20 Jahre Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

20 Jahre Solidarität mit Kuba

Rede von Gaby Ströhlein, in München.

Liebe Freundinnen, liebe Freunde,
queridas compañeras y compañeros,
liebe Gäste,

ich begrüße euch im Namen der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba zu unserem Solidaritätsfest anläßlich des 20jährigen Bestehens unserer Organisation, die am 12. Juli 1974 gegründet wurde – nach einer Arbeitsbrigade, die erstmals 1973 stattfand und vom damaligen Kowizuku (Komitee für wissenschaftlich Zusammenarbeit mit Kuba) durchgeführt wurde.

Wir freuen uns und sind stolz über die große Zahl internationaler Gäste und kubanischer Freunde, die heute mit uns feiern. Ich begrüße Vertreter und Mitglieder von Organisationen, die sich in ihrem Wirken ebenfalls in der ein oder anderen Form solidarisch auf das Projekt der kubanischen Revolution beziehen.

Heute Nachmittag haben wir eine Veranstaltung mit Genossinnen und Genossen aus Kuba, Vietnam und Südafrika durchgeführt, aus Ländern, die der fortschrittlichen, antiimperialistischen und antirassistischen Bewegung in der Welt zur Zeit wichtige Impulse geben. Mit dieser Veranstaltung haben wir einmal mehr ein Zeichen an unserem 20. Geburtstag gesetzt für einen im Kopf und Bauch verankerten Internationalismus, den wir bewußt gegen das Gift des Nationalismus setzen wollen, der gerade in diesem Land zur Zeit besonders wuchert. Die Ausbeutung der sogenannten 3. Welt, Großmachtstreben, Unterdrückung von Emanzipationsbestrebungen, elitäres eurozentristisches Herrenmenschentum, diese uns so verhaßten Charakterzüge deutscher Politik, die sich nach dem Scheitern der Versuche im Osten eine andere Gesellschaftsordnung zu entwickeln, noch ungehemmter verstärken, dieser Politik setzen wird die Solidarität mit dem Projekt der kubanischen Revolution entgegen.

Wir tun dies, weil die kubanische Revolution eben den Versuch verkörpert, sich nicht den Prinzipien zu unterwerfen, die die sogenannten Großen 7 mit ihren Instrumenten IWF, Weltbank, Uno und Eingreiftruppen der ganzen Welt aufzwingen wollen. Der »way of life« der sogenannten freien Marktwirtschaft hat das Elend in der Welt kontinuierlich verschärft und der Anspruch ist auch gar nicht da, alle Menschen in sozialer und menschlicher Würde leben zu lassen; die Geschichte der Welt wird dem Profitstreben einiger weniger unterworfen.

Kuba verkörpert für uns genau das gegenteilige Prinzip. Seine Revolution ist 15 Jahre älter als unsere Freundschaftsgesellschaft. Kubas Zielstellung war von Anfang an Abschaffung von Ausbeutung, Internationalismus, Lebenslust und Lebensfreude, die sich auf solidarisches Miteinander gründet. Das ist schon Grund genug mit dieser Revolution und den Menschen, die dafür stehen, prinzipiell solidarisch zu sein.

Prinzipielle Solidarität heißt nicht, Kuba als fernes Paradies anzuhimmeln oder als gelobtes Land für enttäuschte und resignierte Eurolinke anzupreisen. Solidarität heißt immer auch, sich mit Entwicklungsproblemen, Fehlentscheidungen, Rückschlägen auseinanderzusetzen und auch Kritik zu üben. Wir wollen dies allerdings so tun, wie es unter Freunden üblich ist.

Und das heißt:

Die ganze Wahrheit der Probleme zu erfassen: Woher kommen sie? Wer hat sie verursacht? Welche Faktoren begünstigen die Fehlentwicklungen?

Das heißt auch:

Zuerst mit den kubanischen Freunden darüber zu reden, deren Einschätzung zur Kenntnis zu nehmen und auch ihnen mehr zu trauen als den Sprechern und Schreibern der ausgewiesenen Feinde der kubanischen Revolution.

Das heißt auch:

Solidarische Hilfe und Unterstützung in politischer und materieller Hinsicht zu geben, wo dies möglich ist – und zwar ohne Anmaßung und ohne Selbstüberschätzung der eigenen Kraft und Fähigkeiten.

Das heißt auch:

Deutliche Kritik, wo es angebracht ist, aber nie in einer Form, die imperialistischen und konterrevolutionären Feinden Vorwand und Einladung vermitteln könnten, sich als Vollstrecker von Freiheit und Menschenrechten in Kuba aufzuspielen.

Die ärgsten und gefährlichsten Feinde Kubas sind sie nicht deswegen geworden, weil sie z.B. noch Defizite in der Demokratieentwicklung auf Kuba stört oder weil sie in verschiedenen Bereichen Probleme und unökonomisches Verhalten sehen oder weil sie sorge wegen der negativen Begleiterscheinungen des Tourismus haben – sie sind Feinde Kubas, weil sie eine andere gesellschaftspolitische und ökonomische Zielsetzung als die kubanische Revolution verkörpern.

Kuba soll sich nach deren Willen in die Reihe der neoliberal heruntergewirtschafteten, von der Gnade der kapitalistischen Weltmarktkonzerne abhängigen Hungerländer einreihen.

- Sie reden von Menschenrechten und meinen damit das Recht auf Eigentum zu Ausbeutungszwecken, das sie für einen höheren Stellenwert hat als Freiheit von Hunger und Unterentwicklung.

- Sie reden von freien Wahlen und meinen damit, daß Wahlen erst dann als frei anerkannt sind, wenn das Ergebnis für die Konterrevolution stimmt.

- Sie reden von Pluralismus und meinen damit Betätigungsfreiheit für die, die die Revolution und ihre Errungenschaften abschaffen wollen.

- Sie reden von Öffnung und meinen damit, daß Kuba ein weiteres Objekt des kapitalistischen Weltmarkts werden soll, der 2/3 der Menschheit in Not und elend hält.

Dieser Art sogenannter Kritik hat sich die Freundschaftsgesellschaft nie angeschlossen und wird dies auch nicht tun. Unser anliegen ist, daß die kubanische Revolution mit ihren prinzipiellen Zielsetzungen überlebt und sich weiterentwickelt.

Weil die Freundschaftsgesellschaft an den politischen Zielsetzung festhält, weil sie sich nicht als Instrument für antikubanische Propaganda gebrauchen ließ, weil sie nicht zu einer Folkware-Vereinigung degeneriert ist, die Kuba lediglich als Land von Palmen und Tropicana vermittelt, - deshalb war sie auch immer Anfeindungen ausgesetzt, tauchte sie regelmäßig in Verfassungsschutzberichten auf, wurde ihrem Vereinsstatus die Gemeinnützigkeit abgesprochen.

Wir sehen es aber auch als unsere Aufgabe an, kubanische Kultur und Geschichte zu vermitteln. Wir sehen das Lebensgefühl, die Freundlichkeit und Wärme der kubanischen Menschen, das Lachen und die Spontanität der kubanischen Kinder allerdings in einem Zusammenhang mit den Errungenschaften der kubanischen Revolution; - damit, was die kubanischen Menschen an Würde und Solidarität gewonnen haben. Wir feiern und tanzen nach kubanischen Rhythmen und trinken kubanische Rumcocktails mit diesem warmen Gefühl im Bauch.

Getanzt und gefeiert wird ja überall: in den reichen Metropolen in Miami und bei uns. Der Unterschied zum Tanzen und Feiern in Kuba aber ist, daß es nicht verbunden ist mit Gleichgültigkeit gegenüber Menschen, die verhungern und unterdrückt werden.

Kuba hat immer mit anderen geteilt, Tausende von Ärzten, Technikern, Lehrern waren und sind immer noch in den verschiedenen Ländern der sogenannten 3. Welt tätig. Kuba war immer Hinterland für um ihre Befreiung kämpfenden Völker.

Kuba hat als kleines 3. Welt-Land den Beweis geführt, daß es einen Weg ohne Unterwerfung gibt und dabei einen Entwicklungsstand in der medizinischen Versorgung, in der Bildung, an sozialer Sicherheit erreicht, von dem andere 3. Welt-Länder unter der Fuchtel des Imperialismus nur träumen.

Das macht es für viele zum Vorbild und deshalb ist die kubanische Revolution seit ihrer Existenz im Fadenkreuz des Imperialismus. Alle Destabilisierungsversuche, der Medienkrieg, Sabotageaktionen, offene Interventionen, Mordanschläge des CIA haben nicht zum Ziel geführt, Kuba wieder zum Ausbeutungsobjekt internationaler Konzerne zu machen.

Jetzt, da Kuba nach der Weltweiten Wende zum Kapitalismus fast alle Partner aus den ehemaligen sozialistischen Ländern verloren hat, sieht der Imperialismus die Chance für gekommen, die kubanische Revolution zu erwürgen. Es ist selbstverständlich, daß Feinde, aber auch Freunde sich kaum vorstellen können, wie ein kleines Land, das fast vom einen auf den anderen Tag 85% seiner Wirtschaftsbeziehungen eingebüßt hat, überleben kann.

Man muß sich nur einmal ein vergleichbares Szenario in der reichen BRD vorstellen – vollständig von der Außenwirtschaft abgeschnitten. Hier würde in kurzer Zeit alles zusammenbrechen und Mord und Totschlag herrschen.

Darauf setzten auch Kubas Feinde: die verschärften die jahrzehntelange Wirtschaftsblockade noch und erhöhten den politischen und propagandistischen Druck. Die Szenarien, wie sie in Nicaragua und anderen fortschrittlichen Ländern für die USA so erfolgreich verliefen, sind aber für Kuba bis heute nicht aufgegangen. Trotz dramatischer ökonomischer Lage zeigt Kuba Selbstbehauptungswillen und steht steht die Mehrheit der kubanischen Bevölkerung hinter der Revolution. Daß in einer Zeit der absoluten ökonomischen Mängel allerorten, 90% der Bevölkerung in der vergangenen Wahl zur Nationalversammlung für die Revolution votierten, sagt mehr über die Demokratie in Kuba aus als die Frage, ob nicht mehr CIA-unterstützte Contra-Vereinigungen auf den Wahlzetteln pluralistisch zur Wahl stehen müßten.

Natürlich hat die kubanische Revolution Fehler gemacht. Aber sie lernt aus ihnen, diskutiert sie, versucht zu berichtigen, vieles mißlingt trotzdem.

Dabei war sie aber in einem Punkt gut beraten: daß sie den wohl oder übel meinenden Ratschläge n derjenigen nicht gefolgt ist, die vor 1985 immer die Anlehnung an die SU kritisiert haben; ab 1985 dann plötzlich das Nachäffen der Perestroika anempfohlen haben.

Dies nicht getan zu haben, war deutlicher Beweis der Autonomie Kubas und die letzten Jahre zeigen, daß dies die entscheidende Grundlage dafür war, daß Kuba als alternatives Projekt noch lebt – trotz seiner bedrohlichen Notlage. Kuba ist den anderen ehemaligen sozialistischen Ländern nicht auf dem Weg des profitorientierten Marktradikalismus gefolgt. Es führt einen schweren Kampf zur Verteidigung seiner Errungenschaften, der nicht in allen Punkten siegreich ist, der große Opfer der Bevölkerung verlangt, für den es keine Patentrezepte gibt, außer dem einen: entweder kann sich Kuba auf dem Weg einer sozialistischen Alternative und Perspektive halten oder es wird ihm ergehen wie so vielen anderen 3. Welt-Ländern: Freiheit für Profit verbunden mit Massenelend, Hungertod, Strassenkindern ohne Perspektive.

Wir wollen Kuba in seinem schweren Kampf unterstützen und deshalb möchte ich noch einige Bemerkungen zu unseren Aktivitäten machen.

Viele erinnern sich vielleicht oder waren sogar selbst dabei, die bundesweite Solidaritätsdemonstration mit Kuba im Oktober letzten Jahres, auf der wir zusammen mit vielen anderen Organisationen gegen die Blockade von USA, EG und BRD protestiert haben.

Inzwischen ist in diesen Bereich einige Bewegung gekommen. Es gab Resolutionen in der UNO, vom Europäischen Parlament und jüngst auf der Konferenz lateinamerikanischer Staaten, die sich direkt bzw. indirekt gegen die Wirtschaftsblockade gegen Kuba aussprachen. Dieser Prozeß der politischen Solidarität muß weitergetrieben werden.

Gleichzeitig versuchen wir konkrete materielle Unterstützungsprojekte durchzuführen. Wir freuen uns darüber, daß wir inzwischen längst nicht mehr die einzigen sind, die konkrete materielle Solidaritätsprojekte durchführen oder unterstützen. Es gibt sie inzwischen im gewerkschaftlichen Bereich, von verschiedenen Parteien und Organisationen, von Initiativen wie Taller de la Solidaridad oder Cuba Sí – um nur einige zu nennen. Inzwischen existiert auch ein Netzwerk Cuba – informationsbüro, das die verschiedenen Solidaritätsaktivitäten bundesweit koordiniert und vorantreibt.

Als Freundschaftsgesellschaft führen wir zur Zeit schwerpunktmäßig ein Unterstützungsprojekt für das Nationale Asthma-Zentrum in Havanna durch. Wir halten die Hilfe auf der medizinischen Ebene gerade deshalb für so wichtig, da Kuba in diesem Bereich unter der aktuellen Politik der BRD besonders zu leiden hat. Es existierten zahlreiche Verträge auf diesem Gebiet mit der ehemaligen DDR, die allesamt von der BRD nicht übernommen und gebrochen wurden, obwohl sich die BRD in dem sogenannten Einigungsvertrag zur Übernahme aller bestehenden Verträge verpflichtet hatte. Inzwischen hat sich dieser Vertrag eher als Kapitulationsurkunde der DDR erwiesen.

Eine größere Solidaritätskampagne für Kuba wird im Herbst in Form einer Solidaritätskarawane durch die BRD stattfinden. Angeregt durch die Aktionen der »Pastors for Peace« in den USA, die bereits drei solcher Karawanen durchgeführt haben, bringen wir uns damit in die europäische Aktion »Ein Schiff für Kuba« ein. Wir beteiligen uns an der Sammlung von Solidaritätsgütern und verbinden damit politische Aufklärung und Information über Kuba, um die politische Bewegung gegen die Blockade noch mehr zu verbreitern.

Dieses Projekt steht – und das ist einmalig in der Solidaritätsarbeit – im Zusammenhang mit einer europaweiten Kampagne und den Aktionen der »Pastors for Peace« in den USA. In anderen europäischen Ländern werden zum gleichen Zeitpunkt ähnliche Karawanen durchgeführt, um dann mit einem gemeinsamen Schiff und allen Spenden erst die USA anzulaufen und von dort die Spenden nach Kuba zu bringen.

Die Blockade gegen Kuba muß aber nicht nur in ökonomischer, sondern auch in politisch informeller Hinsicht durchbrochen werden. Wir wollen dem Medienkrieg gegen Kuba etwas entgegensetzen und ein authentisches Sprachrohr der kubanischen Revolution in unserem Land etablieren und unterstützen daher materiell und organisatorisch die Herausgabe der Granma International. Die erste Ausgabe ist vor kurzem erschienen, die zweite Ausgabe ist unterwegs und wir möchten alle auffordern, recht zahlreich zu abonnieren und sich aus erster Hand zu informieren.

Als letztes möchte ich noch auf eine Einladung hinweisen, die die kubanische Revolution an alle Freunde und die mit Kuba solidarischen Kräfte gerichtet hat. Vom 21. bis 25 November diesen Jahres veranstaltet das Kubanische Institut für Völkerfreundschaft (ICAP) ein internationales Weltsolidaritätstreffen, das für Kuba sehr wichtig ist und zu dem sie Tausende von Freundinnen und Freunden erwarten.

Wer sich für nähere Einzelheiten dieser oder auch anderer Aktivitäten interessiert, mitarbeiten oder sogar Mitglied der Freundschaftsgesellschaft werden möchte, möchte sich an uns wenden.

Zum Abschluß möchte ich aus dem Aufruf für das weltweite Treffen der Solidarität zitieren:

»Rufen wir all diejenigen auf, welche sich der Arroganz einer Regierung widersetzen, die versucht, durch Hunger und Zwänge den Willen eines Volkes, das unter solch widrigen Bedingungen für sein recht, sein eigenes Schicksal zu entscheiden, kämpft, zu brechen

Ein Dichter sagte: »Mit dem Tod verbindet sich das Schweigen.«

Aber es ist weder die Zeit gekommen, zu sterben noch zu schweigen, sondern um aufzustehen, um sich gegen die unmenschliche Politik gegen eine Nation, die ihre Unabhängigkeit und das Recht auf den Fortschritt seines Volkes verteidigt, in alle erdenklichen Richtungen zu wehren.«

Dem möchte ich nur noch hinzufügen:

Solidarität hilft siegen!

CUBA LIBRE

CUBA LIBRE 3-1994