Christen in Kuba

"Die andere Religion war die katholische. Die wurde von den Pfarrern eingeführt, die um nichts in der Welt in die Sklavenbaracken gingen. Die Pfarrer waren sehr reinlich. Sie hatten ein ernsthaftes Aussehen, das nicht in die Baracken paßte. Sie waren so ernsthaft, daß es sogar Neger gab, die wörtlich taten, was sie sagten. Die hielten sich auf eine üble Weise an den Pfarrer. Sie lernten den Katechismus und lasen ihn den anderen vor. Mit allen Wörtern und Gebeten. Diese Neger waren Haussklaven und trafen sich mit den anderen, den Feldsklaven, auf den Höfen. Sie waren so was wie Botschafter der Pfarrer. Die Wahrheit ist, daß ich niemals diese Lehre gelernt habe, denn ich habe nichts begriffen. Ich glaube, die Haussklaven auch nicht, nur, weil sie so fein waren und so gut behandelt wurden, spielten sie die Christen." (Lit. 1, S. 39)

Treffend und konkret beschreibt hier ein kubanischer Sklave des vorigen Jahrhunderts die Situation der katholischen Kirche: Sie war - wie in keinem anderen lateinamerikanischen Land - eine Kirche der Reichen und darum ohne Bedeutung für das Volk. Hinzu kam ihr Engagement für das spanische Kolonialregime während der Befreiungskämpfe im vergangenen Jahrhundert, das eine stark antiklerikale Stimmung erzeugte. Während der folgenden Zeit setzte die Kirche unbeirrbar ihre Fehler fort: Der Klerus wurde aus Spanien weiterhin importiert, durch das Bündnis mit den Herrschenden, nicht mit dem Volk, versuchte man gesellschaftliches Ansehen zu gewinnen. Hauptfeld der Tätigkeit war die Ausbildung in höheren Schulen, die den spanischen Stammorden beträchtlichen Gewinn eintrugen. 1953 gab es in Havanna 200 Priester an den kirchlichen Gymnasien, aber nur 16 Pfarreien mit durchschnittlich zwei Priestern; auf dem Lande gab es kaum Priester. Obwohl die Protestanten nur 3,2 Prozent der Bevölkerung ausmachten (1959), hatten sie fast ebenso viele Pfarrer wie die katholische Kirche. Sie unterhielten zudem 86 Primar- und 10 Sekundarschulen, einige Denominationen, wie die Heilsarmee und die Methodisten, arbeiteten unter der ärmsten Landbevölkerung. Sie schlossen sich der Revolution an, und Fidel Castro spricht mit Achtung von ihnen: "Es waren freundliche, höfliche Leute. Ich würde sagen, sie waren unsere Freunde. Ich habe sie in Erinnerung behalten als sehr freundliche Leute mit vornehmen Charakter. Es gab nicht die geringsten Auseinandersetzungen mit ihnen. Tatsächlich müssen wir sagen, daß sie während des Krieges mit uns zusammengearbeitet haben" (Lit. 2,S. 364). Allerdings waren diese protestantischen Denominationen stark von den USA abhängig.

Die Brutalität des Batista-Regimes, eine offensichtliche Verhöhnung aller christlichen Soziallehren, spaltete schließlich auch die bürgerliche Kirche. Es gab höchste Kleriker, wie den Kardinalerzbischof von Havanna, Artega y Betancourt, die weiterhin mit Batista sympathisierten; es gab aber auch den Erzbischof von Santiago de Cuba, Perez Seranies, der sich schon 1953 für die Angreifer auf die Moncada-Kaserne offen einsetzte. Serantes und Alberto Martin, Bischof von Matanzas, forderten 1958 den Rücktritt Batistas, worauf eine blutige Verfolgung des fortschrittlichen Katholizismus einsetzte, die in der Ermordung des katholischen Arbeiterführers Gonzales gipfelte. "Die Last des Widerstandes gegen Batista wurde also nicht von der Mehrheit der Hierarchie und des Klerus getragen, wohl aber von einer nicht unbedeutenden Gruppe militanter Katholiken, die in breiteren Kreisen der katholischen Bevölkerung, bei einer Anzahl Priester und zwei bis drei Bischöfen Verständnis und Rückhalt fand" (Lit. 3, S. 1009).

Mit der Proklamation der sozialistischen Revolution kam es zur heftigen Konfrontation mit dem Klerus, der sich in eine militante antikommunistische Ideologie verrannte. Im November 1960 verurteilte sogar Erzbischof Perez Serantes alle Katholiken, die mit der Revolution arbeiteten, in einem Hirtenbrief mit dem bezeichnenden Titel "Rom oder Moskau". Höhepunkt der Auseinandersetzung war die Invasion in der Schweinebucht am 17. April 1961, die von drei spanischen Patres begleitet wurde, die in einem Aufruf an die Bevölkerung den Überfall als Kreuzzug gegen den Kommunismus anpriesen. Zahllose Kleriker wurden in konterrevolutionäre Verbrechen verwickelt.

Es wäre ein Leichtes gewesen, eine Kirche ohne Rückhalt im Volk, sich selbst durch politische Verbrechen denunzierend, endgültig zu zerschlagen. Es spricht für die Weisheit und die Toleranz Fidel Castros, daß er das nicht tat; die Regierung erklärte vielmehr am 19. März 1962: "Die Revolution hat ernste Maßnahmen ergriffen, um die Verschwörung der katholischen Hierarchie zu brechen, aber sie hat nichts getan, was einen echten Katholiken aus dem Volk beleidigen könnte, im Gegenteil, sie hat das Recht der Gläubigen auf ihren Kult und ihre Religion garantiert."

Fidel Castro, der Jesuitenschüler, kann zu Recht sagen: "Ich kenne durchaus eine Menge von christlichen Grundsätzen und von der Lehre Christi. Meiner Meinung nach war Christus ein großer Revolutionär... Ich behaupte, daß es eine ganze Menge Gemeinsames gibt zwischen dem Geist oder dem Wesen seiner Lehre und dem Sozialismus" (Lit. 2, S. 36). Und er sagt an gleicher Stelle: "Ich spreche von Mexiko oder Chile oder Argentinien oder von anderen Ländern, wo Religion eine politische Kraft ist."

Aus prinzipiellen wie aus taktischen Erwägungen hat es also im sozialistischen Kuba niemals eine Christenverfolgung gegeben.

Mit dem Pontifikat Johannes XXIII. beginnt eine neue Periode der Besinnung in der ganzen Kirche. Anfang 1963 schickt er als Nuntius Cesare O. Zacchi nach Kuba, über den Fidel Castro urteilt: "Ein sehr intelligenter Mann, sehr fähig, er arbeitete wirklich klug... Er arbeitete wirklich daran, die Beziehungen zwischen Kirche und Staat zu verbessern, und er versuchte auch, die katholische Kirche dahin zu bringen, daß sie ihre religiösen Pflichten erfüllte, statt sich in konterrevolutionären Aktivitäten zu engagieren" (Lit. 2, S. 366).

Zugleich erscheinen die fortschrittlichen Enzykliken "Pacem in terris" und "Populorum progressio" (die letztere wurde von der revolutionären Regierung verbreitet!), die wiederum einen Wandel in ganz Lateinamerika bewirkten, was besonders in der Bischofskonferenz in Medellin deutlich wird. Daraufhin veröffentlichte die kubanische Bischofskonferenz nach achtjährigem Schweigen am 10. April 1969 ein Kommunique, in dem dazu aufgefordert wird, an der Entwicklung der kubanischen Gesellschaft ohne ideologische Verdammung mitzuarbeiten.

Ernesto Cardenal, Priester und Kulturminister in Nicaragua, hat aufgeschrieben, was junge Christen, die ursprünglich konterrevolutionär waren, erlebten: "Ich begriff, daß ich Revolutionär werden mußte, um dafür zu kämpfen, die Revolution besser zu machen. Ja, auch die schlechten Dinge und die Mißstände, die man dort im Lager zu sehen bekam, bekehrten mich zur Revolution. Denn diese Mißstände lagen an den Lagerleitern, Bauern aus der Sierra Maestra, die wohl gute Guerilleros und gute Rebellen gewesen waren, aber eben ungebildet und roh. Die Revolution hatte noch keine Zeit gehabt, sie zu erziehen. Und die Gesellschaft, zu der ich vorher gehört hatte, war schuld daran, daß sie dumm und roh waren. Außerdem sah ich, unter welchen Bedingungen die Bauern in der Umgebung lebten, fast genauso schlecht wie wir. Ihre Hütten! Und die Lagerleiter lebten auch so in primitiven Hütten. Die unter denen wir im Lager lebten und die schrecklich für uns waren, mußten ihnen in ihren Bohihos fast normal vorkommen. Ihr ganzes Leben hatten sie so gelebt. Ich kam aus einer kleinbürgerlichen Familie. Einmal fiel mir das Dokument der Bischöfe der Dritten Welt in die Hände, und das brachte mich zum Nachdenken... Ich begriff, daß ich mein Leben ändern mußte, wenn ich meinem Glauben leben wollte" (Lit. 4, S. 107).

Derselbe junge Christ verabschiedet sich von Cardenal mit den Worten: "Padre, wenn Sie über Kuba schreiben, dann sagen Sie, daß es hier Christen gibt, die glücklich darüber sind, in Kuba zu leben. Wir erleben hier eine der interessantesten Erfahrungen, die man überhaupt erleben kann, und um nichts in der Welt möchte ich 25 Jahre früher geboren worden sein. Ich glaube, es ist eine große Gnade Gottes, heute in Kuba leben zu dürfen" (Lit. 4, S. 110).

Literatur
Lit. 1: Der Cimarrón, hrsg. von Miguel Barnet, suhrkamp taschenbuch 346, 1976.
Lit. 2: Fidel Castro: "Es gibt keine Widersprüche zwischen den Zielen des Glaubens und den Zielen des Sozialismus", in: Junge Kirche 7/1978, S. 363 ff.
Lit. 3: Hans-Jürgen Prien, Die Geschichte des Christentums in Lateinamerika, 1978.
Lit. 4: Ernesto Cardenal, Kubanisches Tagebuch, Gütersloher Taschenbuch 247, 1977.


CUBA LIBRE
Jochen Schwabedissen

CUBA LIBRE 2-1980