Verschiedene Vorgänge auf Kuba liefern zur Zeit den bürgerlichen Medien den Vorwand zu wilden Spekulationen und großen Schlagzeilen. Was auf Kuba wirklich vor sich geht, darüber sprach Fritz Noll mit dem kubanischen Botschafter in Bonn, Alberto Boza Hidalgo-Gato.

Botschafter Kubas, Hidalgo-Gato: "Das Volk steht hinter der Revolution"

F.N.: Companero Botschafter: In den Massenmedien der USA und Westeuropas wird zur Zeit eine antikubanische Kampagne geführt, die die in den letzten fünf Jahren sich positiv entwickelnden Beziehungen zwischen unseren Ländern stark belasten muß. Welche Hintergründe sehen Sie für diese antikubanische Stimmungsmache?

Botschafter Boza Hildalgo-Gato: Es ist richtig, daß sich eine Kampagne gegen Kuba entwickelt hat, und es besteht kein Zweifel daran, daß sie zum Ziel hat, dem Ansehen der kubanischen Revolution zu schaden. Aber die, die diese Kampagne entwickelt haben, begehen einen großen Irrtum, wenn sie denken, daß die Vorgänge in der Botschaft Perus der Revolution Hindernisse in den Weg stellen würden. Das kubanische Volk hat mit seiner Standhaftigkeit, mit seiner Festigkeit und seiner Disziplin diese Absicht vereitelt.

Es ist nicht das erste Mal, daß man Kampagnen gegen die kubanische Revolution entwickelt. Aber in allen vorherigen Fällen wurden die Feinde der kubanischen Revolution besiegt, und sie haben nie ihr Ziel erreicht. Im Gegenteil, die Revolution wurde gestärkt, und das revolutionäre Bewußtsein unseres Volkes hat sich erhöht. Diese Aktionen, die gegen Kuba gerichtet sind, haben sich wie ein Bumerang gegen jene ausgewirkt, die sie angezettelt haben. Dies ist historisch erwiesen. Und dieser Fall wird keine Ausnahme sein.

F.N.: Immer wieder wird in den hiesigen Massenmedien behauptet, die sozialistische Gesellschaft in Kuba "sei am Ende", insbesondere die kubanische Wirtschaft bräche zusammen. Welche Probleme haben Sie in Ihrem Land und wie werden sie gelöst?

Botschafter Boza Hildalgo-Gato: Die in 21 Jahren erreichten Errungenschaften der kubanischen Revolution sind gut bekannt, auch in den internationalen Organisationen. Kuba garantiert den Kindern das Recht auf Leben, der Jugend das Recht zu lernen, dem Volk das Recht auf Gesundheit und Arbeit. Dies zu erreichen, bedeutet für breite Massen in den Ländern Lateinamerikas noch eine sehr weit entfernte Hoffnung. Keine der wirtschaftlichen Schwierigkeiten, mit denen Kuba im Moment konfrontiert ist, wurden geheimgehalten. Im Gegenteil, sie wurden öffentlich diskutiert, in unserer Partei, in den Massenorganisationen, im ganzen Volk. Wir sind mit den Folgen einer heute noch immer andauernden Blockade konfrontiert.

Wir spüren die Auswirkungen einer wirtschaftlichen internationalen Situation, wo in der kapitalistischen Welt die Inflation grassiert. Wir haben in den letzten Jahren Schwierigkeiten mit dem Zuckerpreis gehabt. Diese objektiven Schwierigkeiten haben wir vor niemandem geheimgehalten. Wir arbeiten mit größerem Enthusiasmus, mit besserer Organisierung und Disziplin, um die aufgetretenen Schwierigkeiten zu überwinden und um die demokratische, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung, die die Revolution unserem Volk gebracht hat, weiter voranzubringen.

Stolz auf das Erreichte

Alles, was in Kuba in den letzten Jahren für die Menschen erreicht wurde und worauf wir stolz sind, ist ein Beweis und eine Demonstration dafür, was der Sozialismus bewirken kann, trotz aller wirtschaftlichen objektiven Schwierigkeiten. An dem Kampf zur Überwindung gegenwärtiger Schwierigkeiten ist unser ganzes Volk beteiligt.

F.N.: Glauben Sie, daß die USA mit den Militärmanövern, die sie in der Karibik durchführen wird, aggressive Ziele gegen Kuba verfolgen? Oder haben sie zusätzliche andere Zielsetzungen?

Botschafter Boza Hildalgo-Gato: Kuba war immer darauf vorbereitet gewesen, sich mit jedweder Aggression auseinanderzusetzen, einschließlich der direkten Aggression des Imperialismus. Ein Vorhaben dieser Art gegen Kuba wäre schlichtweg verrückt. Aber man muß berücksichtigen, daß genau in diesen Tagen in Washington bestätigt wurde, daß in nächster Zeit Manöver der US-amerikanischen Luftwaffe, der Infanterie und der Marine für die Dauer von drei Wochen in der Karibik durchgeführt werden sollen, an denen viele Tausende Soldaten, Dutzende von Schiffen und Hunderte von Flugzeugen beteiligt sein werden. Eingeschlossen in dieses Manöver ist die Landung von etwa 2.000 Marineinfanteristen auf dem US-amerikanischen Flottenstützpunkt Guantanamo.

US-Manöver bedrohen nicht nur Kuba

Der Flottenstützpunkt ist ein kleines Territorium in Kuba, das weiterhin illegal und gegen den Willen unseres Volkes von den Vereinigten Staaten besetzt wird. Diese Manöver und die Ziele, die sie verfolgen, werden von unserem Volk aufs schärfste zurückgewiesen. Unser Volk reagiert mit derselben Entschlossenheit und mit demselben Kampfgeist, der unsere Revolution zum Siege führte. Es steht geeint, entschlossen und wachsam hinter der Losung Vaterland oder Tod. Am selben Tag, an dem die Landung von Marineinfanteristen auf dem Flottenstützpunkt Guantanamo stattfindet, werden in ganz Kuba Protestdemonstrationen vom ganzen Volk durchgeführt, und die Bevölkerung Havannas wird vor der US-amerikanischen Interessenvertretung in Kuba vorbeimarschieren und seine tiefste Abscheu gegen dieses Manöver zum Ausdruck bringen. Wir rechnen auch mit der Solidarität aller Freunde der kubanischen Revolution auf der ganzen Welt. So wie es in der Erklärung des kubanischen Außenministeriums heißt, richten sich diese Manöver nicht nur gegen Kuba, sondern auch gegen den Kampf des Volkes von El Salvador.

F.N.: Seit über einem Jahrzehnt praktiziert Ihre Regierung eine großzügig gehandhabte Ausreisepolitik. Welche Gründe gibt es für die spektakuläre Aktion, die sich seit dem 1. April auf dem Gelände der peruanischen Botschaft in Havanna abspielt?

Botschafter Boza Hildalgo-Gato: Unzweifelhaft ist diese Kampagne der Feinde Kubas Teil einer Verschwörung, die sich gegen unser Land richtet. Während des gesamten Prozesses der Revolution hat Kuba immer seine Türen denen geöffnet, die aus jedweden Gründen heraus ein Interesse daran hatten, zu gehen. Für unser Volk war es immer klar, welches die Gründe für diese Kampagne gegen die Revolution waren, die von unseren Feinden organisiert wurde. So auch heute.

Das kubanische Volk identifiziert sich vollkommen mit der Erklärung unseres Commandante Fidel Castro, der Aufbau des Sozialismus sei eine absolut freie und freiwillige Aufgabe. In dieser ganzen Kampagne behauptet man im Ausland, daß es falsch wäre zu sagen, diese Personen wären kriminelle oder antisoziale Elemente. Aber es ist richtig, daß nach dem 1. April die Zahl der Diebstähle in der Hauptstadt sank. Wir schämen uns nicht zu sagen, daß wir noch immer Arbeitsscheue, Kriminelle und asoziale Menschen haben. Trotzdem registriert unser Land die niedrigste Quote an Kriminalität, Drogenmißbrauch, Glücksspiel und anderer Verbrechen in der Hemisphäre.

Es ist klar, was die Feinde der Revolution mit der jüngst entfachten Kampagne gegen Kuba verfolgen. Wie es die Zeitung Granma in ihrem Leitartikel schrieb, wurde innerhalb von 21 Jahren Hunderttausenden erlaubt, das Land zu verlassen. Welche Rechtfertigung könnte irgendeine Botschaft haben, die Delinquenten und Lumpen, die gewaltsam in ihr Gelände eindringen, als erprobte Helden zu beschützen, ihnen Asyl zu gewähren und sie aufzunehmen.

Jedoch lehnten sie Visa für Personen ab, die sie auf normalem und friedlichem Wege beantragt hatten. Wie es in diesem Leitartikel lautete, haben die USA in den letzten Monaten zu illegalen Ausreisen und Schiffsentführungen angestachelt. Diese Geschehnisse forderten die Verletzungen der diplomatischen Vertretungen.

F.N.: Wir wissen um den Einfluß und die Ausstrahlung der kubanischen Revolution auf die Völker Lateinamerikas, Afrikas und Asiens. Wie steht es heute um das Ansehen Kubas in diesen Ländern?

Botschafter Boza Hildalgo-Gato: Das Prestige der kubanischen Revolution basiert nicht auf leeren Worten, sondern auf konkreten Taten sowie auf der uneigennützigen solidarischen und internationalistischen Hilfe, die Kuba anderen Völkern geleistet hat und weiter leistet.

Unser Ansehen ist gewachsen

Unsere Politik hat immer auf einer prinzipienfesten Position basiert, wie es unserer marxistisch-leninistischen Ideologie entspricht. Man darf nicht vergessen, daß nach dem Triumph der kubanischen Revolution in Amerika eine neue Seite der Geschichte geschrieben wurde. Und nach diesem revolutionären Sieg wurde alles anders. Die kubanische Revolution stellt ein Beispiel dafür dar, was es bedeutet, eine unbestechliche Position der Prinzipien der Unabhängigkeit, der Souveränität und des Internationalismus zu halten.

F.N.: Die demokratischen Kräfte unseres Volkes haben seit über zwei Jahrzehnten den revolutionären Weg Kubas mit Sympathie und Bewunderung unterstützt. Die Beziehungen zwischen unseren Ländern haben sich in den letzten Jahren in vielfältiger Weise positiv entwickelt. Welche Chancen geben Sie dem Fortgang dieser Beziehungen, und welche Erwartungen haben Sie an die demokratische Öffentlichkeit unseres Landes?

Botschafter Boza Hildalgo-Gato: Die kubanische Revolution hat immer auf die Unterstützung und die Solidarität aller fortschrittlichen demokratischen und friedliebenden Kräfte gezählt. Wir glauben, daß nichts geschieht, was auch nur im geringsten die Beziehungen unseres Volkes zu anderen Völkern beeinträchtigen könnte. Ganz im Gegenteil. Wir glauben, daß die Vernunft und die Wahrheit sich einen Weg bahnen werden. Wir sind überzeugt, daß die Beziehungen unseres Volkes zu anderen Völkern sich weiterhin positiv entwickeln werden, und daß die kubanische Revolution weiterhin auf die uneigennützige und bedingungslose Solidarität aller demokratischen Kräfte rechnen kann.

Heutzutage hat unser Land den Vorsitz der nichtpaktgebundenen Staaten inne, und sein Prestige ist größer und gefestigter wie je zuvor. Wir glauben, daß die kubanische Revolution und ihre Entwicklung auf eine immer größere Zahl von Freunden in aller Welt wird rechnen können. Diese Solidarität hat - da sind wir ganz sicher - unser Volk wieder einmal feststellen können, und sie wird sich weiterentwickeln und in den verschiedensten Formen ausdrücken.

CUBA LIBRE


CUBA LIBRE 2-1980