Kuba braucht trotz eigener Fortschritte unsere Hilfe

Corona-Update Juli 2021

Schuljahr 2020-2021

Trotz Pandemie: Kuba öffnet seine Klassenzimmer wieder. In Anwesenheit von Miguel Dóaz-Canel wurde im Oktober im Polytechnischen Institut "Carlos Rafael Rodríguez" das neue Schuljahr eröffnet
Foto: Estudios Revolución



Die Situation in Kuba bezüglich der Coronapandemie hat sich dramatisch verschlechtert. Die täglichen positiven Fälle erreichten fast die 10.000-Marke, um am 5.8. unter 9000 Fälle zu sinken – hoffentlich eine Trendwende. Insgesamt sind bisher 439.899 Fälle in Kuba registriert und 3259 Tote zu beklagen. Der enorme Anstieg ist, wie in anderen Ländern auch, der Deltavariante des Virus geschuldet, die sich auch in Kuba rasend ausbreitet. Die Mortalität stieg entsprechend auf 0,7 Prozent an, die Sieben-Tagesinzidenz auf 565. Hotspots sind Havanna und Matanzas. Die Regierung hatte bereits die Henry Reeve-Hilfsbrigade nach Matanzas entsandt, die eigentlich medizinisch-humanitäre Einsätze im Ausland leistet, ein Zeichen für den Ernst der Lage. Inzwischen hat sich die Lage in Matanzas erheblich entspannt, die Fallzahlen sind deutlich gesunken. Die Zahlen in Cienfuegos und in Ciego de Avila sind dafür deutlich gestiegen. Insgesamt wurden bisher 6.778.087 PCR-Teste gemacht, davon waren 439.899 positiv, am 5. 8. 2021 waren es allein 43.388 Proben. Männer und Frauen erkranken ähnlich häufig mit einem leichten Überhang bei den Frauen. Die Altersverteilung ist wie folgt: 1.665 Fälle bei den unter 20jährigen, 2.601 bei den 20–39jährigen, 2.937 bei den 40–59jährigen und 683 bei den über 60jährigen.

Die Impfungen, die kritische Gesundheitsversorgung und die Solidarität

Inzwischen liegen erste Wirksamkeitsstudien vor. Das mittels dreier Dosen im Abstand von 14 Tagen verabreichte Vakzin Abdala hat eine Wirksamkeit von 92,28 Prozent bei symptomatischen Erkrankungen aufgewiesen. Soberana 02 hat eine Wirksamkeit von 62 Prozent nach zwei Impfungen und etwa 90 Prozent nach einer dritten Impfung mit Soberana plus. Dies sind ausgezeichnete Ergebnisse im internationalen Vergleich. Die Impfungen laufen nicht so flott wie geplant an, weil der ganze medizinische Sektor nicht zuletzt durch die US-Blockade große Finanzierungs- und Beschaffungsprobleme hat. So fehlte es zunächst an Spritzen und Kanülen für die Impfung, dann an Spezialfilter für die Impfstoffherstellung. Letzteres ist immer noch ein Problem wegen der weltweiten großen Nachfrage und langer Lieferzeiten trotz der Bemühungen der Soli-Bewegungen weltweit. Aber es gelang der deutschen Soli-Bewegung in Zusammenarbeit mit mediCuba -Europa Filter aus China zu kaufen plus spezieller Halterungen. Letztere sind nötig, weil die chinesischen Filter nicht kompatibel mit den kubanischen Laborgeräten sind, die eigentlich auf Filter aus Göttingen angewiesen sind, die aber derzeit Lieferzeiten von ca. 20 Wochen haben. Auch Schutzkleidung wie Handschuhe, Kittel, Gesichtsmasken und -visiere sind absolute Mangelware. Erfreulicherweise haben Russland und Mexiko kürzlich eine größere Menge an Schutzkleidung nach Kuba geliefert. Aufgrund der in den vergangenen Wochen außergewöhnlich stark gestiegenen Covid-19-Infektionszahlen auf Kuba und des drohenden Zusammenbruchs des Gesundheitswesens wird Caritas international, das Hilfswerk des Deutschen Caritasverbandes, in einem ersten Schritt 200.000 Euro für dringend benötigte Schutzausrüstung wie OP-Masken und Einwegkittel sowie medizinische Hilfsmittel wie sterile Handschuhe, Katheter, Spritzen und Kanülen bereitstellen. Auch wurde seitens der kubanischen Regierung einreisenden Kubanern erlaubt, kostenlos mehr als 100 kg Medikamente und medizinischen Hilfsbedarf einzuführen, um so das Gesundheitssystem zu unterstützen, dies auch ein Zeichen für die kritische Situation der medizinischen Versorgung.

Die aktuelle Spendenkampagne

Die FG BRD-Kuba, das Netzwerk Cuba, Cuba Si, KarEn, die DKP und die HCH unterstützen Kuba derzeit auf unterschiedliche Art, aber auch gemeinsam: politisch und materiell mit Schutzkleidung, Laborbedarf, Medikamenten, medizinischen Geräten und Verbrauchsmaterialien. So konnte gemeinsam eine Summe von deutlich mehr als 200.000 Euro allein in Deutschland aufgebracht werden. Die HCH hat am 2. August einen weiteren Soli-Container für Kuba auf den Weg gebracht. Ein weiterer wird Ende des Jahres folgen. Je mehr finanzielle Unterstützung wir bekommen, desto mehr können wir für Kuba dazukaufen. mediCuba-Europa plant als nächstes Projekt die Lieferung von Medikamentenrohstoffen für die Produktion in Kuba (u. a. Antibiotika, Zytostatika, niedermolekulares Heparin) und unterstützt die Impfserumproduktion. Beide Organisationen haben als Notfallsoforthilfe bereits eine größere Menge an Antibiotika nach Kuba versandt (zusammen für mehr als 160.000 Euro.)

Reisen nach Kuba

Das Auswärtige Amt warnt derzeit vor nicht notwendigen, touristischen Reisen nach Kuba und hat Kuba als Hochrisikogebiet eingestuft. Unabhängig davon, ob man bereits vollständig geimpft ist, muss man sich vor der Einreise nach Kuba auf Corona mittels eines PCR-Tests testen lassen. Gleiches gilt für die Ankunft. Danach müssen sich auch geimpfte Reisende in Quarantäne begeben, bis sie ihr negatives Ergebnis haben. Unmittelbar nach Einreise besteht eine Absonderungspflicht in einem kostenpflichtigen, von den kubanischen Behörden zugewiesenen Hotel bis zum Erhalt eines weiteren negativen Testergebnisses. Der erneute Test erfolgt im Regelfall am fünften Tag nach Einreise. Das Testergebnis soll nach ein bis zwei Tagen vorliegen. Die Unterbringungskosten können je nach Hotel variieren. Die Regelungen gelten auch für Personen mit Wohnsitz in Kuba. Derzeit (Stand: 12.7.2021) sind Ausflüge in die kubanische Hauptstadt Havanna laut des Auswärtigen Amts nicht möglich. In Havanna gilt eine Ausgangssperre von 21 Uhr bis 5 Uhr. Reisen zwischen Havanna und anderen Teilen des Landes sind mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht möglich. Wer mit privatem Fahrzeug in Havanna unterwegs ist, muss mit Kontrollen und Einschränkungen an der Stadtgrenze rechnen. Touristen müssen nach ihrer Rückkehr aus Hochinzidenzgebieten wie derzeit Kuba in eine zehntägige Quarantäne gehen, die sie aber nach fünf Tagen mit einem negativen Corona-Test vorzeitig beenden kann.

Die US-Blockade, Propaganda und die Menschenrechte

Wie grausam und menschenverachtend die US- Blockade ist, zeigt sich daran, dass die USA sie wohl bis zur gewünschten Kapitulation Kubas weiter bestehen lassen wollen, ohne Rücksicht auf das Leben und Sterben der Menschen auf Kuba. Ziel ist allein die Vernichtung eines ihnen verhassten Systems, das in vielen Bereichen deutlich zukunftsfähiger, solidarischer und humaner ist als das in den kapitalistischen Ländern. Menschen sind bei dieser umfassenden Belagerung nur zu vernachlässigende Kollateralschäden. Mit denen kennen sich die USA ja gut aus.

Es ist nur absolut tragisch, dass so viele Menschen auf die perfide Propaganda Washingtons hereinfallen, auch solche, die sich dem linken Spektrum zuordnen. Leider verfängt diese Propaganda auch bei vielen Kubanerinnen und Kubanern, die erschöpft und am Ende ihrer Widerstandsfähigkeit nun gegen die eigene Regierung und die Versorgungsmängel auf die Straße gehen, statt gegen die Verursacher zu protestieren und den eigenen Staat zu unterstützen. Klar, wer handelt macht Fehler, auch die Regierenden in Kuba. Aber es kann ihnen doch wirklich nicht das absolute Bestreben um das Wohl der Menschen auch in diesen extrem schwierigen Zeiten abgesprochen werden. Und ein Wechsel auf ein westliches pseudodemokratisches, markt- und nicht menschenorientiertes System kann doch wirklich nicht die Lösung sein. Man muss ja nur in die Länder schauen, in denen ein Regime-Change durch bunte Revolutionen oder durch Kriege bereits stattgefunden hat: failed states, zerrüttete Staatswirtschaften und neokoloniale Zustände allenthalben!

Was bleibt – und das sehen hoffentlich auch andere Staaten, die eine bessere, zumindest eine multipolare Welt anstreben – ist die Unterstützung einer Nation mit einer langen Geschichte des Widerstandes und des Kampfes gegen koloniale Bevormundung, das immer bestrebt war und ist, soziale, humanistische und solidarische Prioritäten im eigenen Land, aber auch universell, umzusetzen. Unser Beitrag ist die Fortführung der politischen und jetzt auch vermehrt der materiellen Unterstützung mit all unseren Kräften. Wenn Kuba fällt, ist das nicht nur eine nationale Tragödie, sondern eine Tragödie für uns alle.

CUBA LIBRE

Dr. Klaus Piel

CUBA LIBRE 4-2021