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Im Dezember 1964 trat Ernesto
Che Guevara eine dreimonatige
Reise durch Afrika an, um mit
Repräsentanten antikolonialer
Befreiungsbewegungen Kontakt
aufzunehmen und auszuloten, wie
Kuba diese unterstützen könne.
Am 12. Januar 1965 traf er in Guinea
erstmals mit Amí lcar Cabral
zusammen. Dieser hatte als
Führer der „Afrikanischen Partei
für die Unabhängigkeit von Guinea-Bissau und den Kapverden“
(PAIGC) zwei Jahre zuvor einen
Guerillakrieg gegen die portugiesische
Kolonialherrschaft in dem
kleinen westafrikanischen Land
begonnen. Nach zwei Jahren kontrollierte
seine Bewegung bereits
ein Drittel des Landes und stellte
die 20.000 Mann starke portugiesische
Besatzungsarmee vor
ernste Probleme. Portugal unter
der faschistoiden Caetano-Diktatur
hielt länger an seinen afrikanischen
Kolonien fest als die anderen
europäischen Kolonialmächte.
Es sollte ein Jahrzehnt vergehen,
bis diese Herrschaft zusammenbrach,
die Diktatur in den Abgrund
stürzte und die Kolonien
unabhängig wurden.
Es war nicht zuletzt der Unabhängigkeitskampf der Kolonisierten,
der die potugiesische Armee
zermürbte und damit die Fundamente
der Diktatur erodieren
ließ. Der Anteil Kubas an Portugals
„Nelkenrevolution“ war nie
Gegenstand großer Aufmerksamkeit
oder er wurde heruntergespielt.
Doch die Afrikaner wussten
um den Wert der kubanischen
Unterstützung und diese wurde
zur Grundlage für eine bis heute
andauernde tiefe und freundschaftliche
Verbundenheit.
Amí lcar Cabral war eine allseits
respektierte Persönlichkeit.
Er hatte einen scharfen Blick für
die Probleme Afrikas und schaff te
es, die verschiedenen Volksgruppen
seines Landes zu vereinen.
Ein Jahr nach dem Treffen mit
Che reiste er mit einer Delegation
der PAIGC zur Trikontinentale,
der Konferenz der um ihre Befreiung
kämpfenden Völker vom
3. bis 16. Januar in Havanna. Er
hinterließ dort mit seinen Analysen
einen tiefen Eindruck und
diskutierte viele Stunden mit Fidel
Castro. Dieser lud ihn und seinen
Halbbruder Luís Cabral auf
eine dreitägige Rundfahrt durch
das Ecambray-Gebirge ein und
chauffierte seine Gäste die meiste
Zeit selbst in einem Jeep. Fidel
lernte über die Probleme des
afrikanischen Befreiungskampfes
und ging mit seinen Hilfsangeboten
weit über das hinaus, was
Amí lcar erbat. Luís Cabral berichtete:
„Wenn Amí lcar über unseren
Bedarf an Artillerie sprach, verstand
Fidel, dass wir auch Ausbilder
brauchten. Sprach Amí lcar
über das Leben in den befreiten
Gebieten, bot uns Kubas Führer
die benötigten Ärzte an. Und er
verstand, dass unsere Truppen,
um effektiver zu werden, besseren
Transport benötigten:
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Kuba würde uns beides senden, die
Fahrzeuge und die Männer, um
unsere Kämpfer in Gebrauch und
Wartung zu unterrichten.“
Kuba war das einzige Land, von
dem Cabral militärisches Personal
erbat. Die versprochene Hilfe
traf bald ein. Doch sie war begrenzt:
Selten waren mehr als 50
bis 60 Kubaner im Land und dennoch
war ihre Arbeit von größter
Bedeutung. Die Batteriechefs der
Artilleriebrigaden, welche die
Zielkoordinaten berechneten,
waren und blieben bis zum Ende
des Krieges fast ausnahmslos kubanische
Spezialisten. Ein Kommandant
der PAIGC beschrieb die
Kubaner als mutig. „Sie ertrugen
alles, sie aßen dasselbe wie wir,
wir machten alles gemeinsam.“
Ein anderer sagte: „Kuba stellte
keine Forderungen, gab uns bedingungslose
Unterstützung.“ Und die Kubaner unterstellten
sich in beratender Funktion der
Führung Cabrals. Victor Dreke,
der mit Che Guevara im Kongo
gekämpft hatte, übernahm im
November 1966 die Leitung des
Kontingents. Er erinnerte sich
später: „Wir hätten eine aggressivere
Strategie bevorzugt, doch wir
passten uns an. Es war ihr Land
und ihr Krieg. Ich machte Amilcar
Vorschläge; er hörte zu, ohne
ja oder nein zu sagen und würde
dann seine eigene Entscheidung
treffen; manchmal folgte er meinem
Rat, manchmal nicht.“
Die kubanischen Ärzte, die kamen,
füllten eine große Lücke,
denn einheimische Ärzte gab es
bis 1968 überhaupt keine. „Die
kubanischen Ärzte und Pfleger
erfüllten alle unsere Hoffnungen“,
schrieb Luís Cabral. Sie arbeiteten
unter schwierigsten Bedingungen.
Es gab kaum Verpflegung,
so dass Kuba auch noch Lebensmittel
lieferte. Alle kubanischen
Internationalisten waren
Freiwillige und viele von ihnen
hatten schon früher ihr Interesse
an einem Auslandseinsatz
geäußert. „In all jenen Jahren
glaubten wir, dass die USA
uns jederzeit angreifen könnten.
Für uns schien es besser, diesen
Kampf anderswo zu führen als im
eigenen Land. Dies war die Strategie
der „zwei oder drei Vietnams“,
die Kräfte des Feindes abzulenken
und zu teilen. Ich konnte mir
damals nicht vorstellen, jetzt hier
in einem Wohnzimmer in Havanna
zu sitzen und darüber zu sprechen
– wir glaubten alle, dass wir
jung sterben würden“, erinnerte
sich ein Teilnehmer. Insgesamt
fielen neun Kubaner in den zehn
Jahren bis 1974. Der Offizier Pedro
Rodríguez Peralta geriet 1969
in Gefangenschaft und verbrachte
die Jahre bis zur Befreiung durch
die Nelkenrevolution in einen
Gefängnis in Portugal.
In den frühen 70er Jahren
überschlugen sich die Ereignisse.
Bereits 1972 organisierte die
PAIGC in den von ihr kontrollierten
Gebieten Wahlen für eine Nationalversammlung.
Am 20. Januar
1973 wurde Amílcar Cabral
von unzufriedenen Mitgliedern
seiner Bewegung ermordet,
unter Beteiligung der portugiesischen
Geheimpolizei. Doch sein
Tod konnte die gut organisierte
Bewegung nicht stoppen, die zu
jener Zeit schon zwei Drittel des
Landes befreit hatte. Die Generalversammlung
der UN erkannte
Guinea-Bissau Ende des Jahres
de facto als unabhängig an. Im
April 1974 stürzten kriegsmüde
radikale Militärs die Diktatur in
Portugal. Ihre Nelkenrevolution,
so genannt wegen den in vielen
Gewehrläufen steckenden roten
Blüten, brachte letztendlich die
Unabhängigkeit für Guinea-Bissau,
Angola und Mosambik.
Die Protagonisten der portugiesischen
Revolution stürzten
die Diktatur, konnten aber das
wirtschaftliche System nicht
überwinden. Für Kuba war Guinea-
Bissau erst der Anfang: Es
folgten 14 Jahre Krieg an der Seite
des angolanischen Volkes gegen
das vom Imperialismus
unterstützte südafrikanische
Rassisten-Regime, welcher zu einem
Sargnagel für dessen Apartheit
wurde.