Über den einfühlsamen Umgang mit unerwünschten Erscheinungen

Von Tobias Kriele

Am 4. und 5. Juli 2025 tagte in Havanna das X. Plenum des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Kubas unter Leitung des Ersten Sekretärs der KP Kubas, des kubanischen Präsidenten Miguel Díaz-Canel Bermúdez. Das Plenum musste verschiedenen Krisen in der kubanischen Gesellschaft zugleich gerecht werden. Im Mittelpunkt stand eine Reaktion auf die weitere Verschärfung der US-Blockade und die Abfederung der Wirtschaftskrise mit punktuellen Reformen. Dazu kam die ideologische Stärkung des revolutionären Projektes in Medien, Bildung und Kultur sowie auch eine kadermäßige Stabilisierung der Führung der Partei.
Roberto Morales Ojeda, Mitglied des Politbüros, betonte in seinen Ausführungen die schwierige Lage Kubas. Seinen Worten nach durchläuft Kuba eine der schwierigsten Etappen seiner Geschichte. Morales sprach von „harten Umständen“ und nannte dabei die anhaltende und weiter verschärfte Blockadepolitik der USA: Mangel, Einschränkungen und den Versuch, das kubanische Volk zu entmutigen. Jeder einzelne Tag sei eine Herausforderung, aber damit auch eine Gelegenheit, die eigene Überzeugung zu unterstreichen, dass „der Sozialismus der Weg und die Einheit unsere Stärke“ sei. Die Partei habe den Auftrag, als ein Kompass zu dienen und Kuba in Richtung eines kollektiven Wohlstands zu führen. Dabei müsse man die Bedürfnisse der Bevölkerung im Blick behalten.
Im Bericht des Politbüros an das ZK wurde ein mögliches Vorgehen gegen „strukturelle Probleme“ vorgestellt. Dazu gehört der Kampf gegen die Korruption, die Kriminalität und Unterschlagungen. Es wurden Maßnahmen vorgestellt, mit denen die öffentliche Verwaltung transparenter und zugleich unangemessenes Verhalten von Funktionsträgern sanktioniert werden soll. Das Programm der Familienärzte (bzw. -krankenschwestern) soll verbessert werden. Dazu wird das Gesundheitssystem auf Gemeindeebene gestärkt. Es soll sich auf die aktuelle Mangellage einstellen - da, wo notwendig, eine Modernisierung umsetzen und dabei fehlende Mittel überbrücken. Ziel ist es, die komplette Abdeckung des Gesundheitssystems aufrechtzuerhalten.
Als ein weiterer Punkt wurde die Stabilisierung des nationalen Elektrizitätssystems diskutiert und dafür Investitionen in Infrastruktur und Wartung sowie eine Diversifizierung der Energiequellen erörtert. Auch der Zugang der Bevölkerung zu Lebensmitteln, Bildung und Wohnraum stand auf der Tagesordnung.
Ein größeres Thema war die Bedeutung einer verstärkten Kommunikation politischer Entscheidungen. Durch den strategischen Einsatz offizieller Medien und sozialer Netzwerke soll die Verbindung zwischen Partei und Bevölkerung verbessert werden.
Während der Sitzung wurden drei neue Mitglieder des Zentralkomitees benannt. Es handelt sich um den General Raúl Villar Kessel, Leiter der Zentralarmee; den Brigadegeneral Oscar A. Callejas Varcalce, Leiter der Politischen Abteilung des Innenministeriums, sowie Magda Resik Aguirre, Vizepräsidentin der Vereinigung der Schriftsteller und Künstler, UNEAC.
Welche Bedeutung die Vermittlung der Politik der revolutionären Regierung in heutigen Zeiten einnimmt, wurde neun Tage nach der Sitzung des Zentralkomitees deutlich. Die kubanische Arbeits- und Sozialministerin Marta Elena Feitó Cabrera, darüber hinaus auch Mitglied des Zentralkomitees, musste von ihrem Ministeramt zurücktreten, nachdem sie davon gesprochen hatte, in Kuba gäbe es keine Bettler, sondern nur Menschen, die sich als solche ausgäben. Personen, die Mülltonnen durchsuchten, täten dies, um am Fiskus vorbei an wertvolle Recyclingrohstoffe zu gelangen, so die Amtsträgerin in einer Arbeitssession des kubanischen Nationalparlamentes. Es folgte ein Sturm der Entrüstung in den Sozialen Netzwerken und den Leserbriefabteilungen der Zeitungen. Feitó Cabrera musste sich vor dem Politbüro und dem Staatsrat verantworten und einer Selbstkritik unterziehen und stellte ihr Ministeramt zur Verfügung. Kubas Präsident Díaz-Canel äußerte sich seinerseits in den sozialen Netzwerken kritisch zu den Äußerungen der ehemaligen Ministerin, ohne ihren Namen jedoch zu erwähnen: „Die Revolution darf niemanden zurücklassen, das ist unsere Devise und unsere Verantwortung als Revolutionäre.“
Im Politbüro hieß es zur Entlassung der Ministerin, diese sei aufgrund eines Fehlens an Objektivität und Einfühlungsvermögen erfolgt, mit denen sich die Mandatsträgerin mit Themen befasst habe, die heutzutage zentral für die politische und regierungsverantwortliche Führung seien. Man habe sich in der letzteren mit realen Erscheinungen auseinanderzusetzen, von denen man gehofft habe, sie in der kubanischen Gesellschaft nicht mehr anzutreffen.