Energiepolitik in Kuba

Anmerkungen, Herausforderungen und Perspektiven.

Photovoltaikanlage

Photovoltaik ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Foto: Trabajadores


Im Jahr 2017 kam eine von kubanischen und US-Experten verfasste wissenschaftliche Studie zu der folgenden, abschließenden Einschätzung: "Obwohl in allen Bereichen der kubanischen Wirtschaft und insbesondere im Verkehrswesen noch viel Raum für Energiewende und Effizienz besteht, ist Kuba auf dem richtigen Weg."[1] Fünf Jahres später trifft dies wohl weiterhin zu, allerdings mit der Einschränkung, dass durch die wiederholte Verschärfung der US-Blockade unter anderem die relativ günstige Ölversorgung aus Venezuela stark reduziert wurde, weil bspw. Öltanker auf dem Weg nach Kuba zur Umkehr gezwungen wurden und venezolanische Handelsstrukturen und Finanzverfahren von US-Behörden willkürlich unterbrochen wurden.


Gleichwohl sind die mit der "Revolución energética" wesentliche Verbesserung der umweltschonenden Energieversorgung erreicht und eine gute Basis gelegt worden. So wurde und wird die "Energiewende auf kubanische Art", die in 2005 von Fidel Castro proklamiert wurde schrittweise umgesetzt. Damals sagte er: "Wir warten nicht, bis Treibstoffe vom Himmel fallen, denn wir haben zum Glück etwas sehr viel Wichtigeres entdeckt: Energieeinsparung – was so viel wert ist, wie große neue ölvorkommen zu entdecken."

Zu dem Maßnahmenbündel, das damals umgesetzt bzw. weiterhin verfolgt wird, gehörte erstens der flächendeckende Austausch von "Energiefressern" in Haushalten. So wurden innerhalb kurzer Zeit über neun Millionen Glühlampen durch Energiesparlampen ersetzt, durchgeführt von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern. Dasselbe geschah mit anderen Haushaltsgeräten wie Ventilatoren, Elektrokocher, Dampfdrucktöpfe und Kühlschränke. Für letztere gab es günstige Kredite. Weitere Bausteine auf dem Wege der Energiewende waren: Verstärkung des Stromnetzes um die Netzverluste zu reduzieren, Neubau von Kraftwerken in verschiedenen Regionen und Dezentralisierung der Stromerzeugung, Ausbau von regenerativen Energiequellen sowie Anhebung der Stromtarife für Haushalte mit hohem Verbrauch. Eine Studie dazu aus Freiburg/Brsg. zeigte, dass Energieeffizienz als kostengünstigste gesellschaftliche Lösung gelten kann. Ein Vergleich der Investitionskosten mit den eingesparten Stromkosten für die drei Technologien Beleuchtung, Belüftung und Kühlung ergab für jene Maßnahmen, ein Kosten-Nutzen-Verhältnis von etwa 1:10. Mit anderen Worten: Der volkswirtschaftliche Nutzen war etwa zehnmal so hoch wie die Kosten. Die von Fidel Castro formulierte These bestätigte sich: Strom sparen ist effizienter, kostengünstiger und umweltschonender, als ihn zu produzieren.

In Kuba werden an Universitäten und Hochschulen sowie an der Technischen Universität für Erneuerbare Energien (Universidad Técnica de Energías Renovables – UTER, Havanna) seit Jahren gezielt Expertinnen und Experten im Bereich Umweltschutz und Erneuerbare Energien ausgebildet. UTER kooperiert unmittelbar mit Cubasolar und wird unterstützt durch internationale Organisationen, Expertinnen und Experten. Grundlage für Politik und Forschung ist Artikel 75 der neuen kubanischen Verfassung: "Der Staat schützt die Umwelt und die natürlichen Ressourcen des Landes, erkennt seinen engen Zusammenhang mit der nachhaltigen Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft an, um das menschliche Leben rationeller zu gestalten und das Überleben, das Wohlergehen und die Sicherheit der gegenwärtigen und künftigen Generationen zu gewährleisten."

Windkraft in der Provinz Camagüey

Windkraft in der Provinz Camagüey
Foto: La Demajagua


Der geplante Ausbau der erneuerbaren Energien tritt allerdings auf der Stelle: Bis 2030 soll ihr Anteil am Strommix bei 24 Prozent liegen, während die geplante Gesamtproduktion auf 30.000 Gigawattstunden zunehmen soll. Aktuell ist ihr Beitrag nur rund zwei Prozent. Den größten Teil davon liefern die 72 kleineren Solarparks, welche in den letzten Jahren mit chinesischer Hilfe errichtet wurden. Seit 2014 wurden viele Projekte für Solar-, Wind- und Biomasseanlagen ausgeschrieben, doch nur wenige konnten realisiert werden, vor allem wegen der US-Blockade und schwierigen Rahmenbedingungen für ausländische Investoren. Doch die Einfuhr solcher Anlagen wurde inzwischen von Gebühren befreit und der Verkauf von Solarpaneelen an Privatpersonen hat begonnen, und ein erweitertes Kreditprogramm wurde aufgelegt.

Kubas einzige Fabrik für Solarmodule will ihre Produktion stabilisieren und ausbauen. Die Rohstoffkosten sind in den letzten Jahren gesunken und die Leistung der Paneele hat sich erhöht, so dass der Produktionsprozess effizienter geworden ist. Zu Beginn des Jahres 2021 versicherten die Verantwortlichen des Unternehmens in Pinar del Río der Zeitung Granma, dass 65% der montierten Paneele für den Export bestimmt seien und die Nachfrage weiterhin steige. Allerdings kommt es wegen mangelnder Rohstoffe immer wieder zu Produktionsstillstand. Daher konnte nur im ersten Quartal des Jahres 2020 mit einem Restbestand an Zubehör gearbeitet werden, der von 2019 übriggeblieben war. Nach einer langen Pause von 15 Monaten wurde die Produktion im Juni 2021 wieder aufgenommen, allerdings nur mit einer von mindestens zwei möglichen Schichten.

Nun sind im aktuellen Ausschreibungskatalog für Auslandsinvestitionen ("Cartera de Oportunidades"), der 678 Projektvorschläge mit einem Gesamtvolumen von 12,5 Milliarden US-Dollar umfasst, für den Energiesektor 133 Projekte ausgeschrieben. Und Liván Arronte Cruz, Minister für Energie und Bergbau, hob kürzlich die Energiesouveränität als wesentliches Ziel der kubanischen Politik hervor. Demnach sind zwanzig neue Photovoltaik-Parks im Bau, die 100 Megawatt Strom liefern werden. Zudem seien Projekte mit ausländischen Investitionen und andere mit staatlichen Krediten vorgesehen, z. B. Projekte mit Spanien zur Solarenergie und zur Windenergie mit Indien, Russland, Deutschland, Vietnam und China.

Kooperation mit China

Zu China wurden die diplomatischen Kontakte und Handelsbeziehungen seit den 1990er Jahren stetig ausgebaut, und ab 2005 unterstützte die Volksrepublik Kubas "Energierevolution" mit der Lieferung von Kühlschränken, Induktionskochern und Leuchtstofflampen. Inzwischen ist China einer der führenden Investoren in Kubas Programm für erneuerbare Energien. Ziel ist es, dass Kuba schon bis 2024 24% seines Stroms aus erneuerbaren Energien wie Zuckerrohr-Biomasse, Sonnenkollektoren, Windkraftanlagen und kleinen Wasserkraftwerken gewinnt. "Am weitesten fortgeschritten ist die photovoltaische Solarenergie. Im ganzen Land wurden bereits 65 Anlagen gebaut und 15 weitere sind in Arbeit, die die installierte Leistung auf 42 Megawatt erhöhen werden", heisst es aus dem kubanischen Ministerium für Energie und Bergbau. Die Elektrizitätsgesellschaft Kubas plant, bis 2030 700 Megawatt an erneuerbarer Solarenergie zu installieren, 688 MW an Windparks und 56 MW an Wasserkraftwerken. Derzeit gibt es vier Projekte in verschiedenen Bauphasen von Solarenergieparks mit internationalen Investitionen für insgesamt 200 MW, eines davon ist der erste Park mit 100 Prozent ausländischem Kapital in der Sonderentwicklungszone Mariel.

Auch das erste Bioenergiekraftwerk wird in der Provinz Ciego de Avila mit einer gemeinsamen Investition Kubas und Unternehmen aus China und Großbritannien gebaut. Diese Anlage wird für jede Tonne Zuckerrohr, die von der benachbarten Zuckermühle verarbeitet wird, etwa 157 KWh erzeugen.

Die Kooperation mit China geht noch weiter: Ein neuer Kooperationsplan wird im Rahmen der Belt and Road Initiative (BRI) wichtige gemeinsame Projekte in die Wege leiten. Die chinesische Regierung wird die Verbesserungen am kubanischen Stromnetz finanzieren und spendete bereits 5.000 Solarpaneele.

Daneben unterstützen internationale Solidaritätsprojekte diese Entwicklung, wie z. B. das von Inter-Red Cooperación e. V., die derzeit Photovoltaikanlagen auf Dächer bauen, die eine Jahresleistung von 280.000 Kilowatt produzieren und unter anderem einem Pharmabetrieb den Strom für Produktion, Forschung und Lagerung in Kühlräumen liefern werden. Die Installation der Solaranlage mindert vollständig den Wärmeeintrag ins Gebäude und erzeugt gleichzeitig den Strom, der, auch an Wochenenden, vor Ort benötigt wird.

Alternative Energiequelle in Ciego de Ávila

Alternative Energiequelle in Ciego de Ávila
Foto: Alejandro García



Und es gibt noch zahlreiche weitere kleine inländische und ausländische Projekte, die ihren Beitrag leisten. So erfand der kubanische Ingenieur Alexander López Savran kürzlich ein Versorgungssystem mit Biogas für ländliche Gemeinden, das Rückstände aus der Tierhaltung als erneuerbare Energiequelle nutzt. Es ist derart effizient, dass es das Biogas bis zu fünf km entfernt verteilen kann, ohne dass dazu Gebläse oder Kompressoren nötig sind. Mit dieser Innovation konnten in Sancti Spiritus Hunderte von Haushalten versorgt werden.




Um die akuten Energieengpässe zu überwinden, wurden im Mai 2019 "Stromschiffe" des türkischen Herstellers und Betreibers Karpowership gemietet. Mit derzeit vier solcher schwimmenden Kraftwerke werden etwa 330 Megawatt und damit rund 15 Prozent des kubanischen Strombedarfs befriedigt. Die Verträge sind zunächst auf vier Jahre ausgelegt, um in dieser Periode die jahrzehntealten und teils stark verschlissenen sowjetischen Schwerölkraftwerke zu erneuern. Wegen des Devisenmangels wurden ihre Wartungszyklen zuletzt häufig ausgesetzt, was seit etwa zwei Jahren zu Schäden und Stromabschaltungen geführt hat. All diese Bemühungen sind bemerkenswert, wie auch international anerkannt wird. So meinte Alvaro Rios Roca, der Exekutivsekretär der lateinamerikanischen Energiekommission, kürzlich, Kuba gehöre zu jenen Staaten, in denen "der Entwurf der rationellen und wirksamen Verwendung der Energie am ernsthaftesten verwirklicht wird". Die Maßnahmen, die die Regierung ergriffen habe, und ihr politischer Wille seien eine "wirkliche energetische Revolution, an der sich Lateinamerika und die Karibik ein Beispiel nehmen können."

[1] Mario Alberto Arrastía-Avila und Lisa M. Glidden (2017): Cuba‘s Energy Revolution and 2030 Policy Goals: More Penetration of Renewable Energy in Electricity Generation. In: International Journal of Cuban Studies, Vol. 9, No. 1, pp. 73–90 [https://www.jstor.org/stable/10.13169/intejcubastud.9.1.0073]

CUBA LIBRE Dr. Edgar Göll

CUBA LIBRE 2-2022