Pastors for Peace in Kuba

Eine Rundreise mit amerikanischen Pfarrern Ende 2018.

Diesmal fand die jährliche Reise im November 2018 statt, weil es im Sommer keine Flüge von Kanada aus mit der kubanischen Airline gab. Da die Pastors als Akt zivilen Ungehorsams ohne Genehmigung der US-Behörden nach Kuba fliegen, können sie dies nur über Kanada oder Mexico tun. Die Rundreise in den USA mit vielen Veranstaltungen und Gesprächen mit ParlamentsvertreterInnen hatte schon im Juni stattgefunden.

Holguin – Biran – Santiago

Ich treffe die Gruppe in Holguin, weil die Fahrt nach Osten in die Provinz Guantanamo geplant ist. Wir sind im Gästehaus der Universität in Schlafsälen untergebracht; im TV werden ständig Änderungsvorschläge zum neuen Verfassungsentwurf erläutert.

Auf der Fahrt nach Santiago besichtigen wir in Biran das Geburtshaus von Fidel und Raul Castro und fünf weiteren Geschwistern. Der Vater war aus Galizien in Nordspanien zum Militärdienst nach Kuba – damals spanische Kolonie – gekommen, zurückgekehrt nach Spanien und kurz darauf nach Kuba ausgewandert. Zuerst arbeitete er im Bergbau, kaufte dann eine kleine Finca, eröffnete dort ein kleines Restaurant, kaufte mehr Land und betrieb Milchwirtschaft. Die große Finca hatte Infrastruktur: Schule, Laden, Postamt.

In Santiago besuchen wir das Grab von Fidel: ein schmuckloser Stein mit seinem Namen. Auf dem Friedhof Santa Ifigenia sind mit uns viele Menschen anwesend, und wir legen einen Blumengruß nieder. Abends empfängt uns das ICAP zum Abendessen und einer Tanzshow.

Am zweiten Tag fahren wir in die alte Bergbaustadt El Cobre, wo oben auf dem Berg das Monument El Cimarron (von Alberto Lescay) steht – zum Gedenken an die in die Berge entflohenen SklavInnen, die die Freiheit suchten. Sie haben wohl die Musik auf steel drums mitgebracht – wir werden zu einem fantastischen Konzert eingeladen.

Noch in Santiago treffen wir die Frauengruppe „Las Isabelas“, die erste kubanische Gruppe von Lesben und Bisexuellen, deren Fokus auf der Arbeit gegen Gewalt gegen Frauen und gegen Homophobie liegt. Sie hoffen, dass in der neuen Verfassung die Ehe nicht auf Frau und Mann beschränkt ist, sondern einfach zwischen zwei Menschen besteht. Die Anerkennung der Verbindung würde sich auch auf das Erbrecht auswirken. Die Gruppe arbeitet mit Cenesex zusammen, die SozialarbeiterInnen, WissenschaftlerInnen und AnwältInnen ausbilden und auch in den Provinzen für Sexualerziehung sorgen.

Bei einem Besuch in einem von Nonnen geführten Altenheim, das tagsüber 30 Menschen betreut und verpflegt, kann ich einen Esel streicheln, der einem Rentner gehört, der auf dem Land lebt und sich hier mit Gartenarbeiten etwas hinzuverdient.

Nach dem Besuch des Museums Vilma Espin mit vielen Fotos und Dokumenten aus dem Leben der Revolutionärin und 2007 verstorbenen Frau von Raul Castro, gehen wir ins museo del cuartel Moncada, in dem die kubanische Geschichte ab dem Angriff auf die Kaserne 1953 aufgezeichnet ist.

Pastors for Peace bei einer Einheit der Grenztruppen
Pastors for Peace bei einer Einheit der Grenztruppen
Foto: Sabine Caspers


Bei der Provinzregierung (asamblea provincial) erfahren wir, dass 54 Prozent der Abgeordneten Frauen und 18 Prozent junge Menschen sind. Fernando Gonzalez, einer der Cuban 5, ist Abgeordneter in Santiago und begleitet uns dieser Tage. Wir werden über die Reform der Verfassung informiert, die von 11 auf über 200 Artikel erweitert wird. Neben dem Präsidenten wird es eine*n Premierminister*in geben; die Kommunen bekommen mehr Geld, Entscheidungsbefugnis und Rechte; es soll andere Formen von Eigentum geben ohne die Möglichkeit, Reichtum zu konzentrieren. Die kommunistische Partei soll weiterhin eine führende Rolle bei der politischen Entwicklung spielen; die Werte und Ideen und Konzepte von Fidel sollen beibehalten werden. Sozialismus bedeutet Würde, Unabhängigkeit und soziale Gerechtigkeit.

Im seismologischen Institut – dem einzigen in Kuba – zeichnen die Messgeräte aus China, Kanada und Russland alle Bewegungen auf. Größere Beben gab es in Santiago 1766 und 1932. Daten werden weltweit gesammelt – internationale Zusammenarbeit gibt es sogar ein wenig mit den USA.

Abends lädt uns Alberto Lescay, der Schöpfer des Monuments El Cimarron, in sein Haus zu einem Film über seine Arbeit ein.

Der Ort Tercer Frente Mario Muñez wurde in einer ländlich armen Gegend, deren Menschen bedingungslos die Rebellen unterstützten, nach dem Sieg der Revolution von Juan Almeida gegründet. Die Landwirtschaft spezialisierte sich auf den Anbau von Kaffee und Kakao und auf Holzwirtschaft. In dieser neu entwickelten Region gibt es heute vier Altenheime (davon drei als Tagespflege und eins mit Unterkunft), zwei Kliniken und 74 Ganztagsschulen.

Wir haben ein kurzes Treffen mit Veteranen, die über ihre Arbeit in Äthiopien, bei der Alphabetisierung in Nicaragua und beim Kampf gegen das südafrikanische Apartheidssystem in Angola berichten.

Die Poliklinik in Cruce de los Baños in den Bergen arbeitet mit vielen medizinischen Kräften. Es gibt 50 HausärztInnen (medicos de familia) mit Fokus auf Basisgesundheitsversorgung und präventiver Medizin.

Guantanamo

Die Provinz Guantanamo besteht als Verwaltungseinheit seit 1976 mit der Kreisstadt desselben Namens("Land zwischen Flüssen"). Es gibt drei Klimazonen: Der nördliche Teil ist tropisch regnerisch, der mittlere tropisch und der südliche ist Halbwüste. Von den 511.000 Einwohnern der Provinz leben 64 Prozent in Städten. Wirtschaftsfaktoren sind Kakao, Kokos, Salz, hydraulische Energie und ein Potenzial für Windkraft und Sonnenenergie. Die durch die Wirbelstürme Irma und Matthew umgeknickten Palmen werden in kleinen und mittleren Betrieben zu Baumaterial verarbeitet. Priorität hat die Selbstversorgung an Lebensmitteln und Wohnraum und wirtschaftliche Nachhaltigkeit unter Beibehaltung der sozialen Errungenschaften.

Auf der Plaza de la Revolucion legen wir einen Kranz nieder.

Unsere Unterkunft sind diesmal 2-Bett-Zimmer in der medizinischen Fakultät.

Wir besuchen die Brigada de la Frontera, einen Armeestützpunkt an der Nordgrenze zur US-Militärbasis. In einer schönen Anlage unter schattigem Baum erwartet uns eine Gruppe Soldat*innen mit Gesang und einem Bibelzitat. Wir haben Zeit für viele Fragen und Antworten: Die meisten, die dort arbeiten, sind junge Menschen; die Vorgesetzten haben alle einen Universitätsabschluß, die Werte sind Respekt, Altruismus und Bescheidenheit. Ganz wichtig ist es, im Sinne von Fidel Castro bei Provokationen der US-Seite ruhig und besonnen zu bleiben (die letzten Schüsse fielen 1997). Über die Auswirkungen der US-Blockade und die Schäden für Kuba bekommen wir folgende Information: Banken zahlen oft horrende Strafen für den Finanzverkehr mit Kuba; die Bucht mit einer Wassertiefe von 15 bis 20 Metern wäre ein guter Handelshafen; Schießübungen kontaminieren die Böden; Lärmbelästigung; viele Jahre hatte der Ort Caimanera die höchste Anzahl von Prostituierten in ganz Kuba, als die US-Soldaten noch kubanisches Territorium betreten konnten. Das tägliche Leben besteht aus sportlichen Übungen und politischen und kulturellen Aktivitäten. Am Wochenende kann in der Bibliothek studiert werden, immer ist ein Wachdienst an der Grenze.

Das Notfallkomitee des kubanischen Kirchenrates berichtet uns, dass durch Wiederaufbauarbeiten nach den Wirbelstürmen Matthew 2016 und Irma 2017 von 42.000 zerstörten Häusern 37.000 wiederhergestellt sind: meist aus dem Holz der Palme aus vorgefertigten Modulen/Blöcken; mit Unterstützung von Venezuela.

Von 2000 km beschädigten Straßen sind 98 Prozent repariert, auch wurden neue angelegt.

Für die betroffenen Menschen gab es Essenskörbe, Ermäßigung auf Notwendiges, Baumaterial, Kredite, finanzielle Unterstützung, vorläufige Unterkünfte, keine Steuern über drei Monate für Kleingewerbe, Filtersysteme für die Wasserversorgung, neue Brücken, bessere Kommunikation. Geplant sind Gartenbauzentren für Pflanzen, Samen und Geräte für den Anbau – alles in Zusammenarbeit mit der Bezirksregierung.

Im Rahmen des Programms der Zivilverteidigung(defensa civil) gibt es konstantes Training und im Hinblick auf den Anstieg des Meeresspiegels durch Klimaveränderung werden die Mangrovengebiete als natürlicher Schutz verbreitert.

Im Gespräch mit VertreterInnen der UNEAC (Union der KünstlerInnen und SchriftstellerInnen) geht es um Rassismus und Diskriminierung. Fidel hatte gesagt, dass der Rassismus eins der größten Hindernisse für die Revolution sei, und leider existiere diese Art von Bewertung immer noch in vielen Köpfen. Aus diesem Grund wurde die Aponte-Kommission 2014 gegründet. Sie stellt fest, dass Gewalt in der Familie ein Problem ist und dass weiße Gesichter im TV in der Mehrzahl sind, obwohl die kubanische Gesellschaft (hautfarbenmäßig) gemischt ist mit Einflüssen verschiedener Kulturen.

In Caimanera, dem Ort, der am dichtesten an der US-Militärbasis liegt, sehen wir nach der Kontrolle bei der Einfahrt einen Film über die Auswirkungen auf die Bevölkerung über die vielen Jahrzehnte – von Prostitution bis Arbeitsplätze.

Wir besuchen die Salina Frank Pais, eine Meerwassersalzgewinnungsanlage. Das Salz wird in flachen Becken aus Meerwasser durch Verdunstung gewonnen. Die Gewerkschaft legt den Produktionsplan fest; hergestellt werden verschiedene Arten von Salz und Derivate, und wir erleben einen Powerpoint-Vortrag zur Geschichte des Salzes in der Provinz seit 132 Jahren: Leder gerben, Tote einbalsamieren, Lebensmittel binden. Da die pastors for peace eine religiös motivierte Gruppe sind, wird manchmal die Bibel zitiert: Jesus soll gesagt haben, dass wir das Salz der Erde sind. Pastor Luis Barrios ergänzt: "Sozialismus ist das Salz der Welt."

An unserem letzten Abend war im Theater eine Feier im Gedenken an Fidels Todestag mit Musik, Gesang, Tanz und Worten in Form von Gedichten. Wir beenden die Solidaritätsreise mit einem Mojito und bedanken uns bei unseren kubanischen BegleiterInnen.

Ich bleibe ein paar Tage länger in Kuba und habe die Gelegenheit, in Havanna an einer Veranstaltung in der jüdischen Synagoge, dem hebräisch-sephardischen Zentrum, teilzunehmen: "Shoah ante la justicia". Die Geschichte von 937 Menschen jüdischen Glaubens, die 1939 auf dem Schiff St. Louis in Hamburg ablegten, in Kuba ankamen, wo aber außer 20 Kranken niemand an Land gehen durfte. In Miami wurden sie auch abgewiesen, und das Schiff fuhr nach Europa zurück. Dort wurden 214 von ihnen aus Belgien nach Auschwitz verschleppt und umgebracht.

CUBA LIBRE Sabine Caspers

CUBA LIBRE 3-2019