Kriegsschiffe vor Venezuela

Beginn des US-Militäraufmarsches in der Karibik

Von Andre Scheer

Stolz verkündete US-Präsident Donald Trump am 2. September, die US-Armee habe in internationalen Gewässern in der Südkaribik ein aus Venezuela kommendes Boot versenkt und elf „Terroristen“ getötet. Sein Außenminister Marco Rubio ergänzte, es habe sich um einen Drogentransport gehandelt.
Fakt ist: Ein Schiff in internationalen Gewässern zu beschießen und zu versenken, ohne dass von diesem Gefahr ausgeht, ist Piraterie und ein Verbrechen. „Wenn das wahr ist, ist dies in jedem Teil der Welt nichts anderes als Mord“, schrieb Kolumbiens Präsident Gustavo Petro kurz darauf auf dem Internetdienst „X“ (ehemals Twitter). „Seit Jahrzehnten nehmen wir Zivilisten fest, die Drogen transportieren, ohne sie zu töten. Diejenigen, die Drogen transportieren, sind nicht die großen Drogenbosse, sondern sehr arme Jugendliche aus der Karibik und vom Pazifik.“ In einer weiteren Nachricht zeigte er Videoaufnahmen, auf denen eine Abfangaktion des kolumbianischen Militärs gegen Drogenschmuggler zu sehen ist: „So macht man einen Zugriff zur See. Das Boot zu bombardieren verletzt das internationale Prinzip der Verhältnismäßigkeit der Mittel und führt zu einem Mord.“
Venezuelas Regierung zog dagegen das Geschehen selbst in Frage. Die von Trump und Rubio präsentierte Videoaufnahme sei „mit Künstlicher Intelligenz generiert“ worden, behauptete Medien- und Kulturminister Freddy Ñáñez. Die Wellenbewegungen des Wassers und die gezeigte Explosion seien nicht realistisch, zudem seien die Aufnahmen mal nachts und mal bei Tageslicht gemacht worden. „Es scheint, dass Marco Rubio weiter seinen Präsidenten belügt. Nachdem er ihn in eine Sackgasse manövriert hat, übergibt er ihm nun als ‚Beweis‘ ein mit KI hergestelltes Video.“
Ob real oder virtuell, die US-Militäraktion gegen ein Schiff in internationalen Gewässern vor der Küste Venezuelas war die bisher größte Eskalation seit Beginn des US-Militäraufmarsches in der Karibik. Medienberichten zufolge hat Washington nicht weniger als acht Kriegsschiffe mit 1200 Raketen und 4000 Marinesoldaten sowie ein atomar betriebenes U-Boot in der Region stationiert. Begründet wurde das von Washington mit dem Kampf gegen das Drogenkartell „Tren de Aragua“, das von Trump im Februar zur „ausländischen Terrororganisation“ erklärt worden war. Damit vermengt die US-Administration den seit 2001 ebenso menschenverachtend wie erfolglos geführten „Krieg gegen den Terror“ mit dem ebenso aussichtslosen „Krieg gegen die Drogen“. Vor allem aber schafft man so die Rechtfertigung für eine offene militärische Aggression gegen Venezuela, dessen Präsident Nicolás Maduro von den USA bezichtigt wird, Kopf einer anderen Drogenbande, des „Cartel de los Soles“, zu sein. Auch diese Organisation – deren Existenz in Lateinamerika oft angezweifelt wird – wurde im Juli von Washington zur „globalen terroristischen“ Organisation erklärt. Auf Maduro wurde ein Kopfgeld in Höhe von 50 Millionen US-Dollar ausgesetzt.
Maduro selbst bezeichnete die militärische Eskalation als „die größte Bedrohung in der jüngeren Geschichte Lateinamerikas und der Karibik“. Venezuela sei „Ziel einer direkten Aggression, die den Frieden des gesamten Kontinents bedroht“, warnte der Staatschef. Zudem richtete er sich an Trump selbst mit der Warnung, dass Marco Rubio versuche, „den Namen Trump mit Blut zu besudeln“. In Caracas geht man davon aus, dass weniger der Präsident selbst als vielmehr sein Außenminister – ein wütender Antikommunist mit kubanischen Wurzeln – hinter der Aggression steht.
Auch Kolumbiens Präsident Petro hatte schon zu Beginn des Aufmarsches vor einer Intervention gewarnt. Es sei „Wahnsinn“, wenn die USA glaubten, auf diese Weise ihre Probleme lösen zu können. Ein Einmarsch in Venezuela werde das Land in einen Bürgerkrieg „wie in Syrien“ stürzen und auch alle Nachbarländer in Mitleidenschaft ziehen. Ähnlich äußerten sich viele andere Regierungschefs wie Mexikos Staatschefin Claudia Sheinbaum, Kubas Präsident Miguel Díaz-Canel oder auch Nicaraguas Daniel Ortega.
Der Präsident des Kubanischen Instituts für Völkerfreundschaft (ICAP), Fernando González – einer der als „Cuban Five“ international berühmt gewordenen Aufklärer – erklärte Ende August bei einer Solidaritätsveranstaltung in Havanna, es gehe den USA nicht um Sicherheit, sondern um den Versuch einer Intervention, die die Souveränität und Selbstbestimmung Venezuelas verletze, um sich die Bodenschätze des Landes anzueignen. Venezuela sei heute ein Symbol der Hoffnung und des Widerstandes.