Cuba und die deutsche Entwicklungspolitik

Es ist offensichtlich, daß durch die Geschwindigkeit der Veränderungen in Osteuropa und ihre Konsequenzen für die Ost-West-Beziehungen in den hochentwickelten Industrieländern ein wachsender Abzug sowohl der Aufmerksamkeit und wie der für die unterentwickelten Länder bestimmten Finanzen zugunsten der Länder im Osten Europas auf kurze und mittelfristige Sicht zu beobachten ist.

Dies läßt in der Dritten Welt die Sorgen wachsen, die dadurch verstärkt werden, daß durch diese Veränderungen eine eurozentristische Tendenz entsteht, die beginnt, die Kontinuität von in diesen Ländern begonnenen Projekte zu beeinträchtigen. Daher sind die Thesen, die vor mehr als einem Jahr durch die anerkannte Comisión Sur ausgesprochen wurden, nicht unbegründet, daß »trotzdem die westlichen Quellen Gegenteiliges versichern, uns eine mögliche Umlenkung der Aufmerksamkeit und der für die Entwicklung bestimmten Finanzmittel noch tief besorgt«. (1)


Bei Betrachtung der deutschen Vereinigung unter dem Gesichtspunkt dieser globalen Sorge der Dritten Welt in Bezug au die Länder im Osten Europas kann das bedeutende Gewicht nicht übergangen werden, das für viele Länder dieses unterentwickelten Südens die ökonomische Zusammenarbeit und die Hilfsprogramme in ihren Entwicklungsplänen hatten, die von beiden deutschen Staaten bis zum Ende der achtziger Jahre bestanden, sowie die daraus resultierende Bedeutung, die für sie die Absorption der DDR durch die BRD hatte.

Daraus resultiert die Ungewißheit, die durch den Beginn des deutschen Vereinigungsprozesses entstand und sowohl 1. in den Ländern der Dritten Welt mit breiten Verbindungen zur DDR als auch 2. in den Ländern, die Empfänger offizieller Entwicklungshilfe, zweifellos Erwartungen weckte.

Es ist offensichtlich, daß es für die erste Gruppe von großer Wichtigkeit war, zu wissen, welche Haltung das vereinte Deutschland in Bezug auf die zahlreichen Projekte einnehmen würde, die von der DDR in diesen Ländern entwickelt wurden, größtenteils Mitgliedern des RGW oder sozialistisch orientiert. Dies betrifft, wenn wir vergleichsweise vom zahlenmäßigen Umfang der Zusammenarbeit ausgehen, neun Länder auf dem Wege der Entwicklung (Cuba, Vietnam, Mongolei, Nicaragua, Mosambik, Angola, Äthiopien, Laos und Kambodscha), mit denen die DDR auch ein hohes Niveau politischer Beziehungen hatte.

Für die zweite Gruppe (zu der 1990 fast 30 Länder gehörten, die staatliche Entwicklungshilfe der BRD erhielten) bedeutete dies, daß die traditionell Begünstigten der deutschen Entwicklungshilfe die Gefahr einer Neubeurteilung der Prioritäten der staatlichen Politik eines vereinten Deutschlands zugunsten jener Länder fürchten mußten.

Die betrifft Mittelamerika, das im Zuge nachlassender Ost-West-Spannungen an Bedeutung verlieren würde, wenn sich die staatliche Politik, sowie die aktive Kooperation der mächtigen nicht-staatlichen Organisationen der BRD auf jene Länder lenken würde, es betrifft auch Länder wie Somalia oder Tansania, die mit der BRD als einem ihrer Hauptspender der für sie entscheidenden Entwicklungshilfe rechnen. In diesem Zusammenhang wurde es in den Studien, die über den externen Widerhall der deutschen Einigung in der Dritten Welt 1990 geschrieben wurde, zu einem Allgemeinplatz, den Wunsch auszudrücken, daß ein geeintes Deutschland – mit 80 Mio. Einwohnern, einem Drittel des Bruttosozialprodukts der EEG und dem grüßten Wirtschaftsüberschuss der Welt (62.800 Mio. Mark im Jahr der Vereinigung) – durch den Kraftzuwachs durch die Vereinigung nicht nur eine wichtige Rolle als »ökonomische Lokomotive der Entwicklung in Europa« spielen, sondern auch andere Regionen der Dritten Welt begünstigen könnte.

Als Wunsch wäre dies nicht illusionär, wenn man von dem relativ niedrigen Niveau der staatlichen Entwicklungshilfe Deutschlands ausgeht, das zwischen 1983 und 1988 von 0,48% auf 0,39% seines Bruttosozialprodukts sank. Diese Zahl liegt weit unter dem Niveau von 0,7% des Bruttosozialprodukts, das 1970 von den Vereinten Nationen als Untergrenze der, Mitte der 70er Jahre von den Industrieländern zu erreichenden, staatlichen Entwicklungshilfe beschlossen wurde. (2) Obgleich die BRD eine deutliche Erhöhung in Richtung der 0,7% angekündigt hatte, erreichte diese 1990 nur 0,42%. (3)

Hinzu kommt, daß mit der Zunahme der Anzahl von Nationen, die in Pläne der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit dem vereinten Deutschland eingebunden waren (unter Berücksichtigung der bereits erwähnten 9 Länder), (4) diese Hilfe im Zuge der Vereinigung um mindestens 0,15% des Bruttoinlandsprodukts der BRD hätte zunehmen müssen. (5)

Veränderungen in der Entwicklungspolitik

Im allgemeinen wurden diese Bestrebungen von Ländern der Dritten Welt, die wichtige Projekte der Zusammenarbeit mit der DDR unterhielten, nicht berücksichtigt. Man ging von einem juristischen Gebot aus, nach dem die »Absorption« der DDR nicht dazu verpflichte, die von ihr eingegangen Verpflichtungen zu erfüllen.

Wenige Monate der deutschen Einheit wurde in der Stadt Konstanz von Repräsentanten der Ministerien für Entwicklungszusammenarbeit der BRD und den neuen entsprechenden Autoritäten der DDR (Repnik und Ebellin) eine Politik beschlossen, die ein differenziertes Niveau der Zusammenarbeit mit den zuvor bezeichneten Ländern in einer zukünftigen Gestaltung der Entwicklungshilfe festlegte.

Es ist bezeichnend, daß in diesen Momenten die offiziellen Verlautbarungen (6) in Bezug auf die Probleme der Dritten Welt im Rahmen der Vereinigung einen gewissen altruistischen Ton hatten. Trotzdem gibt es einen deutlichen Unterschied zwischen diesen Erklärungen und der Handlungsweise des Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ).

Wenn wir diese Politik kasuistisch analysieren, beobachten wir, daß die anfänglichen Regierungserklärungen, daß die durch die DDR eingegangenen Verpflichtungen eingehalten würden, unter dem politischen Modell der BRD in erster Linie in Abhängigkeit von den politischen Richtungen der mit einem vereinten Deutschland in Beziehung stehenden Ländern berücksichtigt wurden. Die von dem BMZ angewandte Politik ließe sich in folgender Weise zusammenfassen:

- Zu Beginn wurden zwei Annahmen gemacht, um den Entwicklungsprogrammen Stabilität zu verleihen: Äthiopien und Angola – denn beide waren in Bürgerkriege verwickelt.

- Im Fall Mozabiques, Nicaraguas, Vietnams und Laos wurde versprochen, die Mehrheit der bestehenden Projekte fortzuführen. (7)

- In Bezug auf die Mongolei und Kambodscha, Länder, die keine offiziellen diplomatischen Beziehungen zur BRD hatten, wurden diese Beziehungen aufgenommen, aber es wurde angedeutet, daß diese Fälle gesondert berücksichtigt würden. Es wurde beschlossen, daß diese Hilfe im Fall Kambodschas auf die NGO's verwandt würde und es wurde angeregt, eine Studie über die Zusammenarbeit mit der Mongolei zu beginnen.

- Wie bekannt war Cuba ein gesonderter Fall. Nach beiderseitiger genauer Inventur der bestehenden Projekte der Zusammenarbeit mit der DDR, der Perspektiven, dieselben auf Basis gegenseitigen Vorteils fortzuführen, wurde von der Regierung der BRD offiziell eine Politik der Fortführung der Zusammenarbeit nur unter der Bedingung politischer Veränderungen im Land verkündet, was diesen Fall von den anderen bereits genannten unterscheidet. (8)

Die Bedeutung der Wirtschaftsbeziehungen Cubas mit Deutschlands

Die Verknüpfung mit Bedingungen, die für die Zusammenarbeit mit Cuba beschlossen wurde, ähnelt sehr den nordamerikanischen Bedingungen für die Beendigung der Blockade und Wiederaufnahme der Wirtschaftsbeziehungen mit Cuba (9), sie unterscheidet sich stark von den Darstellungen in den ersten Erklärungen, in denen die BRD proklamierte, die bestehenden Verpflichtungen zu »ehren«, und machte das Zustandekommen eines gewünschten besseren Klimas in den bilateralen Beziehungen Cuba – BRD unmöglich.

Die lebenswichtige Bedeutung, die für Cuba seine wirtschaftlichen Beziehungen zur DDR hatten, ist nicht unbekannt. Um eine Vorstellung vom Umfang des Austausches zwischen den beiden deutschen Staaten und Cuba zu bekommen, läßt sich darauf verweisen, daß mit der DDR als zweitwichtigstem Handelspartner Cubas auf der Welt (Handelsumfang 2,4 mal höher als der gesamte Handel Cubas mit Lateinamerika) (10) 5% des gesamten cubanischen Austauschs abgewickelt wurden und sie außerdem, nach der UdSSR der zweite Partner Cubas in Kooperationsabkommen zwischen Staaten war.

Selbstverständlich waren die Wirtschaftsbeziehungen mit der DDR wesentlich intensiver als mit Westdeutschland. Während der Gesamtumfang des Austauschs mit der BRD im Jahr 1989 (dem Rekordjahr des beiderseitigen Handelsaustausches) etwa 155 Millionen Dollar erreichte (11), betrug er mit der DDR 645 Millionen. Dies ist mehr als das Vierfache des Gesamtaustauschs dieses Jahres mit der BRD (12). Die Reduzierung des globalen Austauschs Cubas mit Europa durch die Veränderungen in Osteuropa und die zuvor erläuterten Elemente beeinträchtigten auch dem Markt BRD-Cuba, der 1990 auf schätzungsweise etwa 126 Mio. Dollar absank (13). 1991 wurden sogar nach größere Verringerungen registriert.

Vielleicht ist der Tourismus der einzige Bereich von ökonomischer Bedeutung, in dem sich die Verbindungen BRD-Cuba intensiviert haben. Die Besuche von Touristen aus der BRD auf Cuba haben sich mit wachsender Geschwindigkeit erhöht und stiegen von 27.000 im Jahre 1987 auf 38.500 im Jahre 1988, 45.500 1989, 59.599 1990 und etwa 65.000 1991 (14), dadurch wurde die BRD nach Kanada das zweitstärkste Herkunftsland von Touristen auf Cuba.

Trotzdem wurde in Cuba allgemein geglaubt, daß bei Beginn des Vereinigungsprozesses durch das Verschwinden von Konfrontationspotential (speziell durch die Klausel über die Anerkennung Westberlins als Teil der BRD) ein flüssiger Austausch zwischen Cuba und der BRD entstehen und zu einem besseren Verständnis führen würde; eine Ansicht, die viele von uns CubanerInnen, die mit dem Auslandssektor zu tun haben, teilten.

Diese Einschätzung wurde von der Tatsache gestützt, daß von 1976 an eine bedeutende Phase der Beziehungen Cuba-DDR eingesetzt hatte, durch die Einrichtung von zwischenstaatlichen Krediten, terminiert auf 50 Jahre, bestimmt für verschiedene industrielle Zwecke. Unter diesen sind folgende zu erwähnen: die Zementfabriken von Cienfuegos und Nuevitas, die Keramikfabriken auf der Isla de la Juventud, die Sauerstofffabriken in Marianao und Palmira, die Fabriken zur Verarbeitung von Zitrusfrüchten in Ciego de Avila, die Bananenmarkfabrik in Guantánamo, die Brauereien von Camagüey und Holguin etc. In vielen dieser Fälle bestanden Verpflichtungen im Rahmen gemeinsamer Produktionspläne mit der DDR und diese waren von gegenseitigem Nutzen.

Es gab auch wichtige multilaterale Abkommen im Rahmen des COMECON (beispielsweise in der Nickelproduktion), an denen die DDR maßgeblich beteiligt war, sowie andere Ausgleichsabkommen, unter denen sich besonders der Austausch von Futterhefe gegen Milchpulver auszeichnet, wegen seiner Bedeutung für Cuba und seiner Rentabilität für den deutschen Partner. Im Rahmen dieses Abkommens waren von cubanischer Seite Investitionen von Devisen in der DDR vorgenommen worden, um die Butterrückstände in Milchpulver umzuwandeln.

Hinzu kommt, daß aufgrund der bis zu diesem Zeitpunkt bereits durchgeführten Fortbildungspläne in der DDR für Tausende von SpezialistInnen, TechnikerInnen und ArbeiterInnen durch deren Beherrschung der deutschen Sprache die reale Möglichkeit der Zusammenarbeit zu beiderseitig vorteilhaften Bedingungen geschaffen war.

In diesem Sinne wäre auch ein effektiver und humanitärer Nutzen in deutschen Programmen zur Entwicklungshilfe vorhersehbar gewesen, aufgrund des hohen Niveaus effektiver Zusammenarbeit, das Cuba unter Dritte-Welt-Ländern erreicht hat. (15) Um nur zwei hypothetische Beispiele aus dem sozialen Bereich zu nennen:

- Im Bereich Gesundheit, der viele Ärzte und medizinisches Hilfspersonal der karibischen Insel in Länder Afrikas, Mittelamerikas und andere Teile der Welt gebracht hat, um gemeinsam mit entsprechendem Personal (sogar unter Nutzung von Ausrüstung der BRD) für die Lösung der schweren Gesundheitsprobleme zu sorgen, unter denen viele Länder auf ihrem Entwicklungsweg leiden.

- Im Bereich Gesundheit, der viele Ärzte und medizinisches Hilfspersonal der karibischen Insel in Länder Afrikas, Mittelamerikas und andere Teile der Welt gebracht hat, um gemeinsam mit entsprechendem deutschen Personal (sogar unter Nutzung von Ausrüstung der BRD) für die Lösung der schweren Gesundheitsprobleme zu sorgen, unter denen viele Länder auf ihrem Entwicklungsweg leiden.

- Im Bereich Erziehung ging die Möglichkeit verloren, das cubanische Lehrpersonal mit Erfahrungen aus Nicaragua und anderen Ländern für Ausbildungsprogramme die von der deutschen Entwicklungshilfe initiiert werden heranzuziehen, ausgehend von der Sprache und den bedeutenden in Cuba eingerichteten poligrafischen Kapazitäten mit DDR-Technologie, die die Kosten für die Erstellung von Lehrmaterial verbilligen würden.

Für uns alle, die wir Optimisten waren, Träumer von einer spürbaren Verbesserung der gegenseitigen Beziehungen, erfüllten sich diese Wunschträume nicht, und obgleich es manchmal schwierig ist, die Realitäten zu akzeptieren, sind die Fakten offensichtlich. Die von dem BMZ und der Bundesregierung eingenommene Position gegenüber Cuba beinhaltet eine deutlich diskriminierende Haltung gegenüber Cuba im Vergleich zu anderen Ländern mit ähnlicher Verbindung zur DDR, mit der Besonderheit, daß die cubanische Seite keine traditionelle »Entwicklungshilfe« im Sinne von Spenden erbeten hatte, sondern die Fortführung einer gegenseitig vorteilhaften Zusammenarbeit auf Basis der Gleichheit.

Obgleich viele Firmen der Neuen Bundesländer (ex-DDR) objektiv Interesse an der Fortführung von Kooperationsprojekten mit Cuba hätten (auf einer Basis gegenseitigen Nutzens, die in Cuba und der BRD bereits entwickelt wurde, in für sie interessanten Produktionsbereichen, in bereits existierenden Fabriken mit deutscher Technologie), verbieten ihnen dies die von den Bundesautoritäten beschlossenen Maßnahmen aus den bereits aufgezeigten politischen Gründen.

Bis zum jetzigen Zeitpunkt gibt es nur in einzelnen Bereichen bilateralen Austausches, meist auf nichtstaatlicher Ebene, Möglichkeiten, die vorher existierenden Abkommen mit Partnern in den Neuen Bundesländern im deutschen Osten fortzuführen.

Dies ist der Fall bei der Fortführung von Stipendien für höhere Abschlüsse oder Promotionen und einige Austauschprogramme zwischen Universitäten und wissenschaftlichen Institutionen, die als Nicht-Regierungs-Organisationen (NGO's) relative Autonomie besitzen.

Einige bereits existierende Programme mit dem Deutschen Akademischen Austausch Dienst (DAAD) der alten BRD wurden ebenfalls weiter fortgeführt und andere Austauschformen wissenschaftlicher Art haben Tendenz, sich auszuweiten, darunter die Zusammenarbeit einiger der politischen Stiftungen der BRD mit cubanischen wissenschaftlichen Institutionen.

Aufrechterhalten wurde auch über den Weg anderer NGO's der BRD ein gewisses Niveau der Zusammenarbeit, das Tendenzen einer Stabilisierung zu zeigen scheint. Diese Programme sind in erster Linie humanitärer Art und von Organisationen durchgeführt, die von den christlichen Kirchen der BRD unterstützt werden.

Zusammenfassend könnten wir sagen, daß eine strikte Einfrierung der Zusammenarbeit beibehalten wird und sich nur im Rahmen der NGO's begrenzte Formen der Kooperation mit Tendenz zu schrittweisem Wachstum stabilisiert haben.

Die neuen Zerstörer der deutschen Politik gegenüber der Dritten Welt

Im Zuge der Verkündung einer Vertiefung der Zusammenarbeit mit der Dritte Welt wird von der 1991 gebildeten neuen Bundesregierung die These wieder aufgeworfen, daß infolge der Abrüstung die Nord-Süd-Kooperation durch das, was man in der BRD als »Dividenden des Friedens« (16) proklamierte, zunehmen würde, was sich zugunsten der Länder mit den größten Bedürfnissen auswirken würde.

Trotzdem zeigt sich in den Aussagen des neuen Ministers für Entwicklungszusammenarbeit, Carl-Dieter Sprangers, eine größere politische Konditionierung dieser Hilfe, wenn er darauf hinweist, daß, wo »die Ausweitung der Privatinitiative unterdrückt wird, die finanzielle Hilfe des Auslands wird wenig Effekt haben können« und daß eine neue Entwicklungspolitik »als Ausdruck der christlichen Verantwortung« gefördert werde. (17)

Diese Elemente, in Verbindung mit der Entscheidung, daß die Investition »in erster Linie zum Schutz der Umwelt und zur Förderung des privaten Sektors in der Dritten Welt« dienen soll, stellen die zuvor benannten wertvollen Teile der Aussagen zur Entwicklungshilfe in Frage und ersetzen sie durch eine Ansammlung von Bedingungen in Verbindung mit den Menschenrechten, der Existenz eines Rechtsstaats und dem Austausch des Kriegspotentials im Gegenzug für wirtschaftliche Entwicklung.

Zu diesen neuen Bedingungen politischen Charakters kommen andere Herausforderungen ökonomischen Charakters hinzu, die die Tendenz haben, die Zusammenarbeit mit der Dritten Welt noch weiter zu begrenzen; so zum Beispiel:

- Die bedeutende wirtschaftliche Hilfe der BRD für die Länder Zentral- und Osteuropas (von gleichem Ausmaß wie die, die sie von den restlichen Ländern erhalten haben) und die Auswirkungen, die die Höhe dieser Hilfe auf die gesunde bundesdeutsche Wirtschaft gehabt hat.

- Der Golfkrieg, denn der substantielle Beitrag Deutschlands (19) wirkte sich negativ auf die Politik der Bundesregierung gegenüber der Dritten Welt aus, da, wie offiziell bemerkt wird, »sich die Entwicklungshilfe selbst aufgrund des Krieges im Persischen Golf mit neuen Herausforderungen konfrontiert sieht«.

- Der Tiefschlag, den es für Deutschland bedeutet, daß es nach mehreren Jahren des Handelsüberschusses, wo es den ersten Platz in der Welt erreicht hatte (in den letzten Jahren sogar vor Japan), 1991 zum ersten Mal von seinem Platz verdrängt wurde. Dies war in erster Linie bedingt durch die ungeheuren Produktionsmengen, die es den Neuen Bundesländern zukommen lassen mußte (wo die Konkurrenz große Teile der existierenden Industrie zerstörte), die von seinen Exporten auf den Weltmarkt abgingen.

Um auch den Umfang der Verteilung an die Neuen Bundesländer vergleichen zu können, können wir die Gesamtsumme von deren wirtschaftlichen Unterstützung durch die BRD verwenden, wobei die verbreitetste Schätzung bei etwa 150 Milliarden DM für das Jahr 1991 liegt. Trotzdem bezeichnen deutsche Wissenschaftler unter Einbeziehung der verschiedenen Entscheidungen hinsichtlich des Staatshaushaltes die Zahl von etwa 180 Mrd. - etwa 120 Mrd. US-Dollar – als konservativ. (22)

Wenn wir dies mit den 127 Mrd. Dollar Auslandsschuld (1991) Afrikas im Subsahara-Gebiet vergleichen, sehen wir, daß diese beiden zahlen vergleichbar sind. Der Vergleich gewinnt noch an Bedeutung, wenn wir wissen, daß, wie die deutsche Presse aufzeigt, viele dieser Länder dank der Entwicklungshilfe überleben, wie es der Fall ist in Mosambik (66%), Tansania (48%) oder Somalia (46%). (24)

Wenn wir auf der anderen Seite die 150/180 Mrd. DM, die 1991 in die Neuen Bundesländer investiert wurden, mit dem Haushalt der BRD für Entwicklungszusammenarbeit mit den Ländern der Welt Vergleichen, (7,96 Mrd. DM), nehmen wir an, daß die Kosten der Einheit jedwede Handlung der BRD nach außen beschränken.

Der Prozeß des gemeinsamen Marktes von 1993, in dem die EG den Ersatz der nationalen Wirtschaftspolitik durch eine übernationale Vereinheitlichung aller wichtigen entscheidungen betreibt, in dem die »Politik der Entwicklungszusammenarbeit der EG sich eher in der Nachhut denn in der Vorhut befinden wird« (25), vermag zusätzliche Beschränkungen der Kooperation der BRD mit der Dritten Welt zu bewirken.

Perspektive der Beziehungen Deutschland-Süden

Die Sammlung der folgenden Faktoren: das ungeheure wirtschaftliche Gewicht der Vereinigung, der gemeinsame Markt 1993 und die Neuorientierung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen mit Osteuropa, abgesehen von dem großzügigen Beitrag Deutschlands zum Golfkrieg stellt uns einige Fragen:

Kann selbst ein so reiches Land wie Deutschland in dieser Situation gleichzeitig seinen neuen europäischen Verpflichtungen und den existierenden mit der Dritten Welt gerecht werden? Wenn es Mittel für wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem Ausland abziehen muß, aus welchem der Bereiche wird es das tun?

Aus unserer lateinamerikanischen Sicht erinnern wir uns an den Ausspruch eines bekannten Wissenschaftlers der Friedrich-Ebert-Stiftung, der besagte, daß »die europäischen Länder sich in den neunziger Jahren vor allem um ihre eigene Entwicklung kümmern werden. Lateinamerika muß sich dessen sehr bewußt sein.« (26)

Trotz der zuvor aufgezeigten Beeinträchtigungen der bundesdeutschen Ökonomie sehen zahlreiche internationale Analytiker eine zunehmende Erholung in den kommenden Jahren voraus, nicht nur aufgrund der Existenz solider Reserven, die in Jahrzehnten großer Wirtschaftsüberschüsse angesammelt wurden, sondern auch aufgrund einer allmählichen Wiederherstellung des wirtschaftlichen Gleichgewichts. (27)

Selbst dadurch ist nicht wahrscheinlich, daß die Auslandsplanung der bisher gesunden Wirtschaft von den wirtschaftlichen Einschränkungen unbeeinträchtigt bleibt, da diese ihre Mittel kurz- und mittelfristig in bevorzugten Bereichen einsetzen muß.

Ein Beweis dafür ist, daß mit der Verabschiedung der Summe von 7,96 Mrd. DM 1991 im Staatshaushalt für Entwicklungszusammenarbeit und der von 8,158 Mrd. 1992 diese Politik dadurch bestätigt wurde, daß nur eine bescheidene Steigerung von etwa 0,2 Mrd. DM im Verhältnis zum Vorjahr erreicht wurde. (28)

Wenn man berücksichtigt, daß die notwendige Erhöhung für die Erfüllung auch nur eines wesentlichen Teils der neu hinzugekommenen Abkommen über Entwicklungszusammenarbeit, die mit der Vereinigung übertragen wurden, Milliarden DM jährlich umfassen würde, liegt die Summe von 0,2 Mrd. DM weit unterhalb der notwendigen Mittel, um selbige zu erfüllen und ist noch viel weiter von der Absicht entfernt, die Zusammenarbeit, wie angekündigt, im folgenden Jahr zu erweitern.

Daher wird die Unterstützung des Privatkapitals, der humanitären kirchlichen Hilfe und der anderer Nicht-Regierungs-Organisationen, sowie die Suche nach anderen Finanzierungswegen von der Regierung der BRD gefördert, um den bestehenden Verpflichtungen Kontinuität zu verleihen. Diese haben in der neuen Etappe die Tendenz, die Bedeutung der entsprechenden offiziellen Entwicklungshilfe zu übernehmen und konzentrieren sich auf Maßnahmen mit großem, sozialen Widerhall und den Bereich des Umweltschutzes in den neuen Programmen der Entwicklungszusammenarbeit mit der Dritten Welt.

Daher ist die Perspektive für eine Zunahme der Entwicklungshilfe für die Länder mit einem engen Kooperationsverhältnis mit der Ex-DDR, auf die oben eingegangen wurde, ungewiß, denn sie wäre stark mit der Erfüllung von Maßnahmen aufgrund politischer Bedingungen verknüpft, wie sie bereits genannt wurden und ihre Kontinuität kann eben durch die Nicht-Erfüllung dieser Bedingungen unterbrochen werden.

In diesem Rahmen ist offensichtlich nicht absehbar, daß Cuba von der zukünftigen Politik des vereinten Deutschland berücksichtigt werden wird und die zuvor mit der DDR erreichten Projekte der Zusammenarbeit wieder aufgenommen werden.

Nun gut, wenn zu einem bestimmten Zeitpunkt der deutsche Pragmatismus überhand nehmen würde und unter realistischer Betrachtung die bilaterale Zusammenarbeit als wirtschaftlich erscheinen würde, könnte, ausgehend von einer reinen Kooperationsbeziehung auf Basis gegenseitigen Nutzens, die Stagnation unserer wirtschaftlichen Beziehungen überwunden werden und Projekte wiedererweckt werden, die beiden Seiten fraglos Vorteile bringen würden.

Abschließend möge es nützlich sein (als illustratives Beispiel für die existierende Perspektive für die unterentwickelten Länder in den Neunzigern, unter den tiefgreifenden Veränderungen, die derzeit in Europa stattfinden), den Text eines Plakates zu erwähnen, das man in deutschen Eisenbahnen lesen kann, von der deutschen religiösen Organisation »Misereor« verfaßt, welches im Rahmen der Forderung nach ökonomischen Beiträgen für Hilfsmaßnahmen für die Dritte Welt besagt: »Ein Dach über dem Kopf, das Notwendige zum Essen, Arbeit und gerechter Lohn,Ausbildung für die Kinder, medizinische Versorgung für den Kranken. Auch die Armen in Afrika, Asien und Lateinamerika wünschen, würdig zu leben; genau wie wir!«

Anmerkungen:

(0) Lizentiat der Politikwissenschaft an der Universität von Havanna und Subdirektor des Zentrums für Europäische Studien.

(1) Herausforderung für den Süden. Information der Kommission des Südens, Ausgabe Mexico, Fond Ökonomischer Kultur, 1991, S.224

(2) In Prozent des Bruttosozialproduktes. Obwohl der Fall der BRD keine Ausnahme unter den hochindustrialisierten Ländern der EG ist, die sogar einen geringeren Durchschnitt aufweisen, im Gegensatz zu den skandinavischen Ländern, in denen die prozentualen Anteile 1989 so bedeutend waren wie in Dänemark (0,94), Schweden (0,97) oder Norwegen (1,09). Sehen Sie die Tabellen im BMZ Journalisten-Handbuch Entwicklungspolitik 89/90 Bonn 1989, S.53 und ebenso 91/92, Bonn, S.78.

(3) s.o., S.74.

(4) Mosambik wurde jedoch trotz des Kampfes gegen die RENAMO nicht in diese Gruppe einbezogen, denn schon im V. Kongreß der FRELIMO war die sozialistische Orientierung aufgegeben worden. Auf der anderen Seite hatte Mosambik, obgleich es ein wichtiger Empfänger der Entwicklungshilfe der DDR war, lange vor den Veränderungen von 1989 in Osteuropa damit begonnen, die Hilfspläne für Länder der CAME mit Projekten des Westens zu unterstützen.

(5) Nach dem Prinzip, daß der Umfang der Welthilfe zur Entwicklung nicht geringer sein darf, als der Umfang der Hilfe, die von beiden Staaten aufgebracht wird.

(6) In Erklärungen bundesrepublikanischer Persönlichkeiten, vom Bundespräsidenten der BRD bis zu einem Staatssekretär im Außenministerium.

(7) Obgleich dies in letzter Zeit nicht völlig erfüllt worden zu sein scheint, wie der Fall der öffentlichen Beschwerde Mosambiks zeigt.

(8) eine genauere Information zu diesen politischen Bedingungen für eine Entwicklungszusammenarbeit, die zu Beginn des Vereinigungsprozesses Anwendung fanden, entnehmen Sie dem Beitrag des Autors »Die Auswirkungen der deutschen Wiedervereinigung auf die Dritte Welt« in die Krise des Sozialismus und ihre Auswirkungen auf die Dritte Welt, Hans-Seidel-Stiftung, München, 1991, S.11, 115ff.

(9) Daher schreiben dies nicht wenige Analytiker direktem nordamerikanischem Druck im Rahmen der bekannten Politik extraterritorialer Ausweitung des auf Cuba angewandten Embargos auf Drittländer zu. In dem analysierten Zeitraum hat sich dies durch die Diskussion der bekannten Verschärfungen verstärkt, die durch den Senator Connie Mack (1989/90) und den Abgeordneten Torricelli (1992) eingebracht wurden.

(10) s. Anuario, Estadistico 1989. Staatliche Komitee für Statistik, Havanna, April 1991, S.249

(11) s. Ebenso, S.249, 152 und 157; zum Vergleich: Cuba Business, London, Juni 1991, S.9.

(12) s. Anuario Estadistico 1989, S.249

(13) Die Entscheidung der BRD, die wirtschaftliche Zusammenarbeit des vereinten Deutschland, mit Cuba zu bremsen, beeinträchtigte den bilateralen handel gegen Ende 1990, s. Cuba Business, Juni 1991, S.9.

(14) s. Cuba Business, August 1991, S.2 und Schätzungen der INTUR für 1991.

(15) Es ist international anerkannt, daß die UN Cuba zu den Ländern zählt, die Mittel für Programme zur Entwicklungszusammenarbeit am besten nutzen.

(16) s. Die Regierungserklärung von Bundeskanzler Kohl vom 30. Januar 1991.

(17) Zum Vergleich: Interpress Sonderdienst SD-7, S.10, Bonn 1991.

(18) s. Regierungserklärung Kanzler Kohl wie oben.

(19) Da Deutschland sich aufgrund von Nachkriegsverboten nicht militärisch beteiligte, verpflichtete es sich zunächst zur Zahlung von 15,3 Mrd. DM und zu einer zusätzlichen Unterstützung der Länder der Frontlinie von weiteren 1,6 Mrd. DM, in: Die Entwicklungspolitik als internationale Friedenspolitik, INPRSS Sonderdienst SDI,Bonn 1991, S.11.

(20) Aus der Rede des neuen Ministers für Zusammenarbeit Carl-Dieter Sprangers, s. INPRESS Sonderdienst SDI, S.10

(21) Die BRD erreichte 1989 einen Handelsüberschuß von 71,8 MRD. DM und von 52,8 im Jahr 1990 (dem Jahr, in dem es zu einer generellen Tendenz zur Verringerung kam), im letzteren übertraf sie zum ersten Mal so deutlich Japan (um 19 Mrd. DM), ein Land, das für seine beneidenswerte Handelsbilanz weltbekannt ist.

(22) zu einem geschätzten Kurs von 1,50 DM pro US-Dollar während 1991, s. Jahrestabelle des The Economist, 4. Januar 1992, S.84.

(23) s. Im DIW Wochenbericht 49/91: Verschuldungslage der meisten Entwicklungsländer bleibt problematisch, Berlin, 5. Dezember 1991, S.696.

(24) s. Tabelle in: Das Parlament: die Woche im Bundeshaus, Bonn, 12/19, Juni 1992, s.1.

(25) Ashoff, Guido: Entwicklungszusammenarbeit EG-Lateinamerika. In Nueva Sociedad, Caracas, Nr. 106, 1990, S.180.

(26) Sassenfel, Heinrich: Lateinamerika in den Neunziger Jahren, In: Entwicklung und Zusammenarbeit, Nr. 2/1991, S. 180.

(27) Dank der nachhaltigen Erholung ihrer Finanzen während 1992, unter Gesichtspunkten wie dem Wirtschaftsüberschuß (wo sie auf den zweiten Platz in der Welt hinter Japan zurückkehrte) oder der wachsenden Erholung der DM auf dem Devisenmarkt. s. Economic and Financal Indicators. In: The Economist, erstes Semester 1992.

(28) Für 1992 nahm diese nur um 62 Mio. auf 8,22 Mrd. zu und blieb 1993 und 1994 bei der geplanten Steigerung von 200 Mio. DM jährlich, s. Tabelle im BMZ Journalisten-Handbuch Entwicklungspolitik 1991/92, Bonn, 1991, S.66.


CUBA LIBRE Francisco Florentino
(AdSp.C.Sch.)

CUBA LIBRE 3-1994