Die Universität von Santiago de Cuba (Oriente)

Am Nachmittag des 10. Juli 1976 besuchten alle Teilnehmer der Brigade die Universität von Santiago de Cuba. Im Theater der Universität wurden wir vom Leitungsgremium der Universität, Vertretern der UJC und der FEU begrüßt. Die Informationen, die wir von den genannten Vertretern der Universität erhalten haben, können infolge der Dauer der Veranstaltung (zwei Stunden) nur allgemeinen Charakter beanspruchen.

Einleitend informierte uns ein Dia-Vortrag über die Geschichte der Universität. Sie wurde 1947 gegründet und hatte bis 1959 in Fachrichtungen mit primär geisteswissenschaftlicher Ausrichtung etwa zehntausend Studenten. Diese rekrutierten sich vor allem aus dem Bürgertum und eine große Anzahl von ihnen verließ, wie auch viele Professoren, nach dem Sieg der Revolution das Land. Die Folge davon war, daß für den Aufbau des neuen Systems viele Spezialisten fehlten, vor allem in den technischen Disziplinen und in der Medizin.

Heute studieren an der Universität 16.000 Studenten in 26 Fachrichtungen; die Studierenden teilen sich in 52% Direktstudenten und 48% Fernstudenten und in jeweils 50% Männer und Frauen auf - die einzelnen Fachrichtungen konzentrieren sich auf Medizin, technische- und Ingenieurdisziplinen, auf Wirtschaftswissenschaften und Lehrerausbildung. In La Habana befindet sich die größte Universität des Landes; sie hat alle Fachrichtungen. Ab dem Studienjahr 1976/77 soll es in Oriente acht Universitätszentren geben, die alle von Santiago aus geleitet werden.

Der Hochschulzugang und die soziologische Zusammensetzung der Studentenschaft sieht folgendermaßen aus:

Nach dem erfolgreichen Besuch der Voruniversität - gleichzusetzen mit unserer Sekundarstufe II - kann man in die Hochschule eintreten und die. jeweils gewünschte Fachrichtung frei wählen, Arbeiter können nach entsprechenden Qualifikationen ebenfalls das Studium aufnehmen; sie studieren in der Regel in der Form des Fernstudiums (zwei Stunden am Tag), in besonderen Fällen erhalten sie auch ein Vollstudium.

Die heutigen Studenten rekrutieren sich in erster Linie aus der Arbeiterklasse; eine kleine Anzahl sind Bauernkinder, während des ganzen Studiums erhalten die Studenten Verpflegung, Unterkunft, Kleidung, Lehrbücher kostenlos von der Provinz Oriente gestellt, Das darüber hinausgehende Stipendium beträgt für den Einzelnen je nach abgeschlossenen Semestern 40 bis 90 Pesos im Monat. Die Arbeiterstudenten werden während ihres Studiums voll entlohnt.

Die Leitung der Universität liegt in den Händen eines Rektorats mit einem Rektor und vier Stellvertretern,. Die PCC (Kommunistische Partei Kubas), die CTC (Gewerkschaft), die UJC (Kommunistische Jugend) und die FEU (Studentenföderation) sind an der Hochschule offiziell vertreten und gehören der Gesamtleitung. der Universität an. Vor allem die FEU ist, in Zusammenarbeit mit der UJC, an der Erstellung des Studienplans und der Diskussion aller universitärer Belange und Probleme beteiligt.

Die somit wichtigste Massenorganisation an der Universität ist die FEU, Neben der unmittelbaren Leitungsarbeit hat sie auch die Verbindung von Studium und produktiver Arbeit und Studium und späterem Beruf zu gewährleisten, Die produktive Arbeit nimmt 20 Stunden in der Woche ein; sie wird vor allem im Bau neuer Universitätseinrichtungen geleistet, wobei die spezifischen Berufsqualifikationen – Bauingenieur oder technischer Wissenschaftler – bei der Arbeit berücksichtigt werden. Die Medizinstudenten arbeiten ausschließlich in medizinischen Einrichtungen der Provinz. Weiterhin ist der Studentenverband damit befaßt, Wettbewerbe zur besseren Erfüllung der Studienpläne und Prüfungen zu leiten (so bestehen zur Zeit 91% der Studenten im Gegensatz zu vor fünf Jahren 78% ihre Examina) und Probleme, wie pädagogische Schwierigkeiten, das Zusammenleben der Studenten etc. anzugehen. In der Umsetzung dieser Aufgaben werden monatliche Versammlungen der Studenten einberufen, auf denen die anstehenden Probleme diskutiert und.Maßnahmen zu ihrer Lösung beschlossen werden. Diesbezüglich gibt es auch Lehrversammlungen, die von der FEU, der UJC und den Hochschullehrern veranstaltet werden.

Über ein Allgemeinstudium, das das kommende Studienjahr einführen wird, ist folgendes zu berichten:

Jeder Student muß sich während seines Studiums mit der Theorie des wissenschaftlichen Sozialismus und der Geschichte Kubas und Lateinamerikas beschäftigen. Damit ist intendiert, daß jeder Hochschulabgänger einen allgemeinen Überblick über diese Probleme erhält und somit das Niveau der Bildung erhöht wird, das unabdingbar für die Teilnahme am weiteren gesellschaftlichen Prozeß ist.

Es wurde noch über die Forschung an der Universität von Oriente berichtet. Die Studenten beteiligen sich nach dem ersten Studienjahr am Forschungsprozeß; sie können aus den vorgeschlagenen Forschungsbereichen ihrer jeweiligen Fachrichtung frei wählen. Die Hauptbereiche liegen darin, praktische Ergebnisse für die ökonomische, soziale und kulturelle Entwicklung der Provinz Oriente zu erzielen, Weiterhin gibt es Bereiche der Grundlagenforschung für die Technik, die Wirtschaft und den Wissenschaftsprozeß, Die Forschungsarbeiten dieser Universität werden vom Nationalen Rat für Wissenschaft und Technik koordiniert - also in Abstimmung mit den anderen Universitäten im Land -, und dieser arbeitet eng mit den Forschungseinrichtungen des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) zusammen, dessen Mitglied Kuba seit 1972 ist.

Nach Beendigung des Studiums leitet das Arbeitsministerium den Eintritt in den Beruf; in den Bereichen, in denen wissenschaftliche Kader benötigt werden, werden die examinierten Studenten eingesetzt. Da ein hoher Bedarf an Hochschullehrern und Wissenschaftlern besteht, bleiben viele Studenten in den verschiedenen Wissenschaftseinrichtungen des Landes.

während des Studiums erhalten die Studenten eine militärische Ausbildung, die in Zeitblöcken absolviert wird und je nach Semesterhöhe und Fachrichtung spezialisiert ist, Mit allen Mitgliedern der Universität - also auch mit den Professoren - wird ein Wachdienst für das Universitätsgelände organisiert; der Grund dafür ist der Schutz der Universität vor konterrevolutionären Angriffen, die massiv bis zum Jahre 1965 stattfanden. Nach dem Examen verlassen die Studenten die Hochschule als Offiziere der Reserve.

An der Universität von Santiago studieren an ausländischen Studenten lediglich Studenten aus der UDSSR - im Gegensatz zur Universität von La Habana, an der Studenten aus allen sozialistischen Staaten und unterentwickelten Ländern studieren.

Die Studenten von Oriente bereiten sich seit diesem Jahr auf die XI. Weltfestspiele der Jugend und Studenten vor - zur Zeit in erster Linie durch freiwillige Arbeit. Für das kommende Studienjahr wird derzeitig (während unseres Aufenthalts also) ein allseitiger Aktionsplan entwickelt.

Brigade-Info / Ein Reisebericht aus Kuba - 1976