X Alfonso – Der Unbeschreibliche

Eigentlich eine ganz normale Vita: Eltern hochmusikalisch, Leiter der Gruppe »Síntesis«. Vom 16. Lebensjahr an muss ihr Sprössling mit ran. In afro-kubanischen Klängen sozialisiert, wird er etliche Jahre in der elterlichen Band spielen, die in Kuba den besten Ruf genießt. Irgendwann reicht ihm das nicht mehr und er stellt sich auf die eigenen Füße.

Von hier an hört jede Normalität auf! Zu der Musik befragt, die er nun macht, sagte er kürzlich in einem Interview: »Wenn ich Rock and Roll spiele, tue ich es mit afrokubanischen Rhythmen und Kadenzen, auch wenn es sich nach Jimi Hendrix anhört.« Wäre es nur so einfach! In Wahrheit hört sich nichts, was er je produziert hat, nach Jimi Hendrix an.

X Alfonso


X (sprich: Eckis) Alfonso kann und will seine afro-kubanischen Wurzeln nicht verleugnen, doch es ist so viel mehr als eine Fusion mit Rock and Roll. Von den Querverweisen, die er in seine Stücke einarbeitet, sind die Genres Funk und HipHop wohl noch am prominentesten. Aber man müsste sich einen Nachmittag frei nehmen, wollte man all seine verspielten Anklänge an weiß der Kuckuck was identifizieren. Die Liebe zum Detail bringt es mit sich, dass sich manche Nummer der Bühne entzieht. Ein Stück wie »Civilización« zum Beispiel, das vor Genialität förmlich Funken schlägt, wäre bei einem Live-Auftritt vollkommen undenkbar. Es entstand auf dem Reißbrett, sozusagen auf Millimeterpapier, und man täte ihm keinen Gefallen, wenn man es aus dem Studio heraus ins raue Leben zerrte.

Daraus könnte man schließen, dass X für Konzerte völlig ungeeignet wäre. Als er vor wenigen Jahren einmal einen Auftritt im »Pabexpo«, der alten Kunstfabrik in Vedado – kein Konzertsaal im eigentlichen Sinne, sondern eine riesige leerstehende Halle, die einer Bestimmung zugeführt wird – hatte, trat er den Gegenbeweis an. Die Location war bis an die Schmerzgrenze klimatisiert, aber als wir ca. 1500 Leute waren, die sich um die Bühne herum drängten, hatte man die Arme entweder am Körper anliegend nach unten hängen oder man schwenkte sie über dem Kopf. Wechseln konnte man da nicht mehr. Auch von arktischen Temperaturen war keine Rede mehr; alle hatten hochrote Gesichter vor Begeisterung!

X Alfonso

X Alfonso stellt seinen CDs immer DVDs zur Seite, auf denen es interessante Dinge zu sehen gibt – nicht selten vor dem Hintergrund von Luyanó, seinem geliebten Heimatviertel in Havanna. Bei einer der Sequenzen geht es um die Integration von Klangmustern in die Nummer »Santa«: 1. das Geräusch eines Hammers auf Metall, 2. das Schlagen eines rostigen Aluminiumbleches auf den Rand einer Regentonne, 3. der Klang eines Tropfens, der auf die Wasseroberf läche (derselben?) R e g e n t o n n e trifft, 4. das Geräusch einer Handsäge in einem Dachbalken, 5. das eines ungeduldigen Klopfens an der Tür und 6. das Klatschen, das beim Auftragen von Spachtelmasse auf eine Hauswand entsteht. Alles auf den Sekundenbruchteil genau perfekt eingepasst.


Jenseits aller Schubladen

Frage: Welche Schublade eignet sich für diesen Irren? Seine Musik ist frech und kühn, geradezu beängstigend talentiert und gnadenlos jung. Dass er 41 Jahre alt ist, würde ich ihm nicht mal dann glauben, wenn er mir seinen Pass unter die Nase hielte.

CD-Alben (meines Wissens) bisher »Civilización« (2005) und »Revoluxión« (2007)

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CUBA LIBRE 3-2013