»Weil Kubaner internationalistische Sozialisten sind«

Interview mit Denis Goldberg

Denis Goldberg wurde 1933 in Kapstadt als Sohn jüdischer Eltern geboren. Der Aktivist des von Nelson Mandela geleiteten bewaffneten ANC-Arms »Umkhonto we Sizwe« ( Speer der Nation ) wurde im Rivonia-Prozess 1963/64 zu »viermal lebenslänglich« verurteilt. Als Weißer wurde er nicht mit seinen Gefährten um Mandela auf Robben Island, sondern in einem Apartheidgefängnis in Pretoria inhaftiert. Nach 22 Jahren kam er frei und arbeitete ab 1985 für die Befreiungsbewegung zunächst im Londoner Exil. Er war ANC-Vertreter im Anti-Apartheid-Ausschuss der UNO. Zurück in Südafrika war der Bauingenieur Berater des Ministers für Wasser- und Forstwirtschaft. (jw)

Nelson Mandela hat Fidel Castro für die Unterstützung im Kampf gegen die Apartheid gedankt mit den Worten, dass das kubanische Volk immer einen besonderen Platz im Herzen der Afrikaner habe. Wie sah der Beitrag der Kubaner dabei aus, was war das Besondere?

Kuba spielte im Allgemeinen eine wichtige Rolle in Afrika. Im Kampf um die Freiheit der Demokratischen Republik Kongo, in Angola, in Mosambik, im mittleren und südlichen Afrika im Allgemeinen. Und es tat es auf verschiedene Weise. Diese Länder wurden unabhängig. Sie brauchten militärische Ausbildung, sie brauchten medizinische Dienste, sie brauchten soziale Dienste. Kuba spielte eine wichtige Rolle in Afrika – durch die Unterstützung für jene Länder, die ihre Unabhängigkeit erklärt hatten und für diejenigen, wo die Unabhängigkeit durch Intervention bedroht wurde. Nehmen Sie zum Beispiel Angola: UNITA, von Südafrika und den Vereinigten Staaten unterstützt, gegen die sozialistische MPLA. Kuba leistete militärische Unterstützung, es hat Ärzte, Krankenschwestern und andere Beschäftigte im Gesundheitswesen geschickt. Es war nicht nur die militärische Unterstützung. Zum Teil bestand das Training in der Benutzung der Ausrüstung, die von der Sowjetunion geliefert worden war: Flugzeuge, Radar und andere Geräte. Aber sie stellten Soldaten zur Verfügung und als die südafrikanischen Streitkräfte kurz davor waren, die Hauptstadt einzunehmen, wurden die kubanischen Soldaten sehr schnell herbeigeholt und stoppten den Prozess. Angola wäre eine Kolonie von Südafrika geworden.

Und so kämpften sie die Südafrikaner zurück und ... am Ende ging Südafrika durch seine Versuche militärischer Intervention ganz bankrott. Zur gleichen Zeit bildete Kuba Menschen für unser zukünftiges freies Südafrika aus: Mediziner, Hochschulmenschen, Physiker – kein direkter wirtschaftlicher Vorteil, dass das, was sie studieren wollten auch studierten.

Sie unterstützten unsere kommunistische Partei, Umkhonto we Sizwe und in diesem Sinne haben sie eine Rolle gespielt. Und schließlich war die Schlacht von Cuito Cuanavale wichtig. Es war nicht eine Ein-Tages-Schlacht, es dauerte drei Monate, um aus dem Nichts eine Entscheidungssituation aufzubauen, wo irgendwie die Streitkräfte schließlich in Konflikt gerieten und die gepanzerten Kolonnen der Apartheid besiegt wurden. Sie sagen, sie verloren nur drei Männer, aber sie mussten sich zurückziehen, weil die Angolaner mit kubanischen Piloten und sowjetischem Radar und Flugzeugen die Lufthoheit hatten und Südafrika hatte ein paar alte französische Flugzeuge, so dass sie sich zurückziehen mussten.

So erzwang dies die Verhandlungen, denn es war die Einigung durch Verhandlungen, dass Kuba zu einem bestimmten Termin es auf den Tag – was die Amerikaner zufrieden stellte und die Amerikaner übten Druck auf Südafrika aus, den Kampf zu beenden. Und das Ende des Kalten Krieges durch den Zusammenbruch der Sowjetunion machte ein Fenster auf. Ein unabhängiges Südafrika würde keine sowjetische Kolonie sein, es wäre es nie gewesen, aber es entfernte den politischen Druck in den USA. Und so spielte Kuba eine wichtige Rolle. Sie befreiten Mandela nicht direkt. Es war ihre Rolle bei der Niederschlagung der imperialistischen Kontrolle über diese Länder – die direkte imperialistische Kontrolle – und der Bankrott von Südafrika.

War diese Unterstützung – sowohl militärisch als auch zivil – nicht eher ungewöhnlich für ein Entwicklungsland? Wie war Kuba das möglich?

Weil Kubaner internationalistische Sozialisten sind, die die Prinzipien über die die anderen Länder reden, in die Tat umsetzen. Aber wir hatten die Unterstützung ähnlicher Art aus der Sowjetunion und des gesamten Ostblocks, es war nicht Kuba allein. Sie versorgten die Menschen, aber Kuba konnte wegen der Unterstützung aus Osteuropa überleben. Das ist auch eine Realität. Also ja, es war ungewohnt, aber wunderbar, was für ein wunderbares Beispiel.

Die Invasion Südafrikas in Angola wurde lange Zeit von der Weltöffentlichkeit verborgen gehalten. Es gab in der Presse eine Mauer des Schweigens. Erst Fotos der Kubaner und von der MPLA von gefangengenommenen südafrikanischen Soldaten haben das an die Öffentlichkeit gebracht. Hatte die Bevölkerung in Südafrika wirklich geglaubt, dass es sich bei den südafrikanischen Invasoren um einen Grenzkrieg mit Söldnern gehandelt hat?

Sie wissen, ich werde über bestimmte besondere Details nicht sprechen, aber die Gefangennahme der Südafrikaner in Angola war wichtig. Ebenso wichtig waren die Konflikte in Namibia selbst und die südafrikanischen Angriffe auf ANC-Camps in Angola und Mosambik und anderswo, wo sie plötzlich den Schock ihres Lebens bekamen, als schwarze Soldaten weiße Soldaten töten konnten.

Psychologisch war es ein furchtbarer Schock – so sehr, dass dies in Südafrika verheimlicht wurde. Es gab Soldaten, die in den Kampf gingen, denen das Rad von ihren gepanzerten Personenfahrzeug geblasen wurde, sie überfallen wurden und den Eltern jener Soldaten, die getötet wurden, wurde gesagt: »Es war ein Autounfall, wir trainieren die Fahrer, bessere Fahrer zu sein.« Aber wenn die jungen Soldaten nach Hause gingen und den Eltern von denen erzählten, die gestorben waren, war die Enttäuschung riesig. »Du sagst uns, unsere Söhne sind Helden, die Kinder starben, um die Apartheid zu verteidigen und du behandelst sie als Autounfälle, du sagst uns nicht mal die Wahrheit.« Die Enttäuschung wuchs wirklich. Und die psychologische Wirkung der jungen Soldaten, die nach Hause kamen, mental durch das, was sie erlebten, gestört und deren Arbeit jetzt von Afrikanern gemacht wurde. Kapitalisten finden Wege, um Gesetze zu umgehen. Mit Hilfe der Regierung, wenn die jungen Weißen ihren Militärdienst ableisten, wenn sie ihrer produktiven Arbeit aber nicht nachgehen. So wächst die Inflation, weil Soldaten essen und nicht produzieren, und sie kommen nach Hause und ihre Arbeitsplätze sind weg. Gerade das, was sie verteidigten, ist zerstört: Apartheid.

Und dies ist es, wo die Ernüchterung herkommt. Dann, als der Aufstand in den Townships 1989/1990 stattfand, wurden junge Soldaten entsandt, um die Townships zu kontrollieren – junge weiße Soldaten. Viele von ihnen sagten: »Nein, Nein, wir sind keine Polizisten, wir werden unser Land gegen äußere Angriffe verteidigen, nicht gegen unsere Bürger« und weigerten sich, ihren Militärdienst zu tun.

Und mit der Zeit kam es zu einem Punkt, wo die Hälfte eines Jahrganges, die das Alter von 18 Jahren erreichten, ihren Militärdienst verweigerten. Die Androhung von sechs Jahren Haft wurde bedeutungslos, sie verweigerten einfach. Wenn deine Bevölkerung sich weigert, die Regierung zu unterstützen, das ist das Ende. Und dann, wenn du an die Menschen denkst, diese jungen Männer mussten sich im Untergrund verstecken – jemand hatte sich um sie zu kümmern. So unterstützten die Kirchenfrauen, die Black Sash Damen – anstatt nur abseits zu stehen und zu protestieren – jetzt aktiv den Widerstand. Und so eine Bewegung wächst in einem Land, in dem sogar die Regierung zuhören und verhandeln muss. Das ist, was passiert ist. Das ist es einfach gesagt.

Auf der anderen Seite kam es nach dem Bekanntwerden der Invasion auch zu einer verstärkten Isolierung des Apartheidregimes. Welche Bedeutung hatte das für den Kampf in Südafrika?

Internationale Solidarität mit der Freiheitsbewegung war enorm wichtig, wirtschaftlich, wo es funktionierte, und die Banker gestanden es schließlich zu, war um Waren zu importieren, die verboten waren und für die sie mehr zu zahlen hatten, und um ihre Waren, die sie produzierten, zu verkaufen – einschließlich der Rohstoffe – mussten sie die Preise senken. So wird die Wirtschaft von beiden Seiten gequetscht, bis sie nicht mehr funktioniert. Es funktionierte wie eine Kriegswirtschaft: Du druckst Geld und druckst Geld und druckst Geld, bis am Ende die großen Banken, die amerikanischen Banken nicht mehr helfen würden, wegen des Drucks der internationalen Isolation. Und die deutschen Banken sprangen ein, verkauften das Gold, versuchten zu helfen und so weiter, und der Druck in Deutschland wurde zu groß. So waren internationale Isolation und Sanktionen absolut entscheidend. Und die internationale Solidaritätsbewegung, aus dem Osten, wo Regierung und die Bevölkerung gegen die Apartheid handelten, im Westen, wo die Menschen handelten, um ihre Regierungen zum Handeln zu zwingen – und nicht ihre Regierungen, ihre Regierungen unterstützten die Apartheid zu lange. So war Isolation wichtig.

Wie ist das Verhältnis der fortschrittlichen Kräfte in Südafrika zu Kuba heute? Welche Bedeutung hat Kuba?

Nun, wissen Sie, mit dem amerikanischen Embargo, Fahrzeuge und so weiter, schuf die Deutsche MAN ein Werk, um Dieselmotoren in Südafrika für unsere Panzer zu produzieren, so konnten wir exportieren und Dieselmotoren nach Kuba spenden. Was wir über unsere militärische Abteilung machten, weil Ronnie Casrils stellvertretender Minister und als Kommunist ein solider Unterstützer von Kuba war und so halfen wir auf diese Weise. Aber die Solidarität geht weiter mit dem Austausch von Ärzten aus Kuba, die in unseren ländlichen Bereichen arbeiten, durch Experten für Wasserangelegenheiten, Hydrologie – tolle Experten, und ich kenne sie, weil ich im Ministerium als Berater gearbeitet habe, so dass ich darüber wusste – und die Kontakte sind geblieben, gibt es immer noch. Kuba ist für viele Südafrikaner ein enormes Vorbild. Und als Nelson Mandela als Präsident eingeführt wurde, gab es eine große Debatte, wer der letzte der Staats- und Regierungschefs sein würde, den er aufsuchen würde, um auf das Prozedere zu kommen. Fidel Castro war der Präsident – und nur der stellvertretende Präsident der Vereinigten Staaten war es, der sich weigerte, vor Präsident Castro zu erscheinen, weil er Amerikaner ist, und so verzögerte sich die ganze Prozedur um eine Stunde und dann kam der amerikanische Vizepräsident, und es gab sehr höflich ein wenig Applaus. Und dann kam Fidel und das ganze Publikum stand auf und jubelte. Großer Moment !

Und dann kam Nelson Mandela und die fünf Top-Generäle Südafrikas waren da. Heer, Marine, Luftwaffe, Polizei, Gefängnisse. Und sie salutierten dem gewählten Präsidenten, und es war wie in alten und feudalen Zeiten, in denen die Lords den neuen König begrüßen. Es war wie ein Versprechen der Gefolgschaft, es war ein sehr wichtiger Moment. Es war die Rede von einer Konterrevolution, die alte Spitze der Armee, Constand Viljoen, drohte mit einem Aufstand und Nelson Mandela und andere, aber vor allem Mandela, sprachen mit ihm und sagten: »Sie haben immer über Demokratie gesprochen, warum gründen Sie nicht eine politische Partei und sehen was passiert? « Nun, das war ein einfacherer Weg, als eine Konterrevolution zu machen, war sehr überzeugend – und so sind wir dem entgangen. Denn am Ende muss ich sagen, so sehr ich das Gefühl habe, dass De Klerk unserer Nation eine Entschuldigung schuldet, hat er tatsächlich sein Leben für die Änderung aufs Spiel gesetzt. Es gab jene unter seinen Sicherheitskräften, die ihn gerne tot gesehen hätten. Und er arbeitete nach und nach mit seinen Anhängern, um diese alten reaktionären Menschen, die reaktionärsten Gruppen in der Armee und in den Streitkräften, zu isolieren und hatte Erfolg. Deshalb hatten wir eine relativ friedliche Transformation, relativ gesehen. Nur zehntausend Menschen wurden getötet. Das ist, warum ich sage, relativ. Das ist meine englische Ironie. Vielen Dank.

CUBA LIBRE Interview: Christian Selz
Übersetzung: Marion Leonhardt

CUBA LIBRE 2-2014