Guantánamo – ein Stück Erde, auf das wir niemals verzichten werden …

Das Elend begann mit dem Platt-Amendment – ursprünglich ein Zusatz zum US-Militärhaushalt. Eigentlich sollte es den Rückzug der US-amerikanischen Truppen aus Kuba und die Beziehungen zwischen Kuba und den USA regeln, nachdem Kuba 1898 im Spanisch-Amerikanischen Krieg von den Vereinigten Staaten besetzt worden war.

Guantanamo

Blick auf die Marinebasis (Grenzstreifen als helle Linie zu erkennen): Foto -hei

Trotz der Warnungen Salvador Cisneros Betancourts, dass seine Aufnahme in die kubanische Verfassung »unserer vollständigen Unabhängigkeit entgegenstehen (…) und zukünftige Generationen von Kubanern versklaven würde«, stimmten am 12. Juni 1901 in einer Geheimsitzung 16 der 27 anwesenden kubanischen Delegierten dafür, nachdem die USA mit der weiteren Besetzung Kubas gedroht hatten.

Einschränkung der Souveränität

In einem Absatz regelte der Zusatz unter anderem: »Damit die Vereinigten Staaten in der Lage sind, die Unabhängigkeit Kubas zu erhalten und das Volk zu schützen, sowie für seine eigene Verteidigung, wird die Regierung Kubas den Vereinigten Staaten den notwendigen Grund und Boden für die Einrichtung von Kohlenbunkern oder Marinestationen an bestimmten festgelegten Punkten verkaufen.«

Nach der formalen Unabhängigkeit 1902 unterzeichnete die kubanische Regierung nach erneutem Druck seitens der US-Regierung am 16. Februar 1903 in Havanna und am 23. desselben Monats in Washington die Übereinkunft für die Verpachtung der Gebiete in Guantánamo und Bahia Honda.

Die Pacht der Gebiete von Bahia Honda wurde 9 Jahre später beendet, weil die USA stärker daran interessiert waren, die Basis von Guantánamo auszubauen, die sie damals »Marinestation« nannten.

Der offizielle Name wurde in »Marinebasis« geändert und das Gebiet ausgeweitet: 117 Quadratkilometer, fast die Hälfte besteht aus Festland und ein Viertel aus Sümpfen. Die Küstenlinie beläuft sich auf etwa 17 km.

1934 wurde der kubanische Präsident Ramon Grau San Martin abgesetzt, der Vertrag wurde aufgelöst. Im selben Jahr wurde er aber erneuert, doch blieb nur Abschnitt 7 über das Recht der Nutzung der Bucht als Marinestützpunkt erhalten.

Seit dem Sieg der kubanischen Revolution besteht die kubanische Regierung darauf, dass die Pachtverträge von 1903 und 1934 nichtig sind und Guantánamo illegal gegen den Willen des kubanischen Volkes besetzt gehalten wird. Sie nimmt die Überweisung des jährlichen Pachtzinses von 4 085 Dollar nicht an.

Der Stützpunkt wurde vom Elektrizitäts- und Wassernetz abgekoppelt. Seitdem wird er von den USA aus mit Schiffen und Flugzeugen versorgt. Ein 28 km langer Grenzzaun mit 44 Türmen sowie ein Minenfeld umschließen die Bucht.

Die USA dagegen halten an dem Anspruch auf ein unbefristetes Pachtverhältnis mit den garantierten Rechten fest.

Einschnitt 11. September 2001

Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 ist Guantánamo das Auffang- und Endlager für sogenannte Terrorverdächtige aus der ganzen Welt, die der CIA in die Fänge geraten sind. Sie werden von den USA zumeist ohne Anklage und Prozess dort in Käfigen gehalten. Rotes Kreuz oder andere ausgewählte Besucher werden zum Schweigen über das, was sie dort sehen, verpflichtet.

Wurden die Verträge Kuba seinerzeit mit militärischem Druck aufgenötigt ohne adäquate Gegenleistung so gesellten sich nun von Seiten der USA Vertragsverletzungen hinzu: Mit der Einrichtung kommerzieller Anlagen und eines Gefängnisses gehen sie weit über die vereinbarte Nutzung hinaus.

Guantanamo

Foto: Radio Habana Cuba

Rechtliche Folgen für den Vertrag

Über die rechtlichen Folgen sagt der renommierte Hamburger Völkerrechtler Norman Paech: »Die aktuelle Nutzung von Guantanamo-Bay vor allem als Gefängnisstation angeblicher Terroristen stellt einen erheblichen Verstoß gegen den ursprünglichen Vertrag dar. Er ermöglicht eine Beendigung des Vertrages nach Art. 60 I WRV als Reaktion. Die allgemein geforderte restriktive Auslegung von Art. 60 WRV erlaubt eine Beendigung des Vertrages nur bei einer erheblichen Verletzung. Doch was anderes als diese krass menschenrechtswidrigen Umständen und Bedingungen des ganzen Gefängniskomplexes könnten eine ›erhebliche Verletzung‹ des Pachtvertrages begründen?«

Tom Wilner, einer der bekanntesten Anwälte in Washington und ehemalige Sprecher einer Gruppe von US-amerikanischen Anwälten, die Gefangene verschiedener Nationalitäten vertraten, die illegal im Marinestützpunkt Guantánamo inhaftiert waren, teilt diese Einschätzung der Verletzung des Pachtvertrages:

»Ich denke, dass die Verwendung des Stützpunktes von Guantánamo als Gefängnis durch die USA die Vertragsbedingungen klar verletzt. Das Abkommen oder der Pachtvertrag, den die USA mit Kuba über das Gebiet von Guantánamo unterzeichnet haben, besagt, dass es für Kohlenbunker verwendet würde, als Versorgungsstation für die Marine. Indem es nicht für diesen Zweck, sondern als Gefängnis genutzt wird, wird der Pachtvertrag verletzt.«

Zugleich legte Wilner dar, dass der US-Präsident nicht verpflichtet sei, die Genehmigung des Kongresses zu beantragen, um den Stützpunkt zurückzugeben.

Im Helms-Burton-Gesetz heißt es in Kapitel II, Artikel 201, Absatz 12: «Bereit sein zur Aufnahme von Verhandlungen mit einer demokratisch gewählten Regierung in Kuba, um diesem Land den Marinestützpunkt der USA in Guantánamo zurückzugeben oder den bestehenden Vertrag unter für beide Seiten akzeptablen Bedingungen neu zu verhandeln.« Dies sei die einzige Ausführung in dem Gesetz zu Guantanamo. Sie schreibe eine Genehmigung durch den Kongress nicht vor.

Es ist an der Zeit, dass die USA Guantánamo endlich an Kuba zurückgeben. Sonst kann es keine normalen Beziehungen zwischen beiden Staaten geben.

Wie Fidel schon gesagt hat: »Die Marinebasis ist ein Dolch im Herzen der kubanischen Erde … eine Basis, die wir ihnen nicht mit Gewalt entreißen werden, aber ein Stück Erde, auf das wir niemals verzichten werden.«


CUBA LIBRE Marion Leonhardt

CUBA LIBRE 4-2015