Erlebnisbericht über den Cuba-Jugendaustausch 2000/2001

"Vamos a escribirnos, cuidate bien!"

Wir drücken unsere tränennassen Gesichter aneinander und halten uns so fest es geht in den Armen.


Als wir ein paar Tage später zusammen in der "Chilenischen Jugend" sitzen und das Video anschauen, welches unsere dramatische Abschiedsszene am Münchener Flughafen dokumentiert, gelingt es uns fast nicht mehr die Personen zu identifizieren, weil sie ihre Tränen laufen lassen, dass diese vor ihnen in Wellen wieder hochschlagen und sie dadurch verdecken …

Warum so viele weinen? Und wie hatte alles angefangen?

Vor zwei Jahren hat sich unsere Gruppe von 20 Jugendlichen gebildet, die sich für das Projekt um den Jugendaustausch mit Cuba interessierte. Partner unseres Projektes blieb, wie in den Jahren zuvor, das Kulturhaus in Bayamo, in der Provinz Granma. Der Austausch, der nun schon zum dritten mal seit 1996 realisiert wurde, sollte uns Jugendlichen einen Einblick in die Lebenswelten der „anderen“ ermöglichen. Etwa ein viertel Jahr vor unserer Reise nach Cuba im letzten Jahr bereiteten wir uns auf das Land vor, indem wir uns alle zwei Wochen trafen und abwechselnd Referate hielten, uns Dokumentationen anschauten oder über aktuelle Nachrichten, wie z.B. damals die Entführung von Elián, austauschten. Während eines dreiwöchigen Aufenthalts auf Cuba lernten wir die cubanischen Jugendlichen sowie ihre Familien und deren Zuhause kennen.

Im "Casa de la Cultura" trafen wir uns jeden Tag, um von dort aus Rundgänge, Besuche bei verschiedenen Institutionen oder Ausflüge in die nähere Umgebung zu machen. Einige Male fanden im Kulturhaus auch Workshops statt. Am ende flogen wir von Havanna aus wieder nach Hamburg zurück.

Danach starteten wir die zweite Phase des Projektes, die Organisation des Rückaustausches im Sommer 2001. Das Amt für Jugend sicherte uns Unterstützung zu, die Gelder für die Flugtickets mussten wir allerdings selbst "erwirtschaften". Innerhalb eines Jahres organisierten wir in diesem Sinn immer wieder kleine Veranstaltungen, Ständeverkauf und ähnliches.

Abgesehen davon planten wir ein vielfältiges Programm für den vierwöchigen Aufenthalt unserer Gäste. Dabei war es uns besonders wichtig, ihnen möglichst verschiedene Sichtweisen auf unser Leben in der Bundesrepublik zu vermitteln. Im Juli kamen die 15 CubanerInnen in Hamburg an. Die Zeit, die wir gemeinsam in Hamburg verbrachten, war für uns deshalb sehr intensiv, weil wir unsere Freunde privat bei uns zu Hause unterbrachten, und wir somit 24 Stunden am Tag mit ihnen zusammen waren. Dabei wurden wir mit den unterschiedlichsten Situationen konfrontiert, und man hatte oft das Gefühl, dass die HamburgerInnen selbst noch eine Menge über sich und ihre Gesellschaft lernten.

So entstand für uns eine prekäre Situation, wenn wir den CubanerInnen abends erklären mussten, dass sie die Musik nicht so laut hören durften, weil sich sonst die Nachbarn beschwerten … Aber auch während des offiziellen Teils des Programms konnten wir ständig neue Eindrücke gewinnen. Der Besuch bei der Obdachlosenzeitung "Hinz und Kunz" hat ebenso seinen Teil dazu beigetragen wie das Gespräch mit einer Zeitzeugin zum Thema Deutschland und seiner Nazivergangenheit.

In der letzten gemeinsamen Woche reisten wir zusammen nach München, wo wir von den Jugendlichen der Cuba-Jugendaustauschgruppe München und von den "Companeros" der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba e.V. empfangen wurden. Dort auf der Zugspitze fand unser Programm seinen sprichwörtlichen Höhepunkt – die CubanerInnen hatten in ihrem Leben noch nie Schnee gesehen! Im Süden Deutschlands hatten wir das Glück nach mal eine ganz typisch "westliche" Erfahrung zu machen: Wir machten an einem Tag einen Ausflug an den Ammersee, wo wir die Otto-Huber-Hütte, ein Haus, welches Antifaschisten nach dem zweiten Weltkrieg gebaut hatten, besichtigten.

Danach wollten wir nebenan ein kühles Bad nehmen. Der See war wirklich idyllisch gelegen, und wir entdeckten sogar einen kleinen Badesteg, von dem aus man ins Wasser steigen konnte. Doch bei betreten des Steges kam uns eine Nachbarin entgegen, offenbar die gleichzeitige Besitzerin des Grundstückes – einschließlich Steg! - und innerhalb weniger Sekunden fanden wir uns als ZuhörerInnen einer Aufklärungskampagne zum Thema Privateigentum wieder. Abgesehen von den Unannehmlichkeiten waren wir sehr froh, auch diese Erfahrung gemacht zu haben – hinterher munkelte man sogar, die Situation sei vielleicht gestellt gewesen.

Jetzt drei Wochen nach unserem schweren Abschied, arbeiten wir an der Auswertung unseres Projektes. Danach hoffen wir, dass es der nächsten Gruppe im Frühjahr genauso gut gefallen wird wie uns.

CUBA LIBRE


CUBA LIBRE 4-2001