen, die nicht darüber informiert sind.

Schwangerschaftsabbrüche -
werden schnell und kostenlos auf Wunsch der Frauen (auch der unverheirateten) in Polikliniken durchgeführt. Es wird geprüft, ob Gefahr für die Gesundheit der Frau bei einem Eingriff besteht.

Hochzeit -
ist eine unkomplizierte Angelegenheit von zehn Minuten.

Ehescheidungen - dauern genausolange, werden auf Wunsch vorgenommen und sind ausgesprochen häufig.



Reise nach Cuba - 1973