Stein im Schuh

Alternatives Informationsmedium in Gefahr.

Mobiles Studio von Cubainformación
Mobiles Studio von Cubainformación
Foto: cubainformacion


Das Medienprojekt "Cubainformación" ist in Gefahr. Während die US-Regierung die Mittel zur Desinformation über Kuba in diesem Jahr um weitere Millionenbeträge aufgestockt hat und der aus Steuermitteln finanzierte staatliche Auslandssender "Deutsche Welle" der Systemgegnerin Yoani Sánchez weiterhin gleich zwei ständige Sendeplätze zur Verfügung stellt, ist das wichtige alternative Informationsmedium in seiner Existenz bedroht. Mit Beginn des Jahres 2020 hat die Regierung der Autonomen Gemeinschaft Baskenland ihre bis dahin gewährte Förderung eingestellt. Die Redaktion in Bilbao richtete deshalb einen Hilferuf an die Solidaritätsbewegungen in Europa.

"Seit den 1990er Jahren haben sich viele Menschen für eine materielle Unterstützung Kubas eingesetzt, was für uns wichtig war und ist. Heute ist der Kampf gegen die Desinformation und die Manipulationen der großen Medien ebenso wichtig. Darauf sollten die Aktivisten in den Solidaritätsgruppen ihren Schwerpunkt legen", erklärte der kubanische Journalist Iroel Sánchez bereits vor fünf Jahren in einem Interview der Tageszeitung "junge Welt". Auf dem "Antiimperialistischen Solidaritätstreffen für Demokratie und gegen Neoliberalismus", das mit 1.332 Vertretern von 789 Organisationen aus 86 Ländern vom 1. bis 3. November 2019 in Havanna stattfand, konkretisierten die Teilnehmer diesen Ansatz. Sie verabschiedeten einen Aktionsplan, der den Solidaritätsbewegungen, die "Entwicklung einer gemeinsamen Kommunikationsstrategie" vorschlägt. Außerdem verständigten sich die Delegierten darauf, "dass Cubainformación zu dem alternativen Medium im Dienst der Solidaritätsbewegung mit Kuba wird, als Gegengewicht zu den Medienkampagnen der Desinformation und der Verzerrung der kubanischen Realität".

Was ist Cubainformación?

Interview mit Angelika Becker vom Netzwerk Cuba

Interview mit Angelika Becker vom Netzwerk Cuba
Foto: cubainformacion

Das Medienprojekt Cubainformación verbreitet seit dem 1. Mai 2007 Nachrichten, Analysen, Hintergründe und Kommentare, die eine professionelle Alternative zu den Informationen der privaten und staatlichen Massenmedien über Kuba bieten. In einem kleinen Studio und Redaktionsbüro in Bilbao werden täglich Videos und Artikel produziert sowie aktuelle Meldungen veröffentlicht. "Kuba ist ein politisches Symbol, dessen Gefährlichkeit darin besteht, dass es seit rund 60 Jahren als Alternative zum kapitalistischen System überlebt hat und für Viele zum Vorbild geworden ist", sagt Projektkoordinator José Manzaneda. "Deshalb werden Erfolge des kubanischen Gesellschaftssystems verschwiegen, lächerlich gemacht oder durch Kampagnen konterkariert. Alternative Medien sind wichtig, damit die Menschen sich ein eigenes Bild über die Fakten machen können", begründet Manzaneda das Engagement der ehrenamtlichen Kernredaktion in Bilbao.

Mit dem Multimedia-Projekt hat die baskische Freundschaftsgesellschaft "Euskadi-Cuba" ein modernes Werkzeug geschaffen, das den verändernden Informationsgewohnheiten entspricht und auch für ein jüngeres Publikum interessant ist. Neben dem Video- und Web-Auftritt wird ein wöchentliches Radioprogramm geboten, das auch von Bürger-Radiostationen in Spanien, Argentinien und einigen anderen Ländern ausgestrahlt wird. Alle drei Monate kommt zudem eine 20seitige Zeitung heraus, die rund 60 Solidaritätsgruppen im ganzen Land kostenlos zur Verfügung steht. Für Ausrüstung, Studio, Büro, Telefon, Druck, Serverkosten und den fest angestellten Koordinator fallen jährliche Ausgaben in Höhe von einigen zehntausend Euro an. Finanziert wird das Projekt aus Beiträgen, Spenden und – bis Ende 2019 – auch mit Zuschüssen der baskischen Regierung, die jetzt gestrichen wurden. Eigene Korrespondenten in Europa und Lateinamerika sowie zahlreiche Autoren aus verschiedenen Ländern steuern exklusive Beiträge bei. Seit einiger Zeit werden einige der Videos auch mit deutschen Untertiteln versehen. Diese Beiträge können zur individuellen Information aber auch – und darin liegt ein wichtiger politischer Effekt – für Veranstaltungen genutzt und/oder in eigene Internetseiten integriert werden. Das "Netzwerk Cuba" informiert auf seiner Homepage über die jeweils aktuellen Videos mit deutschen Untertiteln.

Störende Enthüllungen

Immer wieder entlarvt Cubainformación Manipulationen der großen Medien und blamiert diese gründlich. So enthüllte das Portal vor einigen Jahren weltweit verbreitete "Fake-News" der von Contras gegründeten "Comisión Cubana de Derechos Humanos y Reconsiliación Nacional" (CCDHRN) über angebliche politische Gefangene in Kuba. Wie Cubainformación berichtete, wurden auf einer von der CCDHRN veröffentlichten Liste auch Raúl Ernesto Cruz León und Otto Renŕ Rodríguez Llerena als "politische Gefangene" aufgeführt, zwei Söldner aus El Salvador, die 1997 an der Ermordung des Italieners Fabio Di Celmo durch eine Bombe in Havanna beteiligt waren. Durch seine störenden Enthüllungen ist das Informationsprojekt so etwas wie ein Stein im Schuh der großen Medien und der von Washington finanzierten Contras. Im August 2018 wurde die Webseite durch eine Hacker-Attacke zu großen Teilen zerstört, die Macher in Bilbao brauchten Wochen, um Inhalte zu retten und Informationen wieder Online zu stellen. Der Angriff sei "ein neuer Versuch, eine kritische Stimme zum Schweigen zu bringen", erklärte das "Netzwerk Cuba" dazu. Das Portal sei angegriffen worden, weil es eine strategisch wichtige Publikation sei, die Informationen über Kuba verbreite, erklärte der kubanische Journalistenverband Unión de Periodistas de Cuba (UPEC) und das Institut für Völkerfreundschaft (ICAP) in Havanna bezeichnete die Attacke als Beweis für das Interesse von Feinden der Kubanischen Revolution, "dieses wichtige Medium" auszuschalten. Auch angesichts der aktuellen Existenzbedrohung denkt die Redaktion nicht daran aufzugeben. Im Gegenteil: "Der Medienkrieg ist unerbittlich", sagt José Manzaneda, "deshalb müssen wir unsere Aufklärung und Kommunikation verdoppeln und verdreifachen."

CUBA LIBRE Volker Hermsdorf

CUBA LIBRE 3-2020