Jugend in Cuba

Es war die junge Generation, 1/3 der Gesamtbevölkerung, die von den Auswirkungen des Zusammenbruchs in Osteuropa am empfindlichsten getroffen wurde. Ihr ganzes leben lang hatten sie nie wirtschaftliche Not gelitten, sie lebten in sozialer Sicherheit und Gerechtigkeit und ihr Wertesystem war intakt. Praktisch von einem auf den anderen Tag brach eine Welt für sie zusammen.

Die Generation der Älteren hatte die schlimmen Zeiten vor der Revolution und die Zeiten des Umbruchs erlebt, kannte Entbehrungen, Angst und Unsicherheit. Die Jugendlichen aber fielen von relativem Überfluss in die Mangelgesellschaft und es ist bekanntlich einfacher sich vom schlechten leben auf das gute umzustellen als umgekehrt. Als verletzlichstes Glied der Gesellschaft waren sie den unerwünschten Nebenwirkungen der ökonomischen Maßnahmen am heftigsten ausgesetzt.

Sie wurden zum ersten Mal in ihrem Leben mit Ungerechtigkeiten konfrontiert. Sie erhalten nicht das Einkommen, das ihnen gemäß ihrer Leistung für die Gesellschaft zusteht, während anderen das Geld in den Schoß fällt – entweder durch Zuwendungen aus dem Ausland oder weil sie an der „Schattenwirtschaft“ beteiligt sind und irgendwie Zugang zu Devisen haben. Diese Erfahrungen bringen das Wertesystem der Jugendlichen durcheinander (und nicht nur das der Jugendlichen). Für viele wird die Notwendigkeit der Arbeit in Frage gestellt. Nachdem sie ihr Studium absolviert haben, bleiben sie dem Arbeitsmarkt fern.

In den Augen vieler scheint es vorteilhafter zu sein, Kellner zu werden, als Lehrer oder Arzt. Dazu muss man sich klar machen, was es für das soziale Ungleichgewicht bedeutet, dass ein Kellner aufgrund seiner Trinkgelder wenigsten dreimal mehr verdient als ein Universitätsprofessor oder ein Ingenieur. Hier gerät das sozialistische Prinzip, „jeden nach seinen Fähigkeiten, jeden seiner Arbeit entsprechend“ zu bezahlen ins Wanken. Dass die Situation vorübergehend ist, macht sie nicht weniger irritierend für Jugendliche und natürlich auch für Erwachsene. Früher war der größte Teil ihrer Grundbedürfnisse befriedigt und man hatte sich daran gewöhnt, dass zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Sektoren ein vernünftiges Gleichheitsprinzip herrschte. (Der Höchstlohn konnte nicht mehr als vier Mal höher sein als der Mindestlohn.)

Und da die Jugend der Zeitabschnitt im menschlichen Leben ist, in dem der Mensch auf der Suche ist, Interessen entwickelt und ein bestimmtes Weltbild geformt wird, sind die Umwälzungen für die Jugendlichen besonders gravierend.

Natürlich gibt es nicht "die cubanische Jugend", aber nichts desto trotz kann man in ihr verschiedene Hauptströmungen erkennen. Da ist zum einen die Gruppe, die bewusst ihre sozialen Aufgaben angeht und die sieht, dass ihre individuellen Probleme auf gesellschaftlicher Basis gelöst werden können.

Die augenblicklich möglicherweise größte Gruppe trennt das soziale und private Leben voneinander und versucht vor allem die persönlichen Bedürfnisse zu befriedigen, ohne jedoch eine feindselige Haltung zum System einzunehmen.

Eine dritte Gruppe lehnt das System ab, was sich in groben Verstößen und in kriminellen oder sogar konterrevolutionären Handlungen äußert.

Das das Land augenblicklich zwei Arten von Ökonomie miteinander verbindet, agiert auch die ganze Gesellschaft naturgemäß auf zwei Wertebenen, und es kommt zu Phänomenen, die natürlich nicht mit den Grundwerten der Revolution vereinbar sind.

Manches ist im Augenblick aber nicht zu ändern.

Was aber zu ändern ist, das geht man an. Es musste auf höchster Ebene eine neue Politik entwickelt werden, die auf breiter Basis, besonders aber im Bereich der Kultur, der Gemeindearbeit und der Freizeit, die Jugendlichen zur aktiven Teilnahme am gesellschaftlichen Prozess animiert.

Und dieses Gefühl, aktiv die Zukunft, die Geschichte gestalten zu können, hat inzwischen viele Jugendlichen ergriffen. Das Wort "protagonizar" - also Protagonist, Handelnder sein, ist eine häufig gebrauchte Vokabel im jugendlichen Sprachgebrauch.

Ein jüngstes Beispiel für diesen aktiven Teil der Jugend sind die 5000 Studenten, die ihre Ferien damit verbringen, alle Familien Havannas zu besuchen, um ihre Probleme kennen zu lernen, ihre Meinungen zu bestimmten Themen zu erfahren. Das Wort "sozial" soll nicht weiter mehr ein abstrakter Begriff sein, sondern laut Fidel ist es die Aufgabe des sozialistischen Humanismus, "den Problemen Vornamen, Namen und Adresse zu geben". Statistiken allein genügen nicht.

"Wenn wir wahre Chancengleichheit in der Gesellschaft erreichen wollen, das höchste Ziel der Gerechtigkeit, müssen wir uns mit jedem Fall an der Basis identifizieren ..."

Es war für uns überraschend zu sehen, wie begeistert die Studenten in den Familien aufgenommen wurden. „Los muchachos de Fidel“ verbrachten meist mehr als eine Stunde in jeder Familie. Die Leute fragten erst noch nach, ob die Antwort diplomatisch sein soll. Wenn die Jugendlichen ihnen bestätigen, dass sie frisch von der Leber weg reden sollen, fließt die Unterhaltung munter vor sich hin. Sie erzählen alles, was ihnen zu Erziehung, Bildung, Gesundheit, Fürsorge im Alter, Freizeitprogrammen, Radio, Fernsehprogrammen im einzelnen und den neuen Kulturprogrammen für die Jugend einfällt.

Am Ende sind die Menschen zufrieden und wissen, dass ihre Probleme ernst genommen werden.

Auch die Jugendlichen werden diese Tage niemals vergessen. Sie waren direkt mit Leuten konfrontiert, die oft unter schwierigen Bedingungen leben. Sie haben gesehen, welche Aufgaben und Probleme es noch gibt und dass sie, die Jugendlichen, es sind, die sie lösen müssen. Das neue Fach "Sozial-Kulturarbeiten" boomt. Viele Jugendliche wollen "Protagonisten" einer gerechten Gesellschaft werden.

Ein anderes Gebiet, in dem die Jugendlichen ermutigt werden sich zu verwirklichen, ist die Kultur.

Nun gab es, wie man weiß, insbesondere von 1971 – 1976 im "Qinquenio Gris" (den grauen fünf Jahren) einmal in Cuba das Bestreben, so etwas wie einen kreolischen sozialistischen Realismus einzuführen. Eine Zeit, in der Fidels Satz aus seiner Rede an die Intellektuellen "innerhalb der Revolution alles – gegen die Revolution nichts" außer Kraft gesetzt wurde und in der die Beschränkungen, die für diejenigen, die gegen die Revolution agierten, vorgesehen waren, auch auf die innerhalb der Revolution angewandt wurden. Auch aus dieser "grauen Zeit" befreite sich die cubanische Kultur schnell wieder.

Die Jugend allerdings und ihre Kultur, insbesondere ihre Musikkultur, mussten da schon mehr um Anerkennung kämpfen. Wenn es, wie in Cuba, keine Gesetze des Marktes gibt, sondern staatliche Institutionen, die über die Förderung entscheiden, ist die Versuchung manchmal groß, etwas, was für die Ohren der Kulturverantwortlichen grauslich klingt, lieber zu ignorieren.

Auch das soll sich jetzt ändern und hat sich schon geändert. Daran hat sicher auch der jugendlich wirkende, dynamische und in Cuba äußerst beliebte Kulturminister Abel Prieto seinen Anteil.

Ein Gedanke, der als oberstes Gebot über der ganzen cubanischen Gesellschaft steht, ist der Gedanke der Einheit. Wenn man eine bestimmte Jugendkultur außen vor lässt, wird die sich deswegen nicht in Wohlgefallen auflösen, sondern wie wird lediglich marginalisiert. Das ist aber nun eigentlich das letzte, was die cubanische Gesellschaft möchte. Marginalisiert werden soll möglichst keiner. So erleben jetzt auch der cubanische Rap und Hip Hop, Reggae und Rock ihre Blüte.

Der cubanische Rap erblickte wohl 1994 das Licht der Welt, als sich die "Asociacíon Hermanos Saiz" seiner annahm, die Gruppe "Uno" gegründet wurde und man versprengten Talenten die Möglichkeit gab, sich auszudrücken.

Das erste Festival 1995 fand aber noch mehr im Untergrund statt und erst 1996 bekam es mehr öffentliche Unterstützung. Gruppen traten zur besten Sendezeit im Fernsehen auf, was eine Ausweitung des Rap landesweit, besonders aber in Havanna zur Folge hatte. In diesem Jahr wurde in Presse, Funk und Fernsehen und auf riesigen Anschlagtafeln für das Festival geworben.
Was wollen die cubanischen Rapper? Dieser Frage ist Ariel Fernandez in "La Jiribilla", einer Kulturzeitschrift der Zeitung "Juventud Rebelde" nachgegangen, von dessen Beitrag ein kleiner Ausschnitt wiedergegeben werden soll, um ein Bild zu vermitteln, was die zahlreichen Anhänger dieser Musikrichtung bewegt.

Vor allem sind sie gesellschaftliche Chronisten. Sie kommen aus allen Vierteln und Schichten. Man findet sie unter Studenten, Akademikern und "cuentapropistas" (Arbeitern auf eigene Rechnung). Ihr Hauptproblem ist, dass man sie nicht als Berufskünstler ansieht. Sie wollen anerkannt werden, wie andere Sänger oder plastische Künstler oder Musikkritiker, weil sie viel Zeit für ihre Texte, die Musik und die Promotion brauchen. Viele sitzen im Viertel und machen Jagd auf Dinge, die dort geschehen um daraus ihre Texte zu gestalten. Sie erzählen hauptsächlich cubanische Geschichten, die jeden Tag in einem Viertel von Havanna passieren können. (…) Es sind Geschichten, die das Publikum mag und die eine kleine Minderheit von Leuten, die sich als Kritiker bezeichnen, jeden Tag versucht niederzumachen.

Das Hauptanliegen des cubanischen Rappers ist es, in seinem Viertel anerkannt zu werden, eine CD aufzunehmen und von seiner Arbeit leben zu können. Deswegen betrachten ihn viele als gewohnheitsmäßig faul, weil es ihnen schwer fällt, einen Rapper als Künstler zu betrachten. (…) Man studiert Rap nicht auf einer Kunstschule, was es für die Kulturmedien schwer macht, ihn zu bewerten. Die !Asociación Hermaos Saiz“ hat die Rapper auf kultureller und staatlicher Ebene unterstützt. Früher haben sie einmal den US-amerikanischen Rap kopiert, aber das ist jetzt völlig anders. (…)

Trotzdem besteht noch ein Imageproblem. Wie zieht sich der cubanischen Rapper an, wenn alles, was er braucht, wegen der schwierigen Situation des Landes nur in Dollarläden zu finden ist. Wenn alles, was cubanische Mode ausmacht, sich auf Schaufenster und ein paar internationale Veranstaltungen beschränkt. Deswegen gehen manche Rapper mit ihren olivgrünen Kappen, Che T-Shirts und cubanischer Flagge, damit man nicht mehr an ihnen zweifelt.

Normalerweise ziehen sie überweite Kleidung an und vermitteln damit so was wie Rebellion. (…) Jede Kultur hat ihre Stereotypen. Aber dem cubanischen Rap ist es gelungen, diese seinem persönlichen Geschmack und den ökonomischen Möglichkeiten anzupassen.

Wenn wir die Generation
der neuen Moncada sind,
wenn wir zur Liebe
an der Kunst erziehen und
unseren Teil dazu beigetragen haben -
also was?
Wenn wir seit geraumer Zeitabschnitt ein Beispiel unseres Könnens geben
anstatt zu kritisieren
gib mir deine Unterstützung,
damit ich mich
weiter entwickeln kann …
(Anónimo Consejo)


Ein anderes Thema, weswegen die Rapper nicht gut angesehen werden, sind die Tätowierungen. Dieses kontroverse Thema ist auch im XXI Jahrhundert noch nicht ausgestanden, und es wird immer noch in Verbindung mit Knast gesehen. Und das, obwohl einige Tätowierer schon künstlerisches Profil gewonnen haben.

Wenn aber ein Rapper ein Bild des Che eintätowiert hat, dann sieht die Sache schon ganz anders aus.

In ihrer großen Mehrheit sind die Rapper Schwarze und Mulatten, die oft wegen ihrer Kleidung und wegen ihres Auftretens abgelehnt werden. Sie beschweren sich, dass sie oft von Ordnungskräften angehalten und respektlos behandelt werden. Ich will das hier nicht weiter ausführen, aber es nicht zu erwähnen, wäre unverzeihlich.

Ich finde, man macht auch Revolution, wenn man die Irrtümer kritisiert, die jene Personen begehen, in die die Revolution ihr Vertrauen setzt, damit sie die Aufrechterhaltung der Gesetze gewährleisten. Darüber ist schon gesprochen worden, aber es bleibt noch was zu tun. Die cubanische Revolution hat den Rassismus ausgerottet und die Gesetze geben allen die gleichen Rechte. Aber es bleiben immer noch Spuren einer Gesinnung in vielen Menschen, für die "schwarz" das Synonym für alles Negative ist. Und das in einer Bevölkerung, in der die Mehrheit Schwarze und Mulatten sind. Welch ein Widerspruch.

Manchmal glaube ich,
das leben wäre nichts wert,
wenn man nicht für einen Traum kämpft.
Wenn du der Herr deiner Gedanken
und Taten bist
mach was du denkst
Träumen kostet nichts, ich muss singen,
um nicht Teil des Nichts zu sein
Das Leben ist tragisch,
es versetzt dir Schläge und Fußtritte
Ich bin gefallen und wieder aufgestanden
und reiße weiter die Barrieren ein,
die man mir aufstellt.
Man sagt, dass der Rapper zu verachten ist,
das sagt der Dumme, der nichts von Kultur versteht …
(100% Original)


Kann man Rapper mit der Nueva Trova vergleichen? (…)

"Ich will niemanden damit beleidigen. Es geht nur darum einer Jugendbewegung Zeit und Raum zu geben. Mit dem Beginn des letzten Jahrzehnts des vergangenen Jahrhunderts und dem Fall des sozialistischen Lagers bricht eine neue Etappe der cubanischen Revolution an, vielleicht die schwierigste seit dem Jahr der Schweinebucht- und dem der Oktoberkrise. Die ersten Jahre der Revolution brachten Pablo Milanés, Silvio Rodríguez und Noel Nicola hervor, die mit der Gitarre in der Hand und ihrer Poesie Revolution machten. Sie machten Kultur, Musik innerhalb des politischen Prozesses und waren gleichzeitig eine Waffe mehr, mit der sie die Zeit unterstützten, in der sie lebten. Der cubanische Rap schifft heute in den gleichen Gewässern wie die Nueva Trova in ihren Anfängen, unverstanden, zensiert, obwohl sie die Wahrheit in ihren Händen hielt.

Wir befinden uns in einem neuen Jahrzehnt und die Künstler sind nichts weiter als ein Spiegelbild von 40 Jahren Revolution und sie widerspiegeln sie, viele ohne es zu wissen, in ihrer Kunst. Hier sind sie mit ihren revolutionären, widersprüchlichen und polemischen Texten auf das Positive aus und machen Musik mit ihren ganzen ökonomischen Problemen auf dem Buckel, sie machen Kunst, obwohl sie nicht verstanden werden und durchleben sie die schwierigen Zeiten mit der Revolution. Sie bitten um Raum; man muss ihnen ihren Raum geben. Der cubanische Rap geht von einem sozialen und politischen Kontext einer Generation aus, die sah, wie sich ihre Lebensform von einem auf den anderen Tag veränderte. Die weder den Kapitalismus noch den revolutionären Prozess erlebt haben und für die es, im Gegensatz zu ihren Eltern, von oben nach unten ging. Sie wissen das, sie können damit umgehen, es hat sie nicht entfremdet, sie repräsentieren all dies und mehr. Sie machen Revolution mit ihren Texten und erziehen mit ihrer Poesie. (…)

Der Rap schickt sich an, über seine Epoche hinaus zu wachsen. Wichtig war das Treffen der Rocker und Rapper mit dem Kulturminister Abel Prieto. Bei diesem Treffen nahm keiner ein Blatt vor den Mund, und es kam ganz klar heraus, dass von jetzt an der cubanische Rap und der cubanische Rock Teil der cubanischen Kultur geworden sind, wie jedes andere Genre auch. Herzlichen Glückwunsch. (…)

Das ist eine gute Nachricht für die cubanische Jugend und es liegt jetzt in den Händen jener, auf die die Arbeit zufällt, dieses in die Tat umzusetzen, Radio, Fernsehen, Presse, Promotion, Kulturfunktionäre und Künstler natürlich. Die Zeit wird Zeuge sein und das letzte Wort sprechen."

Was den Rock angeht, so weiß man spätestens, seit Fidel ein Konzert der englischen Rock Gruppe "Manic City Preachers" besucht hat und die Liedtexte der deutschen Punk Rock Gruppe "Die Toten Hosen" anlässlich ihrer Auftritte in Havanna als Übersetzung in der Granma standen, dass sich auch hier neue Möglichkeiten eröffnen.

Noch guckt man im Ausland cubanische Musiker an, als ob sie sie nicht alle hätten, wenn sie erzählen, sie machten Rock oder Pop Rock. "In Cuba gibt es keinen Rock, da macht man Son oder Salsa" erklärte man Nassiry Lugo, dem Chef und Sänger der derzeit bekanntesten cubanischen Pop Rock Gruppe "Moneda Dura" (Harte Währung).

Spätestens seit "Monede Dura" ein Konzert auf der berühmten "Tribuna Antiimperialista" vor der US Interessenvertretung gegeben hat, kennt sie in Cuba jedes Kind. Der Text von "Lola" wird auf cubanischen Feten voller Inbrunst mitgesungen, wobei man es fertig bringt, selbst auf die Rock Version von "El Mayor", ein Lied, bei dem es um den General der Befreiungskriege Ignacio Argamonte geht, zu tanzen.

Das Herz und die Seele der Gruppe sind Nassiry und Humberto, beide mit einem Staatsexamen der Universität Havanna in Literatur. Sie sind also keine professionellen Musiker, sondern haben allein ihre Gitarre gespielt und wollten sein wie Silvio oder Santiago Feliú. Addiel und Osmel, die beiden anderen Mitglieder der Gruppe allerdings kommen von einer Musikschule. Die Kombination von Literatur und Musik scheint's zu bringen. Wenn man genau hinhört, hat ihre Musik etwas von Rock und etwas von Synkope. Und darauf legen sie Wert: Die cubanische Musik und der Rock sind keine Gegensätze.

Sie wollen, dass ihr Publikum tanzt, singt, denkt. Sie möchten auch, dass die Leute verstehen, was sie sagen, sie für das sensibilisieren, was ihre Lieder erzählen. Die Musik ist Teil davon, was sie beschäftigt, ob der Text auch wirklich die Leute beschäftigt.

Wie bei den Rappern werden auch ihre Lieder vom Alltag geschrieben, von dem was die Leute auf der Straße erzählen, an der Haltestelle, aus Unterhaltungen mit Freunden. Sie fühlen eine Verantwortung die intelligenten Texte zu verteidigen. Die Trova ist ihrer Meinung nach vorbei, das Leben ändere sich. Was sie aber von der Trova geerbt haben, ist die Ästhetik. Die Musikvorstellungen von heute haben sich geändert, die Leute brauchen andere Stimuli als vor 30 Jahren. Sie wollen Musik machen für den Klempner und den Architekten, alle sollen ihre Musik verstehen. Deswegen versuchen sie in ihren Texten einfach und direkt zu sein und den Punkt zu treffen.

Die cubanische Jugend und ihre Kultur ist zu vielschichtig, als dass man sie auch nur ansatzweise behandeln könnte. Aber ihr ist es gelungen ihre Vorstellungen von Musik zu einem Teil der cubanischen Kultur zu machen und das zu einer Zeit, in der Cuba eine wahrhafte Kulturoffensive erlebt. Bildung und Kultur werden in einem Maße gefördert, dass es einem schier den Atem verschlägt. Selbst die Hauptnachrichten haben jeden Tag ihren festen Kulturteil.

An dieser Kultur haben die Jugendlichen einen aktiven Anteil, die Gesellschaft stellt ihnen immer mehr Foren zur Verfügung. Auch sie, wie die Sozial-Kulturarbeiter, die Ärzte, die im Ausland arbeiten, die kleinen Pioniere, die Tausende neuer junger Lehrer, sie alle, die sich nicht unterkriegen lassen, "protagonizan", sind die Protagonisten einer lebendigen Gesellschaft und Geschichte, in der es noch viel zu tun gibt, von der man aber weiß, wo sie hinführen soll.

CUBA LIBRE
R. Fausten

CUBA LIBRE 4-2001