Es ist ja nun nicht so, dass die USA
das bevorzugte Urlaubsziel von
Miguel Díaz-Canel wären. Von
daher könnte man die Mitte Juli
vom State Department in Washington
verkündeten Sanktionen
gegen den kubanischen Präsidenten
mit einem Schulterzucken
abtun. God‘s Own Country
will dem Compañero kein Einreisevisum
erteilen? Scheiß drauf,
es gibt nun wirklich bessere Reiseziele.
Das dürften auch Kubas
Verteidigungsminister Álvaro
López Miera und Innenminister
Lázaro Alberto Álvarez Casas
so sehen.
Aber die USA sind nun einmal
auch Sitz der Vereinten Nationen,
und in New York findet regelmäßig
die Generalversammlung
statt. Dazu reisen jährlich unzählige
Staats- und Regierungschefs
oder andere hochrangige Vertreter
der Mitgliedsstaaten in die
Metropole. Das 1947 verabschiedete
Abkommen über das UNHauptquartier
verbietet den USA
als Gastgeber, Repräsentanten der
verschiedenen Länder oder von
UN-Organisationen den Zugang
zu den Räumlichkeiten der Vereinten
Nationen zu verweigern.
Einwanderungsgesetze dürften
nicht in einer Weise missbraucht
werden, dass dadurch die Privilegien
der UNO eingeschränkt werden,
und „wenn Visa (…) verlangt
werden, müssen sie ohne Gebühren
und so schnell wie möglich erteilt
werden“.
Wollen die USA nun einen Auftritt
von Díaz-Canel vor der UNGeneralversammlung
verhindern?
Überraschend wäre das
nicht, denn die Trump-Regierung
hat ihre gegenüber der UNO eingegangenen
Verpflichtungen immer
wieder verletzt. Tagungen von
UN-Fachorganisationen mussten
bereits verschoben werden, weil
Washington etwa dem Leiter der
russischen Delegation das benötigte
Visum nicht rechtzeitig ausstellte
– und auch der Iran, Venezuela,
Nicaragua oder Syrien waren
schon von solchen Schikanen
betroffen. Schon vor fünf Jahren
kommentierte das von der Friedrich-
Ebert-Stiftung herausgegebene
IPG-Journal das Vorgehen
der USA: „Sie betreiben ein politisches
Spiel um diplomatische
Visa, das zunehmend die eigentliche
Arbeit zur militärischen Abrüstung
stört. Russland und andere
Länder beschuldigen die Vereinigten
Staaten, ihr Recht auf die
Ausstellung von Visa am Hauptsitz
in New York zu missbrauchen.
Dieses Verhalten schädigt zunehmend
das Image der Vereinigten
Staaten bei der UN.“
Wie begründet Washington eigentlich
die Strafmaßnahmen gegen
Díaz-Canel und andere kubanische
Regierungsvertreter? USAußenminister
Marco Rubio verwies
in seinem Pressestatement
am 11. Juli auf den Jahrestag der
Proteste in einigen Orten Kubas:
„Vor vier Jahren gingen Tausende
Kubaner friedlich auf die Straße,
um eine Zukunft frei von der
Tyrannei zu fordern. Das kubanische
Regime antwortete mit Gewalt
und Unterdrückung und verhaftete
Tausende unrechtmäßig,
von denen mehr als 700 weiter inhaftiert
sind ...“
Eine blühende Phantasie kann
man Herrn Rubio jedenfalls nicht
absprechen. Tausende Verhaftete?
Selbst Amnesty International,
das nicht gerade als Kubafreundlich
bekannt ist, sprach damals
nur von „Hunderten“ Festnahmen.
Und wie der US-Außenminister
auf die Zahl von 700
noch immer Inhaftierten kommt,
bleibt sein Geheimnis – antikommunistische
NGOs kolportierten
in den vergangenen Jahren durchweg
geringere Zahlen. Richtig ist,
dass in der Folge der Ausschreitungen
um den 11. Juli 2021 mehrere
hundert Menschen zu Haftstrafen
verurteilt wurden. Denn
diese waren beileibe nicht immer
so „friedlich“, wie Herr Rubio halluziniert.
Es flogen Steine, Polizeifahrzeuge
wurden umgestürzt,
Geschäfte geplündert – während
die Polizei auch unabhängigen
Berichten zufolge meist deeskalierend
wirkte.
Wie war das noch mit Polizeigewalt,
Unterdrückung friedlicher
Proteste, willkürlichen Inhaftierungen?
Die Menschenjagd der
US-Einwanderungsbehörde ICE,
deren maskierte Beamte mit ungekennzeichneten
Fahrzeugen
Hatz auf Bürger machen, die sie
für Einwanderer halten. Das brutale
Vorgehen von Polizei und Nationalgarde
gegen Protestierende
in Los Angeles und anderen Städten
geht ungebremst weiter. Würden
andere Staaten die Maßstäbe
Washingtons auf die USA anwenden,
blieben Donald Trump und
seinen Komplizen praktisch alle
Länder der Welt verschlossen, das
Golfspielen in Schottland müsste
er sich dann abgewöhnen… Aber
nein, dort macht ihm lieber EUKommissionspräsidentin
Ursula
von der Leyen ihre katzbuckelnde
Aufwartung.
Und wer sind am Ende die Leidtragenden?
Zum Beispiel die
neun- bis zehnjährigen Mädchen
aus Pinar del Río, die nicht an einem
karibischen Softball-Turnier
in Puerto Rico teilnehmen konnten,
weil die US-Behörden ihren
Begleitpersonen ohne Begründung
die Visa verweigerten. Toll
gemacht, Herr Rubio.